Deutschland im Vergleich

Gustavo

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Das Problem ist ja auch, dass die Pull-Faktoren hier meistens ein bisschen schwammig definiert sind. Gemeinhin wird unter Pull-Faktoren etwas verstanden, was den MIgrationswunsch verursacht oder verstärkt, weil die Umstände im Aufnahmeland besser sind als im Herkunftsland. Die sind allerdings für die irreguläre Migration in der Form tatsächlich nicht belegt. Worüber wir meistens reden sind Pull-Faktoren für Leute, die ihre Entscheidung sowieso getroffen haben, dann aber wählen in welchem Land sie ihren Antrag stellen wollen. Dafür gibt es tatsächlich Belege, allerdings sprechen die für "ein Faktor unter vielen". Ob Deutschland überhaupt einen nennenswerten Beitrag dazu leistet, diese Art von Pull-Faktoren zu senken, indem es Bargeld ausgibt, ist meines Wissen alles andere als belegt.
 

Celetuiw

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Kann ich nicht nachvollziehen. Die Judikative legen die Gesetze aus nicht umgekehrt. Es gibt gewisse Normen wie die Verfassung, die die Legislative nur ganz schwer ändern oder gar nicht ändern kann.
Versteh ich gut. Das gibt es allerdings in der von mir gezeichneten Konstellation im Sozialrecht relativ häufig.

Hier konkret ist es aber noch nicht einmal so, dass ja nicht mal konkret im Gesetz ausgestaltet ist. Dort steht
Der notwendige persönliche Bedarf ist vorbehaltlich der Sätze 6 und 7 in Form von Bezahlkarten oder durch Geldleistungen zu decken. Soweit der notwendige persönliche Bedarf oder der Bedarf für Haushaltsenergie nicht mittels der Bezahlkarte gedeckt werden können, sind diese als Geldleistung zu erbringen
(§3 Abs. 3 S.6)
Der notwendige persönliche Bedarf beträgt für alleinstehende volljährige Leistungsberechtigte 162 €.
(§3a Abs. 1 Nr. 1 S. 1)

Hier kommt der Trick: im Gesetz steht halt nirgendwo 50 € max. Da steht "Bezahlkarte oder Geldleistung". Wie genau das ausgestaltet werden soll, steht da nicht. Auf der MPK wurden die 50 € beschlossen, aber da es dazu keinen Erlass gibt o.Ä. Ist das unverbindlich und rechtlich nicht bindend.

Auf gut deutsch heißt das" jede Kommune muss sich das selber überlegen und auch dann vor Gericht rechtfertigen".

Und DAS regt mich daran halt massiv auf. Die ganze rechtliche Umsetzung ist hochgradig Wischiwaschi und zwingt die Kommunen jeden Einzelfall durchzudeklinieren. -> Verwaltungsaufwand ohne Ende.

Steht auch hier: https://berlin-hilft.com/2024/07/24...sieht-notwendigkeit-einer-einzelfallpruefung/
 
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Das Problem ist ja auch, dass die Pull-Faktoren hier meistens ein bisschen schwammig definiert sind. Gemeinhin wird unter Pull-Faktoren etwas verstanden, was den MIgrationswunsch verursacht oder verstärkt, weil die Umstände im Aufnahmeland besser sind als im Herkunftsland. Die sind allerdings für die irreguläre Migration in der Form tatsächlich nicht belegt. Worüber wir meistens reden sind Pull-Faktoren für Leute, die ihre Entscheidung sowieso getroffen haben, dann aber wählen in welchem Land sie ihren Antrag stellen wollen. Dafür gibt es tatsächlich Belege, allerdings sprechen die für "ein Faktor unter vielen". Ob Deutschland überhaupt einen nennenswerten Beitrag dazu leistet, diese Art von Pull-Faktoren zu senken, indem es Bargeld ausgibt, ist meines Wissen alles andere als belegt.
Haben wir ja schon ein paar Mal durchdiskutiert und ja, ich spreche über den zweiten Effekt obvsly. Ein besseres Erklärungsmodell als das zweistufige ist in unseren Diskussionen hier ja auch noch niemandem eingefallen.

Meine Sicht hat sich seit 2015 nicht wirklich verändert:

- Immigration gerne, aber mit sinnvollem Punktesystem
- Ungeregelte Immigration ist ungerecht
- Immigration != Asyl
- Eine klare Anspruchs- und Erwartungshaltung gegenüber Immigranten und Asylbewerbern ist nicht Rassismus sondern vollkommen in Ordnung (obvsly nur für halbwegs normale Erwartungen)
- Geltendes Recht durchsetzen wäre gut
- Die deutsche Außenpolitik ist vermutlich durch jahrzehntelange Autosuggestion einfach zu lauchig unterwegs, um robuste aber faire Diplomatie zu führen (wenn man Wortmeldungen von Menschen aus dem AA liest, dann herrscht da schon ein besonderer Geist, der es eben sehr schwer macht auch mal an die eigenen Interessen zu denken)
- Schnellere Einbürgerung und Doppelstaatsbürgerschaft für alle halte ich für eine fehlgeleitete Maßnahme (erst recht nicht als Anspruch vs. als Voraussetzung einen Antrag stellen zu dürfen). Hier lügt man sich wieder in die Tasche weil man "nett" sein will und ignoriert, dass es quasi alle beliebten Immigrationsländer anders machen … aber von anderen lernen war ja die letzten Jahrzehnte keine Stärke der Deutschen 🤷‍♂️ . (Die einmaligen Regelungen für ältere Immigranten der ersten Generation nehme ich davon explizit aus.)
- Der Moralisierung insb. dieser Debatte haben wir im Wesentlichen eine AfD auf den aktuellen Umfragewerten zu verdanken.
 

GeckoVOD

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Ja, und wie wird der Bodenwert berechnet? U.a. eben aus Transaktionen und Erträgen. So beißt sich die Katze in den Schwanz, insb. wenn es keine Transaktionen gibt.
Einnahmen aus so circa jeder möglichen Nutzung des Bodens sind steuerpflichtig, entsprechend wird es bei den Finanzämtern ausreichend Daten geben, um eine sinnvolle Schätzung vorzunehmen.
Ich habe lange überlegt, ob ich was schreibe, eher aufgrund von Zeitmangel. Inhaltlich bin ich bei deinen Wünschen und sehe es ähnlich, nur ist die Realität dann doch etwas komplexer. Ich verweise auf meinen Rant von 22.

Mein Punkt wäre: Du (viele hier) überschätzen die Datenlage völlig, eigentlich müsste man tabula rasa machen und von Grund auf die Daten neu konstruieren, mit dem Bestand kann man kaum vernünftig arbeiten. Sobald man sich mehr als 20 Minuten mit dem Thema beschäftigt, speziell mit den Portalen und Prozessen, kommt man aus dem Kotzen nicht heraus. Nur in absoluter Kürze, weil aktuell wirklich wenig Zeit:

1. Der Boden(richt)wert orientiert sich nicht nur an Transaktionen (und potenziellen) Erträgen, es fließen in den regionalen Gutachterausschüssen auch "andere Faktoren" (Bauchgefühl) mit ein. Mit realistischen Werten, die objektiv nachvollziehbar sind, hat das nicht immer etwas zu tun, noch sind diese Zahlen wirklich transparent. Hinzu kommt der Fakt, dass (mein Stand vom Juli 22) die Karten durchaus viele weiße Flecken hatten, oder schlimmer, mehrere Preise in den Systemen vorlagen.

2. Man muss sich als (Steuer)laie von der Vorstellung lösen, man besteuert in den Grundsteuer Grund- oder sogar nur Flurstücke, sondern wirtschaftliche Einheiten. Die definierte Einheit ist meistens nicht komplex, aber der Weg diese Definition zu machen ist extrem. Iirc (bitte erschießt mich dafür nicht) ist es so, dass die Einheit die Art der Steuer festlegt, man also nicht pauschal en passant sagt, welchen Wert welches geografisch existierende Stück Land hat, sondern erst den Zweck anschaut, dann das Land. Ist juristisch sicher irgendwo sinnvoll, aber hier steige ich meist schonmal aus. Für die Ermittlung von Richtwerten, egal ob Bodenwert, Ertragswert oder sonstiges, ist die Herangehensweise schon... toll. Und auch rechtlich (iirc) fragwürdig, weil teilweise auch Land geschätzt wird, das noch nicht oder nicht mehr genutzt wird.
Nur mal als Beispiel für die Denke, evtl. auch relevant für das Heuler-Boomer-Paar: Die Besitzen 1. Flurstück mit 1. Haus, wäre logisch 1. Einheit aus Laiensicht. Wenn die Annahme der Ämter (egal ob Gremien für Bodenrichtwert oder Finanzamt, oder wer auch immer das erfindet) ist: "hier passt noch ein Haus rein", dann wäre der Garten eine Einheit, das Haus eine zweite. Ist das Haus ein MFH mit einer leerstehenden Wohnung wäre sogar eine dritte möglich. Steht da am Ende ein Bildstock von Anno dazumal hast du ein viertes mit einem neuen Eigentümer. Jede Einheit wird als eine Einheit im Finanzamt geführt - oder auch nicht.
Das wird ein besonders großes Problem in der Land- und Forstwirtschaft, hier hast du "Stückland": Können bis zu 200 Flurstücke sein, kann ein einziges sein. Kann ein Teil eines Flurstückes sein, kann alles davon sein. Kann in einer Richtwertzone liegen, kann in mehr Zonen liegen. Der Richtwert orientiert sich hier übrigens an extrem vielen soften Faktoren, die teilweise echt hirnrissig sind - bspw. wenn da ein Fluß/See liegt an der Durchflussmenge des Wassers (iirc), oder WAS da angebaut wird. Fruchtbares Ackerland kann einen anderen Richtwert als Wald haben, usw. usf.

Nun gut. Die Herangehensweise erst wirtschaftliche Einheiten zu bilden und DANN zu schauen, wie man das bewertet finde ich grauenvoll ("WeNn WiR EiNhEiTeN BiLdEn, dAnN BeWeRtEn wIr jA sChOn, LoL"). In unserem System der Einzelfallgerechtigkeit muss das wohl trotzdem so sein. Danke für nichts, Juristen.

3. Bedenke bei den statistischen Verfahren, dass nicht alles besteuert, bzw. berechnet wird und das teilweise die Schätzverfahren abbilden müssten. U.a. die Erträge und Werte von Objekten und Ländereien, die eindeutig nicht zu besteuern wären - egal ob das jetzt Museen, Schulen, oder Flächen im Besitz von gGmbHs und co. wären. Das sind nicht wenige, alleine meinde Mandanten haben da ~60.000 Flurstücke. Alles machbar, aber nicht mit den Daten, denn:

4. Die Daten sind nicht zentral und vernetzt. Boris NRW steht da, aber das ist nicht mit den Daten der Finanzämter und nicht mit den Daten der Kommunen gekoppelt. Das sind alles Wissenssilos. Allerdings nicht alles, bspw. teilen sich Bayern, Thüringen und das Saarland (soweit ich weiß) eine gemeinsame "Datenbank" (COBOL), die allerdings die Eigentümer nur teilweise richtig kennt. Aber nicht nur die Datenbanken, also der Speicherort, ist nicht standardisiert. Auch ELSTER ist da nicht so wirklich logisch eingebunden, oder wurde so konzipiert, dass man es zumindest die Ergebnisse weiterleiten könnte, wenn man wollte - viele der komplexen Fälle spielen sich in Freitextfeldern ab; also einfach sinnfreien String-Texten. Wie diese letztlich einheitlich interpretiert werden weiß niemand.

An dieser Reform ist so vieles so furchtbar, furchtbar grauenvoll gelaufen, dass ich einerseits den Boomern recht geben möchte, gleichzeitig können die mich auch mal so richtig heftig sonstwo.
 
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Ich wusste, dass es schlimmer und komplexer ist. U.a. wegen Deines alten Posts. Wegen der Datenlage hatte ich ja den Nudging-Teil hinzugefügt. Es ist technisch jetzt echt nicht unmöglich sowas umzusetzen. Es scheitert, wie auch Du es schon in diversen Konstellationen beschrieben hast, eigentlich immer an der Koordination und dem "sich auf eine Lösung einigen".

tl;dr: Ich teile Deinen Hass.

Juristen aufs Schafott.
Meine freie Meinung als Demokrat.
 

Celetuiw

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Das Nürnberger Sozialgericht entschied in dieser Woche in beiden Fällen, dass die Behörde bei der Entscheidung, wie sie den Asylsuchenden ihre Leistungen zur Verfügung stellt, «zwingend Ermessen auszuüben» hat. Sie müsse die örtlichen Besonderheiten und unterschiedlichen Lebenslagen der Klägerinnen berücksichtigen, sonst drohten ihnen «wesentliche Nachteile».
In dem konkreten Fall führte die Klägerin an, dass es ihr mit der Bezahlkarte nicht möglich sei, etwa günstig im Internet oder im benachbarten Nürnberg einzukaufen. Auch könne sie nicht ohne weiteres Vereinen beitreten, weil die Überweisung der Mitgliedsbeiträge erst genehmigt werden müsse. Die zweite Klägerin argumentierte ähnlich.

Hier nochmal zu Urteilen zur Bezahlkarte, diesmal SozG Nürnberg.

Der Schwachsinn wird immer absurder. Nachdem wir nun schon mal den Barbetrag für jede Nase individuell und an den Einzelfall angepasst auszahlen, sollen wir nun jede Nase eizeln nach ihren Shoppingwünschen im Nachbarort, online und den geplanten Mitgliedschaften im Sportverein befragen.

Geschenkt, dass das Gericht auch nichts "grundsätzlich gegen die Bezahlkarte" hat. Bei dem Trend in der Rechtssprechung wird es eh jede Kommune so machen, dass man die Bezahlkarte still und heimlich aushebelt.
 

Gustavo

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Hier nochmal zu Urteilen zur Bezahlkarte, diesmal SozG Nürnberg.

Der Schwachsinn wird immer absurder. Nachdem wir nun schon mal den Barbetrag für jede Nase individuell und an den Einzelfall angepasst auszahlen, sollen wir nun jede Nase eizeln nach ihren Shoppingwünschen im Nachbarort, online und den geplanten Mitgliedschaften im Sportverein befragen.

Geschenkt, dass das Gericht auch nichts "grundsätzlich gegen die Bezahlkarte" hat. Bei dem Trend in der Rechtssprechung wird es eh jede Kommune so machen, dass man die Bezahlkarte still und heimlich aushebelt.

Ironischerweise könnte die Karte ja tatsächlich eine deutliche Vereinfachung sein, nämlich wenn man sie wie jede andere Debit-Karte auch benutzen könnte. Wenn Leute Geld auch einfach abheben könnten, statt es sich beim Amt abzuholen, wäre allen mehr geholfen.

Und nb: Ich hätte an sich gar kein Problem mit dem Kartensystem, wenn es eine halbwegs realistische Möglichkeit gäbe, bestimmte Dinge mit der Karte zahlbar zu machen, die gemeinhin heute nicht mit Karte gezahlt werden können. Beispiel Gebrauchtwaren: Es ist ganz offensichtlich so viel einfacher, sowas mit Bargeld zahlen zu können, als mit einer Debit-Karte. Gibt für Leute mit wenig Geld vermutlich wenig sinnvollere Sparmöglichkeiten als Sachen gebraucht zu kaufen, aber das macht man ihnen so unnötig schwer, gerade in der Anfangszeit (also vor Entscheidung über den Antrag) wenn sie viele Sachen, die man gemeinhin nur einmal kauft, erst mal anschaffen müssen. Und das alles für eine Maßnahme, deren Nutzen, zumindest soweit öffentlich verlautbart, darin liegen soll Überweisungen an Schlepper zu verhindern, von denen niemand belegen kann, dass es sie wirklich gibt.
 

Celetuiw

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Ironischerweise könnte die Karte ja tatsächlich eine deutliche Vereinfachung sein, nämlich wenn man sie wie jede andere Debit-Karte auch benutzen könnte. Wenn Leute Geld auch einfach abheben könnten, statt es sich beim Amt abzuholen, wäre allen mehr geholfen.
Insoweit Zustimmung zu deinen weiteren Ausführungen, jedoch bist du einer Presse-Ente zum Opfer gefallen:
Die Regel ist, ich kenne nur sehr wenig Kommunen die das nicht macht, Leistungen auf das Girokonto zu überweisen. Ist rechtlich möglich, es gibt auch keine Schwierigkeiten mit den Banken.

Auszahlung in Bargeld macht man nur, wenn die Leute frisch aus der Aufnahmeeinrichtung kommen und kein Bankkonto haben den ersten Monat.
Ein paar vereinzelte Kommunen nutzen die Möglichkeit der Barauszahlung als zusätzliche "Anwesenheitskontrolle". Kann man so machen, ist aber selbstgeschaffener Aufwand.

Also bürokratisch entlastet wird niemand durch die Bezahlkarte weil man sonst Bar oder in Warengutscheinen zahlen muss.
Das ist Nonsens der aus Teilen der Politik verbreitet und von ahnungslosen Journalisten übernommen wird.
 
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Aber dann ließe es sich doch auch relativ easy grob erahnen, ob die Gelder durch Abbuchungen von Western Union verschwinden, oder durch Abbuchungen von Lidl? (technically)
Klar, der Datenschutz lässt sowas (ersteinmal) nicht zu, und es ließe sich verschleiern indem man die Kohle einfach erst abhebt und zu Fuß zu Western Union geht. Um eine anonyme Abschätzung der Größe des Problems zu bekommen, wäre es allerdings schon nicht verkehrt. (Und ja, sowas wurde schon an anderen Stellen gemacht.)

Klingt für mich schon ein wenig nach "wir wollen das auch gar nicht wirklich quantifizieren." (Alternativ: "auf diese naheliegende Idee sind wir nicht gekommen.")
 

Celetuiw

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Aber dann ließe es sich doch auch relativ easy grob erahnen, ob die Gelder durch Abbuchungen von Western Union verschwinden, oder durch Abbuchungen von Lidl? (technically)
Klar, der Datenschutz lässt sowas (ersteinmal) nicht zu, und es ließe sich verschleiern indem man die Kohle einfach erst abhebt und zu Fuß zu Western Union geht. Um eine anonyme Abschätzung der Größe des Problems zu bekommen, wäre es allerdings schon nicht verkehrt. (Und ja, sowas wurde schon an anderen Stellen gemacht.)

Klingt für mich schon ein wenig nach "wir wollen das auch gar nicht wirklich quantifizieren." (Alternativ: "auf diese naheliegende Idee sind wir nicht gekommen.")
Brauch man dazu nicht ziemlich trifftige Gründe? Mafia, Geldwäsche, Steuerhinterziehung im großen Stil, sowas?

Davon ab: ich bin kein Bankmensch, aber ich schätze das ginge einfach 🤷‍♂️
 

Gustavo

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Insoweit Zustimmung zu deinen weiteren Ausführungen, jedoch bist du einer Presse-Ente zum Opfer gefallen:
Die Regel ist, ich kenne nur sehr wenig Kommunen die das nicht macht, Leistungen auf das Girokonto zu überweisen. Ist rechtlich möglich, es gibt auch keine Schwierigkeiten mit den Banken.


Okay, kann gut sein dass ich das überschätzt habe. Wenn ich mich richtig erinnere waren die Beispiele für Kommunen, die es anders gemacht haben, alle im Osten, während dagegen auf "Hannover" verwiesen wurde, vermutlich weil die bereits eine Bezahlkarte hatten. Dann ist mir allerdings auch nicht mehr so ganz klar, warum so viele Leute extra Hannover erwähnt haben, denn wenn man das Geld aufs Girokonto kriegt, dann kriegt man ja so oder so eine Debit-Karte dafür. Könnte aber natürlich auch Ahnungslosigkeit sein.



Aber dann ließe es sich doch auch relativ easy grob erahnen, ob die Gelder durch Abbuchungen von Western Union verschwinden, oder durch Abbuchungen von Lidl? (technically)
Klar, der Datenschutz lässt sowas (ersteinmal) nicht zu, und es ließe sich verschleiern indem man die Kohle einfach erst abhebt und zu Fuß zu Western Union geht. Um eine anonyme Abschätzung der Größe des Problems zu bekommen, wäre es allerdings schon nicht verkehrt. (Und ja, sowas wurde schon an anderen Stellen gemacht.)

Klingt für mich schon ein wenig nach "wir wollen das auch gar nicht wirklich quantifizieren." (Alternativ: "auf diese naheliegende Idee sind wir nicht gekommen.")

Ich weiß es auch nicht genau, aber ich wäre ehrlich SEHR überrascht, wenn das rechtlich möglich wäre. Also sehr, sehr, sehr überrascht.
 
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@Gustavo @Celetuiw klar. Das ist nicht einfach.
Der Trick bisher ist es, dass man Daten anonymisiert erhebt und auswertet. Es geht ja auch nicht darum, dass man einzelne Menschen für ihr (im Übrigen legales) Verhalten verknackt. Es ginge darum zu überprüfen, ob dem behaupteten Zweck der Bezahlkarte überhaupt ein reales Problem gegenübersteht. (Und wie groß dieses Problem dann ist.)

@Gustavo was es tatsächlich schon gibt sind Paper die Buchungsmuster auf Girokonten untersuchen. Das wurde mit echten Daten gemacht, aber eben anonymisiert. Dabei ging es darum nachzuprüfen, ob gängige VWL-Annahmen in Bezug auf Geldhaltung/Geldtheorie tatsächlich zutreffend sind.
 
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Um den vermeintlichen Sozialneid nach unten zu verhindern ist es halt wichtig, dass Menschen die Arbeiten nicht nur 0-30% von jedem verdienen Euro übrig haben im Vergleich zum Nichtarbeiten.

Wenn der Staat sagt "kein Geld, Abgaben für Renten und Krankenkasse steigen", und der Arbeitnehmer sieht, dass der Bürgergeldler nur minimal weniger hat - dann ist es doch nicht überraschend, dass er sich eine andere Verteilung wünscht.
 

Das Schaf

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Wo auf den Bergen Schlösser wachsen
Vielleicht wäre es auch wichtig die unteren Löhne anzuheben. Dann würde sich Arbeit doch wieder lohnen.
Aber nein die Bedienung darf nicht mehr als 13€ verdienen denn sonst wird das Essen zu teuer
 

Celetuiw

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Um den vermeintlichen Sozialneid nach unten zu verhindern ist es halt wichtig, dass Menschen die Arbeiten nicht nur 0-30% von jedem verdienen Euro übrig haben im Vergleich zum Nichtarbeiten.

Wenn der Staat sagt "kein Geld, Abgaben für Renten und Krankenkasse steigen", und der Arbeitnehmer sieht, dass der Bürgergeldler nur minimal weniger hat - dann ist es doch nicht überraschend, dass er sich eine andere Verteilung wünscht.
Richtig. Aber die Folgerung muss sein, die Abgaben in der Spitze zu erhöhen um die notwendigen Mittel zu generieren. So dass nicht der Mittelschicht das Gefühl bekommt, sie zahlt die soziale Gerechtigkeit nach unten größtenteils allein. Das führt doch eben erst zum Sozialneid nach unten.

Davon ab ist es Aufgabe der Tarifparteien, aber auch Mindestlohnkommission, bessere Gehaltsatrukturen zu schaffen. Auch da kann der Staat sanft einwirken, wenn es sonst nicht klappt.
 
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Richtig. Aber die Folgerung muss sein, die Abgaben in der Spitze zu erhöhen um die notwendigen Mittel zu generieren.
Ja, wenn gleichzeitig die Belastung für Gering- und Durchschnittsverdiener sinkt

D.h. ich wäre total für eine Reform, bei der das gesamte Steueraufkommen gleich bleibt - und auf der einen Seite Sozialabgaben gesenkt und wegfallende Transferleistungen geglättet werden, auf der anderen Seite bspw Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer und Beitragsbemessungsgrenzen erhöht werden.

Das konzeptioniert und verkauft so aber mWn kaum jemand.
 

parats'

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Das "kaum Jemand" kannst Du streichen, wenn wir auf Parteiebene sind. :|
 
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Passend dazu ein Interview mit einem Ex-Trader der Citibank: https://archive.is/JiZuq

Zsfg.: er ist dafür, Vermögen zu besteuern und die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen, welche mittelfristig den Zusammenbruch unserer Gesellschaft so wie wir sie kennen zufolge hat.
 

Gustavo

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Ja, wenn gleichzeitig die Belastung für Gering- und Durchschnittsverdiener sinkt

D.h. ich wäre total für eine Reform, bei der das gesamte Steueraufkommen gleich bleibt - und auf der einen Seite Sozialabgaben gesenkt und wegfallende Transferleistungen geglättet werden, auf der anderen Seite bspw Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer und Beitragsbemessungsgrenzen erhöht werden.

Das konzeptioniert und verkauft so aber mWn kaum jemand.


Das IW-Modell, zu dem ich hier schon mal einen Thread aufgemacht habe, hat das schon vor mehr als zehn Jahren geliefert. Wir haben sogar darüber gesprochen?

€dit: Wenn ich mich richtig erinnere waren die Modelle aus den Bundestagswahlprogrammen mindestens auf der Steuerseite ziemlich genau das, was SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen stehen hatten.
 
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Interessant. In der Praxis ihrer Regierungsverantwortung machen SPD und Grüne doch aber eher das Gegenteil?

1. Mehr Bürgergeld, keine Schnitte an der Rente -> steigende Abgaben
2. Generell wenig Steuersenkungen im Gespräch, geht doch eigentlich immer nur um Erhöhungen für Reiche und "Reiche"
3. Kein erkennbarer Fokus auf die Senkung der Grenzbelastung zwischen Bürgergeld und Arbeit

Oder übersehe ich da etwas?
 

Gustavo

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Interessant. In der Praxis ihrer Regierungsverantwortung machen SPD und Grüne doch aber eher das Gegenteil?

1. Mehr Bürgergeld, keine Schnitte an der Rente -> steigende Abgaben
2. Generell wenig Steuersenkungen im Gespräch, geht doch eigentlich immer nur um Erhöhungen für Reiche und "Reiche"
3. Kein erkennbarer Fokus auf die Senkung der Grenzbelastung zwischen Bürgergeld und Arbeit

Oder übersehe ich da etwas?

Na ja, "das Gegenteil" kann man so nicht sagen. Dein Punkt 1) ergibt ehrlich gesagt wenig Sinn in Bezug auf das vorher Gesagte, weil es ja nicht darum geht die Sozialausgaben relativ zu senken, sondern sie anders zu finanzieren, nämlich tendenziell weniger aus Steuern/Abgaben auf Erwerbsarbeit (was so wie aktuell ausgestaltet eine regressive Steuer ist) und tendenziell mehr aus der Versteuerung von Vermögen (progressiv). Ansonsten kann man jetzt auch eigentlich nicht sagen, dass die Ampel so wahnsinnig viel an der Höhe der Sozialabgaben getan hat, bis auf das Vorziehen des Inflationsausgleichs (was ja letztendlich nur eine zeitliche Verlagerung ist) sind die Sätze eigentlich ziemlich exakt dort, wo sie nach der vorher bestehenden Gesetzeslage auch gelandet wären.

3) ist eindeutig falsch, die Ampel hat den Zuverdienst reformiert. Dass das nicht in ein vollständig neues System geführt hat das eine globale maximale Transferentzugsrate festlegt ist richtig, aber dafür müsste man das ganze Steuersystem reformieren wie etwa im IW-Modell, weil die Transferentzugsrate dann weit in die Mittelschicht reichen würde. Zu dem Thema weiß ich tatsächlich nicht, was genau in den Wahlprogrammen stand, aber ich hatte ja auch nur von der Steuerseite gesprochen.

2) ist tatsächlich "... aber die FDP". Der Koalitionsvertrag sagt, dass es keinerlei Steuererhöhungen gibt. Ironischerweise macht die FDP exakt das, was die Republikaner in den USA bei dem Thema auch machen, nämlich diese Aussage wahlweise absolut oder relativ zu interpretieren: Wenn es um das Klientel geht, das ihnen am Herzen liegt, dann wird sie absolut interpretiert (niemand darf höher belastet werden), wenn es um eine Reform nach FDP-Vorstellungen geht wird der Satz dann doch gerne mal als "Gesamtsteueraufkommen darf nicht steigen" verstanden. Aber ja: Du hörst davon nix, weil es nichts bringen würde darüber zu reden, denn es ist einfach ausgeschlossen, dass die FDP mitmachen würde.
 
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Na ja, "das Gegenteil" kann man so nicht sagen. Dein Punkt 1) ergibt ehrlich gesagt wenig Sinn in Bezug auf das vorher Gesagte, weil es ja nicht darum geht die Sozialausgaben relativ zu senken, sondern sie anders zu finanzieren, nämlich tendenziell weniger aus Steuern/Abgaben auf Erwerbsarbeit (was so wie aktuell ausgestaltet eine regressive Steuer ist) und tendenziell mehr aus der Versteuerung von Vermögen (progressiv).
In dem Moment, wo Sozialabgaben aber eben nicht über Steuern finanziert werden, bedeutet jede Erhöhung dieser eine relative Belastung der Gering- und Durchschnittsverdiener.

Wenn bspw Rentner beschenkt werden, dann steigt dadurch die Belastung von Geringverdienern mehr als meine Belastung. Insbesondere weil die Geringverdiener wenige Vorteile durch ihre wenigen Rentenpunkte haben.

Das mag kein "beabsichtigter" Effekt sein, es ist aber die direkte Konsequenz aus der Politik der SPD.
Ansonsten kann man jetzt auch eigentlich nicht sagen, dass die Ampel so wahnsinnig viel an der Höhe der Sozialabgaben getan hat, bis auf das Vorziehen des Inflationsausgleichs (was ja letztendlich nur eine zeitliche Verlagerung ist) sind die Sätze eigentlich ziemlich exakt dort, wo sie nach der vorher bestehenden Gesetzeslage auch gelandet wären.
Inaktion ist auch eine politische Entscheidung. Gerade wenn der Status quo nicht sustainable ist wie beim Thema Renten.
3) ist eindeutig falsch, die Ampel hat den Zuverdienst reformiert.
Ich sprach von "Fokus", nicht von Einzelmaßnahmen ohne wirklich großen Impact auf das Problem.

Aber ja, besser als nichts.
Dass das nicht in ein vollständig neues System geführt hat das eine globale maximale Transferentzugsrate festlegt ist richtig, aber dafür müsste man das ganze Steuersystem reformieren wie etwa im IW-Modell, weil die Transferentzugsrate dann weit in die Mittelschicht reichen würde. Zu dem Thema weiß ich tatsächlich nicht, was genau in den Wahlprogrammen stand, aber ich hatte ja auch nur von der Steuerseite gesprochen.
Ich spreche hier immer vom gesamten Konglomerat aus Steuern, Abgaben und Transferleistungen. Diese nur einzeln zu betrachten macht mMn wenig Sinn, siehe gigantischer Steuerzuschuss Rente usw.

(Der Vollständigkeit halber würde hier auch das Thema Migrationspolitik passen, aber lassen wir es um des lieben Friedens Willen beiseite.)
2) ist tatsächlich "... aber die FDP". Der Koalitionsvertrag sagt, dass es keinerlei Steuererhöhungen gibt. Ironischerweise macht die FDP exakt das, was die Republikaner in den USA bei dem Thema auch machen, nämlich diese Aussage wahlweise absolut oder relativ zu interpretieren: Wenn es um das Klientel geht, das ihnen am Herzen liegt, dann wird sie absolut interpretiert (niemand darf höher belastet werden), wenn es um eine Reform nach FDP-Vorstellungen geht wird der Satz dann doch gerne mal als "Gesamtsteueraufkommen darf nicht steigen" verstanden. Aber ja: Du hörst davon nix, weil es nichts bringen würde darüber zu reden, denn es ist einfach ausgeschlossen, dass die FDP mitmachen würde.
Glaube ich eben nicht, dass das nur an der FDP liegt. Sonst würde man ja zumindest Konzepte hören.

Ich glaube eher, dass es daran liegt, dass die SPD eben eher die Staatsquote erhöhen möchte anstatt die Last nur anders zu verteilen.

Das erkennt man ja schon an den großen Flaggschiff-Programmen, die grundsätzlich aus Umverteilung auf dem Umweg über die staatliche Kasse bestehen.
 
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Kam vor paar Tagen bei mir in Facebook,vllt ist das interessant, weil außerhalb der grünen blase die Lage sehr pessimistisch gesehen wird. 1000064135.jpg
 

parats'

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Ist ja auch kein Wunder, wenn man sich anguckt mit welchem Selbstvertrauen Robert 'Der Apologet' Habeck auftritt. :troll:
 

Gustavo

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In Anlehnung an die Frage nach dem Mehrebenensystem mit @Celetuiw neulich wollte ich nochmal eine andere Beobachtung einwerfen, wo das zu Problemen führt, die ich in den letzten Tagen gemacht habe: Mehrebenensysteme laden sowieso schon dazu ein, über Dinge auf der einen Ebene zu diskutieren, für die eigentlich eine ganz andere Ebene zuständig ist. Aber was gerade im Wahlkampf in den ostdeutschen Ländern passiert ist imo demokratietheoretisch schon recht bedenklich (und damit meine ich gar nicht das zu erwartende Ergebnis): In dem Wahlkampf wird fast AUSSCHLIESSLICH über Themen gesprochen, für die die Landesebene überhaupt nicht zuständig ist. Teilweise sind es sogar Themen, die politischer Steuerung (zumindest aus Deutschland) überhaupt nur sehr eingeschränkt zugänglich sind: Klar, man kann jeden sächsischen Landtagskandidaten nach seiner Meinung bzgl. Krieg und Frieden in der Ukraine fragen, aber damit suggeriert man dass bei diesem Thema die sächsische Landespolitik ein Mitspracherecht hat, was halt einfach illusorisch ist. Mein Eindruck ist dass bei viele Bürger sowieso schon der Glaube an die Steuerungsfähigkeit der Politik stark gesunken ist*, man muss das nicht noch verschlimmern indem man den Leuten vorspielt mit ihrer Stimme für BSW wird ein Kriegsende wahrscheinlicher, mit ihrer Stimme für AfD könnte man weniger Flüchtlinge zugewiesen bekommen und mit der Stimme für (hier könnte man eigentlich jede beliebige Partei einsetzen) gäbe es auf einmal weniger Unterrichtsausfall in Schulen, deren Grundproblem ist dass sie in Gegenden liegen in denen einfach zu wenige Leute arbeiten wollen, wenn sie eine Wahl haben.



*teilweise sicher weil das tatsächlich der Fall ist, teilweise aber auch einfach weil die Frustrationstoleranz für Kompromisse mittlerweile ziemlich niedrig zu liegen scheint
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Und nun mein werter VWL-Kollege erkläre mir mal, wie es auf die Verfügbarkeit von Wohnungen keinen Unterschied machen soll, wenn wir 3 Millionen Menschen mehr im Land unterbringen sollen? Auf das Paper bin ich gespannt!
Noch schwachsinniger wird es nur, wenn man dann traurig ist, dass im letzten Jahr 200.000 Wohnungen zu wenig gebaut wurden. Die Bauzahlen haben bei den massiven Zuwanderungszahlen sowieso nur homöopathischen Charakter.


Habe diesen Post hier nochmal rausgesucht, weil er stellvertretend für etwas stehen, was mich generell nervt: Macki meint hier er können einfach mal davon ausgehen, dass etwas stimmt, weil es ihm einleuchtend erscheint. In diesem Fall: "Flüchtlinge kommen hier her --> mehr Menschen heißt mehr Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt --> Mieten steigen". Jetzt gab es vorgestern bei Markus Lanz eine Szene, wo exakt dasselbe im Fernsehen passiert ist: Karin Prien von der CDU und Lanz waren der Meinung, sie könnten diesen Zusammenhang voraussetzen, Jan van Aken von der Linken hat (auf eine EXTREM platte Art, will ich mir keineswegs zu eigen machen) widersprochen. So weit, so belanglos.
Allerdings hat im Nachgang Jonas Schaible vom Spiegel ein sehr neues Paper rausgefischt, das ich noch nicht kannte und das sich den Zusammenhang zwischen Zuzug von Migranten und dem Niveau der Preise für Wohnen für die Jahre 2004 bis 2020 anschaut. Und "Überraschung": Der gesamte Effekt von Zuzug durch Ausländer* auf die Mietpreise beträgt ungefähr ein Prozent höhere Mieten pro Prozent Bevölkerungszuwachs.
Über die gesamte Zeit sind die Mieten (in realen Preisen) im Durchschnitt um 69% gestiegen. Davon dürften dann auch in etwa drei bis vier Prozentpunkte auf Zuwanderung durch Asyl entfallen. Rechenbeispiel: Eine Wohnung, die in realen Preisen 2004 im Schnitt 500 Euro gekostet hat (was schon relativ teuer war für damalige Verhältnisse), kostet im Modell heute im Schnitt 845 Euro. Ohne Asylzuwanderung schätzt das Modell, dass sie im Schnitt 825 kosten würde. Im Schnitt lag der Quadratmeterpreis pro Monat 2004 im Bestand bei 4,32€, ohne Asylzuwanderung läge er im Jahr 2020 bei 7,13€ während er mit bei 7,30€ liegt, also 17 Cent höher.
Ich überlasse es dem geneigten Leser zu entscheiden, ob das für sie "einen Unterschied" darstellt.





*Das überschätzt den Einfluss von Flüchtlingen vermutlich noch, weil hier die komplette Einwanderung betrachtet wird und EU-Einwanderung vermutlich einen höheren Einfluss hat, weil Einwanderer aus der EU tendenziell besser verdienen und höhere Preise zahlen können, aber tun wir mal zu Mackis Gunsten so als wäre der Effekt gleichmäßig über alle Arten von Einwanderung verteilt
 
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Ich finde du darfst es dir da nicht zu einfach machen Gustavo.
Ich gehe mit dass die einfache Formel Mehr Menschen -> höhere Mietpreise, da weniger Angebot makroökonomisch auf Deutschland nicht anwendbar ist, da knapper Wohnraum sich ja auch nicht im ganzen Land gleichverteilt. In München und Berlin stehen 400 Familien für ne 3 Zimmer Wohnung an, im östlichen Brandenburg kannst du ganze Dörfer für dich alleine haben, wenn du möchtest.

In Berlin im Speziellen ist die Situation angespannt und ich habe beruflich auch den ein oder anderen Einblick in das Geschehen.
Das Land sucht händeringend Platz und Wohnraum für die geflüchteten Menschen, die sich gerade in Tegel stapeln, wo langsam aber sicher Verwahrlosung um sich greift

Die Stadt zahlt an Vermieter Mondpreise um der Lage her zu werden und um die Menschen aus Tegel wegzubekommen - Mondpreise für Wohnungen/Wohnraum, die dem ohnehin schon knapp bemessenen Markt weiter entzogen werden. Darüber hinaus wird Wohnraum extra für Neuankömmlinge geschaffen, da das Land auch hier großzügig unterstützt - auch das sorgt etwas für Verärgerung https://www.berliner-kurier.de/berl...terkuenfte-aufruhr-im-familienkiez-li.2247372

Auch wenn "der Flüchtling™" keinen Einfluss auf den Preis hat, so hat er durch seine schiere Existenz in diesem Land natürlich einen Einfluss auf das verfügbare Angebot in den angespannten Lagen, sofern nicht neu gebaut wird.
 
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@Schl3mIL wenn Du da beruflich Einsichten hast, gerne eine ernsthafte Frage: wieso wird der Flüchtling denn in Berlin untergebracht und nicht im östlichen Brandenburg?

Das ist nen grundsätzliches Thema das mich gedanklich schon länger beschäftigt. Platz hats eigentlich genug. Wieso alloziiert sich das so katastrophal auf die angespannten Lagen und warum findet da keine Korrektur statt, sei diese politisch oder marktgetrieben. Wenn mans von ganz draussen anschaut sind die Mobilität und Kommunikationsmöglichkeiten derart ausgeprägt, dass eine Umverteilung der Bevölkerungsdichte mittelfristig problemlos möglich sein sollte. So stark unterscheidet sich die Lebensqualität dann innerhalb von Deutschland doch auch wieder nicht.
 
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Ich vermute das ist ein klassisches Problem des Föderalismus, Flüchtlingsunterbringung ist Ländersache. Das östliche Brandenburg gehört nicht zu Berlin, und Berlin muss die Flüchtlinge unterbringen, die Berlin nach Quote zugeordnet sind. Würde Brandenburg mehr nehmen, was wohl erstmal juristisch geklärt werden müsste, dann müsste Berlin dafür Brandenburg bezahlen, was Berlin sicherlich nicht möchte. Wäre sicherlich eine Frage, die auf Bundesebene geklärt werden sollte.
 
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Zu viele Flüchtlinge in ein einem Kaff unterbringen kann auch den Nachteil haben dass sie sich dann gar nicht integrieren können, weil sie mehr sind als die davor ansässige Bevölkerung. Es gibt doch einen Verteilungsschlüssel oder so.
 

Scorn4

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Vor allem - was sollen die Flüchtlinge im dunkeldeutschen Kaff bitte machen?
Wenn da niemand lebt, gibt es auch keine funktionierende Infrastruktur wie z.B. Supermärkte oder öffentlichen Verkehr
 
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@Schl3mIL wenn Du da beruflich Einsichten hast, gerne eine ernsthafte Frage: wieso wird der Flüchtling denn in Berlin untergebracht und nicht im östlichen Brandenburg?

Das ist nen grundsätzliches Thema das mich gedanklich schon länger beschäftigt. Platz hats eigentlich genug. Wieso alloziiert sich das so katastrophal auf die angespannten Lagen und warum findet da keine Korrektur statt, sei diese politisch oder marktgetrieben. Wenn mans von ganz draussen anschaut sind die Mobilität und Kommunikationsmöglichkeiten derart ausgeprägt, dass eine Umverteilung der Bevölkerungsdichte mittelfristig problemlos möglich sein sollte. So stark unterscheidet sich die Lebensqualität dann innerhalb von Deutschland doch auch wieder nicht.
So tief bin ich nicht drin, da ich praktisch auf der anderen Seite (Wohnraumgebende) sitze. Aber wie ticor es vermutet, wir kommunizieren mit dem Berliner LAF, also dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten und die sind nun mal für Berlin zuständig und nicht für BrB. Inwiefern die Kommunikation zwischen den Ländern läuft, keine Ahnung, aber anscheinend ist es nicht so einfach, da dein Einwand natürlich das naheliegendste wäre.

Ich vermute das ist ein klassisches Problem des Föderalismus, Flüchtlingsunterbringung ist Ländersache. Das östliche Brandenburg gehört nicht zu Berlin, und Berlin muss die Flüchtlinge unterbringen, die Berlin nach Quote zugeordnet sind. Würde Brandenburg mehr nehmen, was wohl erstmal juristisch geklärt werden müsste, dann müsste Berlin dafür Brandenburg bezahlen, was Berlin sicherlich nicht möchte. Wäre sicherlich eine Frage, die auf Bundesebene geklärt werden sollte.
 
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Vor allem - was sollen die Flüchtlinge im dunkeldeutschen Kaff bitte machen?
Wenn da niemand lebt, gibt es auch keine funktionierende Infrastruktur wie z.B. Supermärkte oder öffentlichen Verkehr
Es gibt auch noch etwas zwischen Berliner Innenstadt und dunkeldeutschem Kaff ohne Busanbindung.

Die übergelagerte Frage ist aber doch eh, was sollen Flüchtlinge denn überhaupt machen? Intuitiv eignen sich am besten Arbeiten in Industrie und Landwirtschaft, da diese die geringsten Anforderungen an Sprachfähigkeiten und sozialer Integration erfordern und auch historisch hat das oft funktioniert.

Es liessen sich sicherlich zahlreiche geeignete Standorte in Deutschland finden, die gleichzeitig eine Nachfrage nach ungelernter Arbeit, hinreichend Wohnraum und ein Mindestmass an Infrastruktur bieten können.
 
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