Deutschland im Vergleich

Gustavo

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okay, wir haben schon recht knackige energiekosten, erhöhung krankenkassen, renten- und pflegebeiträge. belgien darf platz #1 dann demnächst an deutschland abgeben bei absoluter abgabenlast? dazu aber gleichzeitig bei lebensstandard irgendwo trauriges mittelfeld bei 38 nationen, gleichzeitig 1 billionen steuereinnahmen. und dann wundern, das gut ausgebildete leute deutschland verlassen - insert clown meme here.


Solche Posts sind ernsthaft Volksverdummung.

"Energiekosten": Warum sich irgendwas rauspicken, wo Deutschland über dem Durchschnitt liegt statt sich die Gesamtheit des Preisniveaus anzuschauen? Siehe da: https://ec.europa.eu/eurostat/datab...okmarkId=a8cc6259-a610-4f68-8559-6867c665c9a1. Preisniveau in allen vergleichbaren Ländern teurer

"Renten- und Pflegebeiträge": Wieder, warum auf einen kleinen Ausschnitt schauen (bei dem wir ob unserer Altersstruktur natürlich besonders ungünstig liegen) statt auf die Gesamtheit? https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6769/umfrage/staatsquoten-der-eu-laender/. Mittelfeld in Europa, wie immer.

"Deutschland #2 bei absoluter Abgabenlast": Ja, wenn man sich eine Art von Einkommen (Erwerbseinkommen) für eine Haushaltsform (Single-Haushalt) für eine bestimmte Verdienstklasse anschaut. Warum man das tun sollte, wenn man auch einfach die viel aussagekräftigere Abgabenquote (Steuern und Abgaben durch BIP) anschauen kann?
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157383/umfrage/abgabenquoten-ausgewaehlter-staaten/. Mittelfeld.

"Lebensstandard": Mal abgesehen davon, dass das eine behämmerte Metrik ist, weil sie dafür gemacht wurde um Entwicklungsländer und hoch entwickelte Länder auseinander zu halten, ist Deutschland da nicht #22 (dein Artikel ist von 2009), sondern #9. https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_Human_Development_Index. Ironischerweise sind die Länder, wo man deutlich weniger an den Staat zahlt im Schnitt auch deutlich hinter Deutschland. Könnte nicht zufällig was damit zu tun haben, dass das hauptsächlich von zwei Parametern (wirtschaftlicher Wohlstand und Gleichheit) zu tun hat?

"Eine Billion Steuereinnahmen": Nominal-Steuereinnahmen sind Horoskop für Wirtschaftsliberale. Auch hier: https://de.statista.com/statistik/d...teil-steuereinnahmen-am-bruttoinlandsprodukt/.


€dit: Oh, hatte ganz vergessen was zu dem "gut ausgebildete Leute verlassen Deutschland" zu sagen: https://sciencebusiness.net/news-by...-china-overtakes-us-most-favoured-destination

Diese ganzen "Auswanderungsstatistiken" sind übrigens Müll. Ich kenne keine belastbare Umfrage dazu, wie sich die gut ausgebildeten Deutschen, die das Land verlassen, ihre Zukunft vorstellen. Die Vorstellung, dass die alle "ein besseres Leben woanders" suchen ist imho total durchgeknallt. Ich war lange in den USA an Unis, die Spitzenforschung betreiben und die wenigsten Deutschen, die ich dort getroffen habe, wollten dauerhaft in den USA leben, weil halt USA.

Deutschland profitiert enorm von Humankapitalzufluss innerhalb der EU und ist in so ziemlich allen europäischen Ländern östlich von Österreich das Nr. 1 Wunschland bzgl. Zuwanderung. Dazu sind unsere härtesten Konkurrenten in Westeuropa kleine Länder, die nie im Leben so viele volkswirtschaftlich nützliche Einwanderer aufzunehmen bereit sind, wie aus Westeuropa potenziell auswandern wollen. Und dann gibt es natürlich noch den UK, der sich selbst in den Fuß geschossen hat.
 
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parats'

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Diese ganzen "Auswanderungsstatistiken" sind übrigens Müll. Ich kenne keine belastbare Umfrage dazu, wie sich die gut ausgebildeten Deutschen, die das Land verlassen, ihre Zukunft vorstellen. Die Vorstellung, dass die alle "ein besseres Leben woanders" suchen ist imho total durchgeknallt. Ich war lange in den USA an Unis, die Spitzenforschung betreiben und die wenigsten Deutschen, die ich dort getroffen habe, wollten dauerhaft in den USA leben, weil halt USA.
Wir hatten eine ziemlich lange Zeit auch mal den Wunsch auszuwandern (und die damalige Chance für Norwegen abgesagt). Aber je mehr man es auf die lange Bank geschoben hat, desto mehr zeichnet sich zumindest für uns ab, dass es einem in fast jedem Land auf diesem Planeten "schlechter" gehen würde. Mal Exoten wie vielleicht Singapur ausgenommen. Auch wenn das meine stabilen liberalo dudes hier nicht hören wollen, aber Skandinavien oder auch die Schweiz haben ihre eigenen Probleme, dass dringt in Teilen halt hier nur nicht durch, weil es schlicht keinen Interessiert. Selbst wenn halb Frankreich brennt, weil Macron XIV Reformen durchdrückt, wird sowas maximal als Randnotiz in der Tagesschau gebracht.

Von daher einfach die Grünen Khmer überstehen und danach wieder fähiges Personal ans Ruder lassen. :troll:
 
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Gustavo

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Wir hatten eine ziemlich lange Zeit auch mal den Wunsch auszuwandern. Aber je mehr man es auf die lange Bank geschoben hat, desto mehr zeichnet sich zumindest für uns ab, dass es einem in fast jedem Land auf diesem Planeten "schlechter" gehen würde. Mal Exoten wie vielleicht Singapur ausgenommen.

Dieser ganze Braindrain-Diskurs + "welche Einwanderer wollen wir?" ist in einem Land wie Deutschland imho völlig für den Arsch. Solange man in einem sowieso schon wohlhabenden Land wohnt und nicht von einem enormen negativen exogenen Wohlfahrtsschock betroffen ist haben die allermeisten Leute eh keinen Bock auszuwandern. So groß sind die Wohlfahrtsdifferenziale jetzt nicht, dass man mal "so eben" dauerhaft in die USA oder nach Kanada auswandert, weil man dort vielleicht noch ein bisschen besser verdienen könnte als hier (nachdem man für die Unterschiede im Preisniveau korrigiert hat).
Das einzige Land, das man halbwegs als Magnet für gut ausgebildete Deutsche sehen kann, ist die Schweiz (und auch nur, weil es nebenan ist und dort zu großen Teilen Deutsch gesprochen wird). Aber daran sieht man schon das Grundproblem, das man bei allen diesen Ländern hat. Sie sind entweder
- sehr klein
- sehr unaufgeschlossen für große Einwanderungsströme
- sehr ungleich

Die Schweiz hat jetzt schon politisch wenig Bock, noch mehr Deutsche aufzunehmen, einfach weil wir im Vergleich zur Schweiz riesig sind. Diese Panikmache, wir sollten mal eben unser komplettes Gesellschaftsmodell umkrempeln, damit wir für einen bestimmten, verschwindend geringen Teil der Wohnbevölkerung und einen Bruchteil des weltweit verfügbaren Talentpools vergleichbar attraktiv sind wie die USA oder Singapur ist halt einfach durchgeknallt. Alleine dadurch, dass wir gesellschaftlich keine amerikanischen Zustände zulassen und keine H-1B Knebelvisa vergeben könnten wir schon mit den USA konkurrieren, wenn die nicht noch den zusätzlichen, uneinholbaren Vorsprung "englische Sprache" hätten.

€dit: Generell ist auch dieses "oh, die hohe Abgabenlast"-Gejammer bescheuert. Wenn man die Abgabenlast dadurch senkt, irgendetwas privat bereitstellen zu lassen, sieht das zwar auf dem Gehaltszettel schöner aus, bringt aber noch nicht per se dem Arbeitnehmer einen Vorteil; dafür muss dann der private Bereich auch tatsächlich das Gut effizienter bereitstellen als der öffentliche. Wenn wir jetzt alle Krankenkassen privatisieren und so durchregulieren wie in der Schweiz hätten wir auch eine deutlich niedrigere Abgabenquote, aber effektiv geändert hätte sich einfach gar nix.
 
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Der Hauptgrund für Auswanderung ist imo Karriere und Geld. Für die Karriere reicht oft der temporäre Aufenthalt im Ausland.

Langfristig bleiben eher Leute im Ausland, die da wegen sehr guter Bezahlung in jungen Jahren hingehen und dann dort Wurzeln schlagen (klassisch: Partner).

Das dürfte v.a. Programmier, Wissenschaftler (USA) und spezialisierte Ärzte (Schweiz, weniger USA) betreffen. Keine riesigen Gruppen, aber natürlich gutes Humankapital. Aber so what, umgekehrt kamen diese Gruppen aus Sofia, Kyiv, Minsk etc lange zu uns bzw tun es noch.
 

parats'

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Ein guter Freund von mir war während der Promotion ein Jahr da und ich kann dir versichern, dass das im Vergleich zu Deutschland keine attraktiven Lebensbedingungen sind.
Ist das wirklich so ein krasser Bias? Ich kenne Singapur nicht (okay, ich war ein dutzend mal dort am Flughafen), aber was ich so aus der liberalo Ecke höre, liest sich immer relativ brauchbar. :ugly:
 

Gustavo

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Wenn jemand sowas wie Singapur sagt, sollte man sich btw nochmal genau bewusst machen, was "Auswandern" bedeutet. Wessen Humankapital (zumindest im nicht-wissenschaftlichen Bereich) für Orte wie Singapur oder Kanada reicht, der ist auch innerhalb von Deutschland nicht wesentlich auf einen bestimmten Ort festgelegt. D.h. die Wahl ist dann nicht "Deutschland" oder "Singapur", sondern halt zwischen den attraktivsten Ecken von Deutschland oder Singapur. Dass da dann noch so ein großer Abstand in der Lebensqualität ist erscheint zumindest fraglich.

Der Hauptgrund für Auswanderung ist imo Karriere und Geld. Für die Karriere reicht oft der temporäre Aufenthalt im Ausland.

Langfristig bleiben eher Leute im Ausland, die da wegen sehr guter Bezahlung in jungen Jahren hingehen und dann dort Wurzeln schlagen (klassisch: Partner).

Das dürfte v.a. Programmier, Wissenschaftler (USA) und spezialisierte Ärzte (Schweiz, weniger USA) betreffen. Keine riesigen Gruppen, aber natürlich gutes Humankapital. Aber so what, umgekehrt kamen diese Gruppen aus Sofia, Kyiv, Minsk etc lange zu uns bzw tun es noch.

Gerade Wissenschaftler sehe ich jenseits von denjenigen, die Anstellung an den absoluten Spitzenunis bekommen, überhaupt nicht. Es gab echt erstaunlich viele Deutsche an den Unis, die ich aus den USA kenne und ich glaube keiner von denen fand die USA aktiv lebenswerter als Deutschland. Das best case Szenario aus Auswanderungssicht war sowas wie "ich habe einen Partner und eine Anstellung hier, also muss ich wohl bleiben", aber dem Land gegenüber gab es bestenfalls Gleichgültigkeit, aber mehrheitlich dann doch schon deutliche Ablehnung. Seit Trump habe ich sogar eher das Gegenteil gesehen, dass die Partner sich aktiv einen Umzug nach Europa gewünscht haben, wenn es möglich war.
Alle Rechtspopulisten denken immer, man könne einerseits auf "unerwünschte" Minderheiten eindreschen und andererseits wissen die "erwünschten" Einwanderer schon, dass sie nicht gemeint seien, aber so einfach funktioniert das glaube ich nicht.


€dit:
Ist das wirklich so ein krasser Bias? Ich kenne Singapur nicht (okay, ich war ein dutzend mal dort am Flughafen), aber was ich so aus der liberalo Ecke höre, liest sich immer relativ brauchbar. :ugly:

Ohne dir und deiner Blase zu nahe zu treten, aber der durchschnittliche "Liberalo" hat meiner Erfahrung nach ein etwas schlichtes Verständnis von politökonomischen Zusammenhängen. :mond:
 
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parats'

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Ja, so ist das mit den Blasen. Ihr Kommunisten werdet da auch eher skeptisch beäugt. :deliver:
 

Gustavo

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Ja, so ist das mit den Blasen. Ihr Kommunisten werdet da auch eher skeptisch beäugt. :deliver:

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Ist das wirklich so ein krasser Bias? Ich kenne Singapur nicht (okay, ich war ein dutzend mal dort am Flughafen), aber was ich so aus der liberalo Ecke höre, liest sich immer relativ brauchbar. :ugly:
Ist sicher auch ne Frage der Perspektive. Wer da aus Karrieregründen hingeht, kann sich halt auch nen anderen Lebensstil leisten als ein Doktorand an der NUS. Gut in Erinnerung ist mir noch, dass er sehr schockiert darüber war, wie hart überall rumgestümpert wurde. Es war wohl total üblich, dass technische Probleme schnell "gefixt" wurden, aber dafür halt regelmäßig: Hauptsache läuft erstmal. Auf Sicherheit am Arbeitsplatz (er ist Chemiker) schien man allgemein auch eher wenig Wert zu legen. Es kam, während er dort war, auch zu einem durch Chemikalien ausgelösten Großbrand. :ugly:
Es ist jetzt auch nicht so, dass es da kein Elend gibt. Gerade die Gastarbeiter arbeiten oft unter üblen Bedingungen und das ist auch relativ sichtbar: Alte Omas, die im Restaurant noch schrubben müssen, Haushälterinnen, die in Abstellkammern bei Familien wohnen und 6 Tage die Woche ohne Urlaub den Haushalt schmeißen usw.
Ich glaube, dass die Bias in Bezug auf Singapur durchaus gegeben ist. Das kommt wohl auch durch den unbedachten Vergleich mit Flächenstaaten, wobei dann schnell vergessen wird, dass Singapur letztlich eine Stadt mit 5 Mio. Einwohnern ist. Vergleicht man es mit europäischen oder erst recht amerikanischen Metropolregionen, dann ist das, auch was die ökonomische Performance angeht, keine Insel der Seligen.
 
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Kommt halt drauf an, was man als den Benchmark sieht. Niederlande oder Frankreich ist da ja schon ein großer Unterschied.

Wenn man subtil über einen langen Zeitraum die Erwartungshaltung herunter schraubt, dann wird noch lange alles in Butter sein. Einfach weil man von einem extrem hohen Niveau kommt.
 

Benrath

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Ka besserer Titel fiel mir ad hoc nicht ein.

Kann ja weiter ums auswandern gehen oder KPI und weltweiter penis Vergleich.

@parats Warum dann doch nicht gegangen?

Ich bin ja bekanntlich in die Schweiz zum promovieren gegangen. Hatte eine sehr schöne Zeit und viele nette Leute kennengelernt wo mit manchen der Kontakt auch paar Jahre nach der Rückkehr noch besteht. Am Ende des Tages ist wirklich ankommen schwer und die Zahl Einheimischer Freunde war nicht sehr groß. Man kann in der Schweiz auch einfach sehr gut in der expat blase leben.
 

parats'

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Meine Frau hatte damals das Angebot in Kristiansand in einer Schwerpunkteinrichtung anzufangen. Der Träger hätte alles für den Umzug übernommen und nur ich hätte mir was neues suchen müssen.
Wir haben lange überlegt und am Ende waren wir glaube ich nur zu ängstlich. Als damalige DINK mit guten Gehältern hätte das irgendwie Unsicherheit reingebracht, gerade weil die Familienplanung auch nicht mehr soweit weg war. Kulturell und sprachliche Barrieren kommen ja noch irgendwie dazu, wobei du mit Englisch in Skandinavien überall durchkommst (außer vlt. im nördlichen Nirgendwo).
So ein bisschen bereut man es doch, weil man sowas nicht für die Ewigkeit machen muss und wieder zurück gekonnt hätte. Aber nun ist es so. :|
 
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Kann ich gut nachvollziehen. Heute mit Kindern möchte ich es auch nicht mehr - da wäre ja schon ein Umzug in eine andere Stadt sehr nervig.

Ich bin aber froh, dass ich einige Jahre im Ausland war. Weil halt zu einer Zeit wo man jung war und sowas "spontan" entschieden hat.

@Gustavo ja mit Wissenschaftlern meinte ich das Spitzenende. Ähnlich wie bei Programmieren, wo der Unterschied auch eher am Top end hoch ist.

Quantiativ halte ich das daher für kein gigantisches Thema. Aber die kleinen Gruppen "punch above their weight", ob nun finanzielles oder Humankapital.

Die Gruppe, wo es prozentual am meisten aus meiner Bubble waren sind übrigens mit Abstand Pokerspieler. Aber da kommt neben Steuern auch noch die Rechtssicherheit oben drauf, daher ist das schon was sehr spezielles.
 
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Mal nen paar handfeste Zahlen:


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Leider nur bis 2012, danach hab ich aber noch das hier gesehen, was zeigt, dass eigentlich kaum noch Nettozuwanderung stattfindet.

1680873975203.png


Hier noch eine für Deutschland insgesamt.

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Die Fortzüge sind schon nicht so klein. Ich habe leider keine Migrationsstatistik nach Bildungsstand gefunden, aber wenn wir es mit dieser Bildungsstatistik vergleichen und da man davon ausgehen kann, dass die Fortzüge zur grossen Mehrheit aus den höheren Bildungsabschlüssen kommen, dann sieht das für Deutschland nicht so irrelevant aus mit dem Braindrain.


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Zum Vergleich in der Schweiz sieht das so aus mit der Migration nach Bildungsniveau
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Gustavo

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wie du dir ernsthaft einen auf "mittelmaß" hobelst und dann die volksverdummungs-karte ziehst ist mir schleierhaft.

Du hast halt einfach nicht verstanden, dass Mittelfeld und Mittelmaß nicht dasselbe sind. Wie viele Steuern/Abgaben ein Land einnimmt ist eine Wertentscheidung, nicht etwas was man in Kategorien wie "besser/schlechter" pressen kann. Weniger Geld einzunehmen heißt lediglich, weniger Güter und Dienstleistungen bereitzustellen, heißt lediglich dass diese dann halt privat bereitgestellt werden müssen. Das ist in aller Regel nicht "besser" oder "schlechter", sondern lediglich ungleicher. Das kann man gut finden oder halt nicht. Aber so zu tun als wäre es irgendwie inhärent besser, weniger Steuern zu nehmen als mehr, als wäre das hier die Bundesligatabelle, ist halt genau das: Volksverdummung.



@Gustavo ja mit Wissenschaftlern meinte ich das Spitzenende. Ähnlich wie bei Programmieren, wo der Unterschied auch eher am Top end hoch ist.

Quantiativ halte ich das daher für kein gigantisches Thema. Aber die kleinen Gruppen "punch above their weight", ob nun finanzielles oder Humankapital.

Solche Behauptungen sind meines Wissens schwer bis gar nicht zu belegen und sagen meistens mehr über die Person die sie äußert als über die Sache.
 
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Welche Behauptung? Dass Emigranten aus Deutschland heraus überdurchschnittlich gebildet sind oder überdurchschnittlich Kapital besitzen? Oder was genau meinst du?
 

Gustavo

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Welche Behauptung? Dass Emigranten aus Deutschland heraus überdurchschnittlich gebildet sind oder überdurchschnittlich Kapital besitzen? Oder was genau meinst du?

Dass die Unterschiede am ganz oberen Ende der Skala hoch (bzw. höher) sind. Ohne das jetzt dir persönlich unterstellen zu wollen, aber häufig wird von sowas im (politischen) Diskurs über Wissenschaft als Standortvorteil eines Landes implizit davon ausgegangen, insbesondere von konservativer und liberaler Seite. Aber soweit ich weiß geben die Erkenntnisse der Wissenschaftssoziologie solche Aussagen überhaupt nicht her. Der ROI was Forschungsgelder angeht ist an der Spitze nicht höher als in der Mitte oder am unteren Ende der Skala, es sind halt einfach unterschiedliche Arten, ein System aufzubauen. So zu tun als wäre "Spitzenforschung" irgendwie über Gebühr wichtig ist häufig nur politisches Handgewedel, bei dem Leute ihre Ideologie offenbaren. Passend dazu bspw. der Ruf zu einem "deutschen Harvard" oder ähnlichem.

€dit: Wobei hier natürlich immer wichtig ist, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ceteris paribus wäre mehr Geld für Forschung* wünschenswert, insofern sollte man nicht "Welt in der es zusätzliches Geld für Spitzeninstitute gibt" mit "Welt, in der es gar kein zusätzliches Geld gibt" vergleichen.




*noch besser wäre allerdings mehr Geld in Bildung und umso früheres Lebensalter, umso besser
 
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Da interpretierst du etwas viel hinein. Ich wollte nicht mehr sagen, dass die Migration quantitativ gering ist, qualitativ aber höherwertig.

Das ist natürlich eine recht triviale Erkenntnis, da grundsätzlich Migration ja oft wirtschaftlich motiviert ist & daher eher high pots migrieren.

In den USA sind deswegen ja auch bspw Nigerian-Americans wirtschaftlich sehr erfolgreich und haben ein höheres Durchschnittseinkommen als die USA insgesamt.

Und während wir eine überschaubare Menge high pots verlieren, gewinnen wir umgekehrt natürlich auch high pots aus vielen anderen Ländern.

Dramatisiert wird das ganze sicher aufgrund eines Confirmation Bias von der "everything bad"-Fraktion. Und natürlich ist es ein schönes Meme um gegen höhere Steuern und Abgaben zu argumentieren.
 

Gustavo

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Da interpretierst du etwas viel hinein. Ich wollte nicht mehr sagen, dass die Migration quantitativ gering ist, qualitativ aber höherwertig.


Wie gesagt: Ich sage nicht, dass DU zwingend dieser Meinung bist. Aber diese Meinung hört man in jeder Debatte über Zuwanderung/Abwanderung schon ziemlich häufig. Der ganze Kram von wegen "wir sind im Wettbewerb um die besten Köpfe", der ganze Kram bzgl. "Auswanderung von Hochqualifizierten (Deutschen)" ist letztendlich, ob bewusst oder unbewusst (aber ich vermute sehr häufig bewusst), Stimmungsmache. Da wird ein Bild davon gezeichnet, was es heißt, eine erfolgreiche Volkswirtschaft zu sein, das einfach so gut wie gar damit korrespondiert, was wirklich einen volkswirtschaftlichen Unterschied macht.
Letztendlich ist die Wurzel dieses Denkens, dass den wirtschaftlichen Unterschied, was Wohlstand einer Wirtschaft ausmacht, von ein paar wenigen klugen Köpfen bestimmt wird und die anderen quasi nur die Pfründe aufsammeln. Das ist ein intuitiv einleuchtendes Bild für viele Menschen, aber danach, was ich aus dem Bereich Wissenschaftssoziologie kenne (der mir berufsbedingt am nächsten ist), trifft das so einfach nicht zu. Wissenschaftlicher Fortschritt ist größtenteils kollaborativ und das langsame Bohren dicker Bretter, nicht primär der Erfolg von solitären Genies. Konsequenterweise brauchen wir auch kein "deutsches Harvard", wenn wir keins wollen und wir müssen auch nicht um die ganz kleine Zahl von Leute konkurrieren, die sich vom Silicon Valley angezogen fühlen und dort auch reüssieren könnten. Uns direkt mit Ländern wie den USA oder Kanada zu vergleichen ergibt auch schlicht wenig Sinn, weil jeder Vergleich hoffnungslos verzerrt wird, weil die Sprache einen entscheidenden Unterschied macht.

Volkswirtschaftlich würde es einen viel größeres Unterschied machen, uns endlich darum zu kümmern, aktiver gut ausgebildete Leute anzuwerben und es einfacher zu machen, deren Abschlüsse anzuerkennen. Man könnte sich auch viel härter darum bemühen, Ausbildungspartnerschaften mit Ländern zu treffen etc. Da gibt es auf dem Balkan schon gute Ansätze, aber aus irgendeinem Grund verweigert man sich da der Ausweitung doch ziemlich rigide. Wie oben schon mal erwähnt: Überall in Osteuropa ist Deutschland Ziel Nr. 1 und auch in Westeuropa sind wir häufig weit oben. Die Aufnahmeländer, mit denen wir in Europa konkurrieren, sind alle viel kleiner als wir (oder der UK) und können und wollen gar nicht die Zahl von Menschen aufnehmen, die wir aufnehmen können. Insofern stehen wir uns selbst im Weg.


Dramatisiert wird das ganze sicher aufgrund eines Confirmation Bias von der "everything bad"-Fraktion. Und natürlich ist es ein schönes Meme um gegen höhere Steuern und Abgaben zu argumentieren.

Ich bin ja erstaunt wie oft "everything bad" immer noch funktioniert, insbesondere von liberaler Seite. Wir sind alle hier ja noch nicht SO alt, aber auch (fast) alle alt genug um uns an die Zeit vor 20 Jahren erinnern zu können, als dieser Diskurs komplett dominant war. Da klang es immer danach als müsse Deutschland sein Wirtschaftsmodell komplett umwerfen, ansonsten könnten wir nur noch den dauerhaften Niedergang verwalten. Was tatsächlich passiert ist seither ist ein wirklich nicht unbeträchtlicher Aufschwung und das mit bestenfalls überschaubaren Änderungen an unserem Wirtschaftsmodell. Das sollte einem eigentlich zu denken geben und in der VWL ist das mittlerweile auch tatsächlich geschehen. Aber in Teilen der öffentlichen Debatte klingt es bei just diesem Thema (Anziehungskraft auf Einwanderer, "brain drain" durch Auswanderer) immer noch genau wie vor 20 Jahren.
 
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ein wirklich nicht unbeträchtlicher Aufschwung

Confirmation Bias von der "everything bad"-Fraktion

muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, ich hab den vorteil, dass ich mir das weitesgehend von außen angucken kann. ändert erstmal trotzdem nichts an der sache dass "das beste deutschland das es je gab" haufenweise, systemische probleme in der medizinischen versorgung hat (personalmangel, privatisierungsdruck, ...), vor extrem großen herausforderungen im umbau seiner energiewirtschaft steht, seine weitesgehende exportorientierung der letzten zwanzig jahre weder in der mitte noch darunter irgendwie signifikant ankam, die fähigkeit eigentum zu erwerben für breite teile der bevölkerung sich weiter verengt hat, vermögenskonzentration weiter zunimmt, ebenso die konsolidierung in immer größeren konzernen und unternehmensgruppen, weil der bürokratische aufwand für den unteren mittelstand nicht mehr zu stemmen ist. nichts davon ist singulär ein exklusiv deutsches problem, ist aber für den einzelnen ungefähr so hilfreich wie "iss deinen teller leer, in afrika haben sie hunger."
 
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Letztendlich ist die Wurzel dieses Denkens, dass den wirtschaftlichen Unterschied, was Wohlstand einer Wirtschaft ausmacht, von ein paar wenigen klugen Köpfen bestimmt wird und die anderen quasi nur die Pfründe aufsammeln. Das ist ein intuitiv einleuchtendes Bild für viele Menschen, aber danach, was ich aus dem Bereich Wissenschaftssoziologie kenne (der mir berufsbedingt am nächsten ist), trifft das so einfach nicht zu. Wissenschaftlicher Fortschritt ist größtenteils kollaborativ und das langsame Bohren dicker Bretter, nicht primär der Erfolg von solitären Genies. Konsequenterweise brauchen wir auch kein "deutsches Harvard", wenn wir keins wollen und wir müssen auch nicht um die ganz kleine Zahl von Leute konkurrieren, die sich vom Silicon Valley angezogen fühlen und dort auch reüssieren könnten. Uns direkt mit Ländern wie den USA oder Kanada zu vergleichen ergibt auch schlicht wenig Sinn, weil jeder Vergleich hoffnungslos verzerrt wird, weil die Sprache einen entscheidenden Unterschied macht.
Ich glaube, viele haben bei dem Thema eine Überinterpretation des Pareto-Prinzips im Kopf.
Hast du dazu zufällig ein aktuelles Material zur Hand?
Meine Auffassung basiert zu einem erschreckend großen Teil auf einer Diskussion, die ich darüber mal vor Jahren hatte. Seitdem sehe ich Exzellenzinitiativen und Co strittig und bin eher für breite Streuung von Forschungsgeldern, bei Knappheit, wo Gleichverteilung nicht sinnvoll ist, wäre ich für ein Losverfahren unter allen Anträgen, die gewissen Kriterien genügen.

Bei Migration versteh ich auch nicht, warum man so konservativ ist. Innerhalb der EU ist Deutschland jetzt schon und könnte noch größerer Profiteur der Binnenmigration sein. Aber auch die EU insgesamt täte imo gut daran, sich deutlich stärker zu öffnen.
Gerade im geostrategischen Vergleich mit China sind die Lebensbedingungen für Humankapital imo ein Standortfaktor, den wir viel zu wenig nutzen. China ist demographischen bereits im Abstieg begriffen. Um auch als Absatzmarkt wichtig zu bleiben, sollte und kann Europa einiges tun.
 
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So lange wir die ganze Zeit mit halbzivilisierten Arabervölkern geflutet werden, bzw. die Folgen dieser Migrationspolitik ständig vor Augen haben, startet jede Diskussion zu dem Thema mit einer großen Hypothek.
Ich verstehe im Gegensatz dazu nicht, warum wir nicht noch viel konservativer sind. So gut wie jeder Ausländer mit dem ich geschäftlich zu tun habe, fragt mich irgendwann, warum wir so bescheuert sind, unser Land in so einem Maße zur Zahlstelle für den Nahen Osten zu machen.

Und zwischen den beiden Fronten "Wir werden überfremdet" und auf der Gegenposition "Refugees welcome, Deutschland verrecke", hat es eine sachlich bemühte Diskussion schwer.
 
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Das eine hat halt mit dem anderen wenig zu tun. Dass wir zu viele Menschen aufnehmen, von denen wir nicht profitieren, was man ja durchaus vertreten kann, sollte uns nicht davon abhalten mehr Leute aufzunehmen, von denen wir profitieren.
Es gibt auch Opportunitätskosten: Der Einwanderer, der nicht kommt, wird nicht durch jemand Besseren ersetzt, sondern durch niemanden.
 
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systemische probleme in der medizinischen versorgung hat (personalmangel, privatisierungsdruck, ...), vor extrem großen herausforderungen im umbau seiner energiewirtschaft steht, seine weitesgehende exportorientierung der letzten zwanzig jahre weder in der mitte noch darunter irgendwie signifikant ankam, die fähigkeit eigentum zu erwerben für breite teile der bevölkerung sich weiter verengt hat,
Stimme dir zu, bin bestimmt auch nicht im "everything's good" camp.

Demografischer Wandel, geopolitische Situation, Schwäche der EU im Bereich IT, schlechte Balance der Migration, Klimawandel sind alles große Probleme. Schon jeweils für sich, aber in Kombination kein Zuckerschlecken.
vermögenskonzentration weiter zunimmt, ebenso die konsolidierung in immer größeren konzernen und unternehmensgruppen, weil der bürokratische aufwand für den unteren mittelstand nicht mehr zu stemmen ist. nichts davon ist singulär ein exklusiv deutsches problem, ist aber für den einzelnen ungefähr so hilfreich wie "iss deinen teller leer, in afrika haben sie hunger."
Jop, das ist das klassische Verschieben des Bezugsrahmens. Ist natürlich auch menschlich.

Erst vergleicht man sich mit der Weltspitze, dann mit dem Mittel der EU, und wenn es weiter bergab ginge (was es nicht muss), dann würde man irgendwann hören "wir haben es doch viel besser als Afrika".

Aber das ist ja psychologisch potentiell auch gesund anstatt der Weltspitze nachzutrauern.
Das eine hat halt mit dem anderen wenig zu tun. Dass wir zu viele Menschen aufnehmen, von denen wir nicht profitieren, was man ja durchaus vertreten kann, sollte uns nicht davon abhalten mehr Leute aufzunehmen, von denen wir profitieren.
Agree. Aber die Polarisierung der Debatte macht ja genau diesen goldenen Weg sehr schwer..
 
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Ist seltsam, praktisch alle Länder machen gerade zu für qualifizierte Einwanderung. Gerade die Amis, die im letztem Jahrhundert massiv profitiert haben, machen es jetzt quasi unmöglich bzw. selbst für das obere Ende der Qualifizierten ultra schwierig.

Gibts da ne wissenschaftliche Erklärung für? Kommt das nur von der Assoziation zur unqualifizierten Einwanderung? Oder gibts andere Effekte wie Verlustängste? Hier in der Schweiz habe ich schon auch gewisse Sorgen der lokalen Bevölkerung in den Untertönen verspürt mit den hochqualifizierten Deutschen nicht mithalten zu können. Also dass die Einwanderer die besten Jobs wegnehmen.
 
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Agree. Aber die Polarisierung der Debatte macht ja genau diesen goldenen Weg sehr schwer..
Weiß nicht. Wenn ich mir Deutschland so angucke, ist die Ablehnung von Zuwanderung tendenziell in Regionen am größten, die für Zuwanderer eh nicht die Go-to-Areas wären.
Ich vermute auch, dass Identität und ähnliche Faktoren letztlich eine größere Rolle spielen als sozialökonomische Erwägungen: Dass die Syrer vom deutschen Sozialstaat zehren, ist als Argument opportun, aber ob man dem syrischen Arzt, Erzieher oder Paketboten gegenüber wirklich aufgeschlossener wäre, halte ich zumindest nicht für selbstverständlich.
 
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Ok, Syrien ist jetzt halt echt besetzt, aber warum machen wir es für den amerikanischen Programmierer auch nahezu unmöglich? Nicht, dass die in Scharen kommen wollen würden, aber ich kenne schon zum Beispiel einen Neuseeländer, der mit ner Schweizerin zusammen sein wollte und die mussten glatt ausm Stand heiraten, sonst wärs nicht möglich gewesen, dass er herkommt.
 

Benrath

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Naja die Schweizer sind da auch sehr speziell und wie du sagst sind das eher wenige Fälle, die man eher aus Versehen verkompliziert um es den tatsächlich unerwünschten Fällen schwer zu machen. In der Schweiz ist eher beeindruckend, dass viele trotz solcher Hürden und Signale bleiben bzw kommen.

Geld und die generelle Lebensqualität sind gute Argumente. Hab aber auch die Vermutung, dass so mancher EU Ausländer dann doch auch irgend wann in die heimat zurück geht, wenns um Familie und Kinder geht und man gar kein familiäres Netzwerk vor Ort hat. Vielleicht ist es auch einfach Heimweh.
 
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Die Kinderbetreuungskosten hauen afaik auch ganz gut rein. Ich kenne mehrere Leute, die Jobs an der Uni abgelehnt haben, weil Lebenshaltungskosten für Familie mit mehreren Kindern und zunächst nur einem Jobangebot nicht tragbar waren.
 

Benrath

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Versteh ich nicht. Mit nur einem Job hätte man doch Kinder Betreuung zu Hause gehabt :deliver:
 

Gustavo

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Jop, das ist das klassische Verschieben des Bezugsrahmens. Ist natürlich auch menschlich.

Erst vergleicht man sich mit der Weltspitze, dann mit dem Mittel der EU, und wenn es weiter bergab ginge (was es nicht muss), dann würde man irgendwann hören "wir haben es doch viel besser als Afrika".

Aber das ist ja psychologisch potentiell auch gesund anstatt der Weltspitze nachzutrauern.


Ich kann es nur nochmal wiederholen: Solche Vergleiche sind in der Regel Astrologie für Männer. Jede dieser Diskussionen krankt an mindestens einer der folgenden zwei Probleme:

1. Die substanziellen Unterschiede am oberen Ende dieser Skalen sind schlicht sehr gering. Während ein Rang immer ein Rang ist, ist es halt einfach kein großer Unterschied, ob man jetzt im Land auf Rang 9 lebt statt auf Rang 1 oder Rang 15. Statt sich die ordinalen Ränge anzuschauen sollte man sich anschauen, wie sie zustande kommen. Konsequenterweise kann man, je nachdem wie man die Statistik zusammenstellt, die Länder am oberen Ende fast beliebig austauschen. Nur als Beispiel:
- HDI: Hier wird die Spitze von den nordischen Wohlfahrtsstaaten und den erfolgreichsten mitteleuropäischen Wirtschaften gebildet (Schweiz, Deutschland, Niederlande, Belgien)
- OECD Better Life Index: Hier sind wieder die nordischen Wohlfahrtsstaaten vorne, aber die anglophonen Länder schneiden im Durchschnitt besser ab als beim HDI.
- Und hier mal eine Statistik, die auf kaufkraftbereinigte Arbeitsentlohnung pro Stunde zielt:

FrqgbQCXsAAo-pJ.jpg
Da sind dann die USA ganz vorne, die Mitteleuropäer jedoch mit vorne dabei.

Was lernen wir jetzt daraus? Nicht wahnsinnig viel.


2. Viele der Vergleichskategorien sind keine reinen Valenzissues.
Ein Beispiel: So ziemlich jeder dieser Vergleiche zielt im Kern auf Wirtschaftsleistung als die wichtigste Variable ab. Es ist aber nicht strikt "besser" oder strikt "schlechter", eine höhere Wirtschaftsleistung zu haben, weil Leistung halt immer Arbeit pro Zeiteinheit ist. In Deutschland ist die durchschnittliche Arbeitszeit am unteren Ende in der OECD. Es gibt einige Staaten, die nur knapp eine höhere Durchschnittsarbeitszeit haben, aber es gibt auch Staaten wie die USA, in denen die Menschen 1/3 mehr arbeiten als in Deutschland. Wenn man sich nur die Wirtschaftsleistung anschaut, dann hat diese Freizeit effektiv keinen Wert. Dabei ist die Frage, wie viel man arbeitet, für viele Menschen für ihre Lebensqualität absolut zentral.
Ein anderes Beispiel: Viele der Statistiken lassen auf die eine oder andere Art Lebenserwartung einfließen. Die ist aber schlicht ab einem bestimmten Wohlstand eine Frage des Lebenswandels. Im Vergleich zu den Südeuropäern essen wir Mitteleuropäer (übrigens auch die Nordeuropäer) ungesünder und trinken zu viel. Das sind aber letztendlich Geschmacksfragen, die unterschiedliche Länder unterschiedlich beantworten.


Dementsprechend sind diese Rankings schlicht wenig aussagekräftig. Wenn man die die Rankings inhaltlich auseinander nimmt und vergleicht, dann gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wie man als Land attraktiver wird: Entweder man generiert mehr Wohlstand oder man verteilt ihn gleichmäßiger. Letzteres ist aber genau das, was hier im Anfangspost kritisiert wurde, weil wir ja ach so viele Steuern/Abgaben haben. Ersteres ginge in Deutschland, würde effektiv aber bedeuten dass wir als Gesellschaft schlicht mehr arbeiten müssten. Es gibt schlicht keinen free lunch in diesen Rankings für Länder unserer Größe.
Die einzige Art, wie man effektiv umsonst attraktiver werden kann ist wenn man irgendeinen (häufig leistungslosen) Standortvorteil genießt, zum Beispiel Ressourcenreichtum der auf eine sehr kleine Zahl an Menschen verteilt wird (Norwegen, Katar, VAE, Bahrain) oder wenn man die niedrige Einwohnerzahl des eigenen Landes ausnutzt, um sich als liberaler trading hub für den Wohlstand aus größeren Staaten zu positionieren (Luxemburg, Irland, Island, Hong Kong, Singapur, bis zu einem gewissen Grad auch die Schweiz).

Nichts davon steht Deutschland offen und es ergibt auch keinen Sinn, Deutschland mit solchen Ländern zu vergleichen. Nach solchen Rankings war Deutschland historisch übrigens auch nie "Weltspitze", dementsprechend weiß ich gar nicht wie ihr darauf kommt, das einfach als den natürlichen Platz zu sehen, nach dem Deutschland schielen sollte. Es gibt aber halt auch keinen Grund, den Bezugsrahmen zu verschieben (oder das in der Larmoyanz wie oben zu beklagen): Deutschland war schon lange im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt, ist weiterhin sehr gut aufgestellt und es gibt halt auch keinen Grund zu glauben, dass sich daran in Zukunft groß etwas ändert. Effektiv gibt es alle die wild durchmischten Probleme aus der Aufzählung von YNC schon länger und effektiv hat sich Deutschland in den letzten 15 Jahren deutlich verbessert im internationalen Vergleich, nicht verschlechtert.
Wenn man wirklich der Meinung ist, dass Deutschland als Land attraktiver werden soll, dann ergibt es imho wenig Sinn Deutschland mehr zu einer winner-take-all Gesellschaft umzubauen, um ein paar ultra high-achiever als Migranten einzusammeln. Stattdessen sollte man versuchen, es einfacher zu machen, in Deutschland am Wohlstand zu partizipieren, wenn man selbst noch keinen erarbeitet hat. Dazu gehören genau solche Sachen wie hohe Hürden bei der Anerkennung der Berufsqualifikation, aber auch Abbau von Bürokratie, die schon Deutsche schwer durchschauen oder Abbau von Vorteilen, die man mehr oder weniger leistungslos hat, z.B. aus Regulierung oder aus vererbtem Vermögen (z.B. Grundbesitz).



So lange wir die ganze Zeit mit halbzivilisierten Arabervölkern geflutet werden, bzw. die Folgen dieser Migrationspolitik ständig vor Augen haben, startet jede Diskussion zu dem Thema mit einer großen Hypothek.
Ich verstehe im Gegensatz dazu nicht, warum wir nicht noch viel konservativer sind. So gut wie jeder Ausländer mit dem ich geschäftlich zu tun habe, fragt mich irgendwann, warum wir so bescheuert sind, unser Land in so einem Maße zur Zahlstelle für den Nahen Osten zu machen.

Und zwischen den beiden Fronten "Wir werden überfremdet" und auf der Gegenposition "Refugees welcome, Deutschland verrecke", hat es eine sachlich bemühte Diskussion schwer.
Ich vermute auch, dass Identität und ähnliche Faktoren letztlich eine größere Rolle spielen als sozialökonomische Erwägungen: Dass die Syrer vom deutschen Sozialstaat zehren, ist als Argument opportun, aber ob man dem syrischen Arzt, Erzieher oder Paketboten gegenüber wirklich aufgeschlossener wäre, halte ich zumindest nicht für selbstverständlich.

Das ist genau, was ich oben meinte btw. Ich sage mal, so richtig kaufe ich den meisten AfD-Spinnern sowieso nicht ab, dass sie nur Probleme mit "Einwanderung in die Sozialsysteme" haben. Aber selbst wenn es wirklich so wäre: Die Art von Einwanderer, die du dir als wünschenswert vorstellst, ist ja auch nicht blöd. Wer so krass gegen "Einwanderung in die Sozialsysteme" polemisiert wie die AfD, der ist entweder schlicht ein relativ stumpfer Rassist oder (bestenfalls) jemand, der Einwanderung alleine aus der Warte betrachtet, was sie für die angestammte Bevölkerung an Vorteilen bringt.
Stell es dir einfach mal so vor: Dadurch, dass ein ökonomisch produktiver Einwanderer hier ankommt, wird zusätzlicher ökonomischer Nutzen generiert. So weit ist es ein positive sum game. Aber wie der zwischen Einwanderer und Aufnahmegesellschaft verteilt wird, ist dann doch wieder zero sum. Und wenn ich als Einwanderer weiß, dass ich alleine nach meinem wirtschaftlichen Nutzen beurteilt werde, dann werde ich natürlich davon ausgehen, dass möglichst viel davon an die angestammte Population gehen soll. Umso stärker das als Argument zieht, umso mehr ist das ein Standortnachteil.
Mal im Ernst: Viele der Gegenden, wo die AfD besonders stark ist, sind schon Gegenden, die im Standortwettbewerb um Deutsche schlechte Chancen haben (unter anderem um ihre eigenen Kinder). Warum würdest du da als Einwanderer hinwollen, wenn du innerhalb Deutschlands auch andere Möglichkeiten hast? Insbesondere wenn du weißt, dass ein (vermutlich nicht unbeträchtlicher) Teil der Bevölkerung dir offen feindlich gesonnen ist und ein anderer Teil dich nur unter dem Gesichtspunkt sieht, wie du ihnen selbst ökonomisch nützlich sein kannst. So sehr ich den Satz mit den "kleinen Paschas" albern fand, aber mit einem hatte Merz ja durchaus recht: Es gibt Einwanderer, die etwas von uns brauchen und es gibt Einwanderer, von denen wir etwas brauchen. Lange Zeit haben sich die Konservativen darauf kapriziert, entweder zu sagen wir brauchen gar keine Einwanderung oder die Einwanderer, die wir brauchen, sollen froh und dankbar sein, nach Deutschland kommen zu dürfen, weil Deutschland so viel geiler ist als ihre Heimat. Das funktioniert aber halt nicht und wenn es Teile von Deutschland gibt, in denen das immer noch die herrschende Meinung ist, dann bräuchte man sich schon nicht wundern, dass man keine der "gewünschten" Einwanderer bekommt, selbst wenn man andere Standortvorteile hätte (siehe USA und UK).

@saistaed: Suche beizeiten die Literatur raus, die ich meinte.
 
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Ich sage mal, so richtig kaufe ich den meisten AfD-Spinnern sowieso nicht ab, dass sie nur Probleme mit "Einwanderung in die Sozialsysteme" haben.
ich könnte dich ernster nehmen, wenn du aufhören würdest, jeden, der nicht deiner meinung ist, mit afd-spinner oder volksverdummer zu etikettieren.

Wer so krass gegen "Einwanderung in die Sozialsysteme" polemisiert wie die AfD, der ist entweder schlicht ein relativ stumpfer Rassist oder (bestenfalls) jemand, der Einwanderung alleine aus der Warte betrachtet, was sie für die angestammte Bevölkerung an Vorteilen bringt.
oh boy.

Mal im Ernst: Viele der Gegenden, wo die AfD besonders stark ist, sind schon Gegenden, die im Standortwettbewerb um Deutsche schlechte Chancen haben (unter anderem um ihre eigenen Kinder). Warum würdest du da als Einwanderer hinwollen, wenn du innerhalb Deutschlands auch andere Möglichkeiten hast?
dir helles köpfchen ist schon klar, dass das oft bundemittel sind? einwanderung in die sozialsysteme bedeutet eben genau das: du generierst keinen monetären wert, du benötigst ihn. das mag ja nach situation und hintergrundgeschichte (flüchtlinge aus kriegsgebieten) moralisch geboten sein, migration von personen die langfristig sozialleistungen benötigen sorgen erstmal nur dafür, dass bundesmittel die z.b. zur investitionen in strukturschwache gebiete aufgewendet werden könnten eingestellt oder gar nicht erst aufgelegt werden.

Dadurch, dass ein ökonomisch produktiver Einwanderer hier ankommt, wird zusätzlicher ökonomischer Nutzen generiert. So weit ist es ein positive sum game. Aber wie der zwischen Einwanderer und Aufnahmegesellschaft verteilt wird, ist dann doch wieder zero sum.
1681015812165.png

funktioniert das in deinem job so, dass du da auch so word-tapeten fabrizierst und dein gegenüber irgendwann innerlich abstumpft und abschaltet?

wir reden ja gerne von fachkräftemangel. nach meiner erfahrung bedeutet das runtergebrochen auf das typische unternehmen: "für das, was wir maximal bezahlen wollen, bekommen wir niemanden." no shit sherlock. dann musst du eben mehr bezahlen. wenn das wirtschaftlich nicht darstellbar ist, ist dein business-konzept offenkundig nicht überlebensfähig. und ja, erfahrungsgemäß ist gehalt für einen großteil der menschen nicht der singuläre motivationsfaktor, aber fühlen sich völlig zu recht von "min. 10 jahre berufserfahrung, min. master/dipl./ing. abschluss, min. erfahrungen mit ten-points-list, gehalt auf einstiegsniveau eines bürokaufmanns" völlig zurecht veralbert.

warum man diesen hebel bei den arbeitgebern ganz ungeniert als eigennutz akzeptiert und noch betont, bei arbeitnehmern, wenn sie auf ihre vorteile achten und ihren "marktwert" nicht verwässert sehen wollen, instant die afd-rassisten karten zieht, ist eben nur jenes: kognitive dissonanz deluxe.
 
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@Gustavo: sehr gute Analyse. Im grossen und ganzen stimme ich Dir in quasi jedem Punkt zu. Ich habe nur eine Sache, wo ich den Eindruck habe, dass Deine Ansichten etwas rückwärtsgerichtet sind.

Neben dem mehr arbeiten, mehr umverteilen, etc. vergisst Du die Variante, dass man auch die Produktivität massiv mehr steigern könnte als alle anderen. Das ist in dem Vergleichszeitraum den Du anschaust, in genau den Ländern die Du anschaust, niemand gelungen. Vor diesem Zeitraum aber sehr wohl und ausserhalb von diesen Ländern auch in letzter Zeit sehr wohl.

Vorzu ist dies vermutlich auch hierzulande wieder möglich. Hier ein Chart:
1681142239400.jpeg

Wenn gewisse Arbeiter/Tätigkeiten/Firmen auf einmal 10x oder 100x produktiver sind als alle anderen, was Tech ermöglicht, sieht alles wieder anders aus. Da kommt es nicht darauf an, ob man 30% mehr oder weniger arbeitet. Es kann auch plötzlich sein, dass es sehr wichtig ist gewisse Top Migranten anzuziehen, wenn diese dann 100x produktiver sind.

Worauf es ankommt ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem Firmen in diesen Branchen florieren und dadurch diese Produktivitätsgewinne ermöglichen, die riesige Wohlfahrtsgewinne ermöglichen.

In den Gesamtstatistiken zu den Ländern sieht man diese Effekte noch nicht, da sie bisher hauptsächlich in USA passiert sind und da in der Grösse der Volkswirtschaft untergehen. Lokale Effekte in San Francisco und jetzt dann auch Austin sieht man aber sehr wohl.

Um einen historischen Vergleich anzustreben. Dein Ansatz dies anhand von Ist-Statistiken zu vergleichen und Trends zu ignorireen ist möglicherweise das gleiche wie wenn man ca. 1800 die Volkswirtschaften von Europa und China vergleicht und feststellt, dass diese gleichauf sind, China sich keinerlei Sorgen machen muss und es auch keinen Grund gibt in China irgendetwas fundamentales zu ändern.
 

Benrath

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Wie ist da denn Productivity Imporvement definiert? Gehören da die ganzen Service Tech Sachen dazu?

Ein großer Teil des Wachstums aus solchen Bereichen ist nicht immer Vergrößerung des Kuchens sondern Abgreifen von bestehendem Kuchen.
Ist jetzt z.B. online food delivery gewachsen, weil auf einmal Essen bestellt wurde, was sonst nie bestellt wurde oder wurde einfach nur Kuchen von Restaurants etc. abgezwackt?

Uber etc. am Ende ähnliche.
 

Gustavo

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Um einen historischen Vergleich anzustreben. Dein Ansatz dies anhand von Ist-Statistiken zu vergleichen und Trends zu ignorireen ist möglicherweise das gleiche wie wenn man ca. 1800 die Volkswirtschaften von Europa und China vergleicht und feststellt, dass diese gleichauf sind, China sich keinerlei Sorgen machen muss und es auch keinen Grund gibt in China irgendetwas fundamentales zu ändern.

Na ja, das Problem an der Vermutung ist wohl, dass das Ganze bisher so aussieht:

blogimage_productivitygrowth_041718.png


Dass die Digitalisierung der Wirtschaft große Produktivitätsgewinne mit sich bringen soll erwartet man jetzt seit Jahrzehnten und bisher sehen wir sie einfach nicht. Was Benrath sagt ist imho 100% so: Klar hast du jetzt einen Hub wie SF, wo ein Haufen Wert generiert werden kann, aber das liegt halt daran dass sowas wie AirBnB nicht ist wie GE: Du brauchst keine Fabriken überall, du brauchst einfach eine Zentrale und eine App.
Wenn man darüber nachdenkt, was uns die Digitalisierung bisher gebracht hat, dann ist da viel Vereinfachung dabei und halt viel digitale Mall. Der Umsatz mit genuin digitalen Produkten ist aber immer noch nicht sonderlich groß: Die großen Posten der größten Tech-Unternehmen sind Tech-Produkte selbst und Werbung. Amazon ist sowas wie ein riesiges Kaufhaus für die Produkte anderer Leute, Unternehmen wie Uber und AirBnB sind Mittelsmänner, Spotify ähnlich. Vielleicht stehen wir tatsächlich kurz vor dem raketenhaften Produktivitätsaufstieg durch AI, ausschließen kann man es tatsächlich nicht. Aber dein Vergleich mit China um 1800 ist allerdings noch aus einem anderen Grund interessant: Was China 1800 passiert ist, dass auf einmal diese Produktivitätsexplosion in Europa stattfand, das gab es so nur einmal.
 
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Wie ist da denn Productivity Imporvement definiert? Gehören da die ganzen Service Tech Sachen dazu?

Ein großer Teil des Wachstums aus solchen Bereichen ist nicht immer Vergrößerung des Kuchens sondern Abgreifen von bestehendem Kuchen.
Ist jetzt z.B. online food delivery gewachsen, weil auf einmal Essen bestellt wurde, was sonst nie bestellt wurde oder wurde einfach nur Kuchen von Restaurants etc. abgezwackt?

Uber etc. am Ende ähnliche.
Vergrössen oder abgreifen, die Produktivitätsgewinne sind trotzdem real. Wenn da vorher 100k Leute arbeiten und nachher in der Tech Firma 10k, auch wenn der Kuchen gleich gross bleibt, die Produktivitätssteigerung pro Mitarbeiter ist doch trotzdem 10x.

@Gustavo: stimmt, ist genau einmal passiert in der Industrialisierung. Die Anzeichen sind aber die gleichen, manche Branchen sind auf einmal 10x produktiver und der Rest der Welt noch nicht. Ich sehe keinen Grund, warum das nicht nach und nach alle erwischt.

Ich habe früher im Banking gearbeitet. Da wurden bisher alle die Filialen und Mitarbeiter durch komplexe IT Systeme ersetzt wurden, in die ein aberwitziger Aufwand reinfliesst und jede Bank hat ein eigenes (de facto in der Konfiguration). Ich sehe aber keinen Grund, warum man diese IT Systeme nicht auch mit 1/10 oder 1/100 der Leute betreiben könnte. Ich sehe auch nicht, warum Deutschland 1'000 Banken hat und nicht 5. Warum jede Firma eine eigene HR Abteilung hat und nicht einfach all die standardisierten Vorgänge in einer eingekauften Standardplattform durchgezogen werden. So können wir fast jedes Thema durchgehen. Das sehe ich sogar ohne AI.

Im Moment ist glaube ich die grösste Hürde Kompetenz im Arbeitsmarkt. Die Top Leute im IT Bereich gehen alle zu den Tech Firmen, die aufgrund ihrer Produktivitätssteigerung 2x-5x zahlen können. Siehe Post von Bootdiskette. Das haben wir in Deutschland halt nicht und sind deshalb in diesen Branchen nicht kompetitiv um Leute.
 
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Produktivitätswachstum ist teils sehr schwer in Metriken zu erfassen.

Ein einfaches Beispiel: Navigation.
  • Google Maps spart viel Zeit & Geld gegenüber Falk-Plan. Klarer, massiver Benefit, aber zu guten Teilen gar nicht erfasst.
  • Es ist im Vergleich so günstig & komfortabel, dass man es viel öfter nutzt anstatt wahllos durch einen Urlaubsort zu laufen. Schwer zu messen.
  • Ein Nebeneffekt von Google Maps ist mehr Transparenz über die Qualität von Restaurants. Dies führt zur Steigerung der Qualität von Restaurants. Auch schwer zu erfassen.
Zeigt auch, dass eine ausreichend höhere Qualität einer Dienstleistung ein anderes Segment komplett verdrängen kann. Hier den Falk-Plan. Da sehe ich durchaus eine Standort-Gefahr: Wenn wir in einer Mischung aus Datenschutz, Steuerlast, VC-Ecosystem etc. einen geringen Anteil der Digitalisierung schaffen, dann kann es sein, dass ein immer größerer Teil der Wertschöpfung (aber nicht unbedingt des Umsatzes) nicht mehr in Deutschland stattfindet.

Zum Thema IT-Gehäter: Da ist es beides. Zum einen gibt es einen internationalen Markt, wo bspw die US-Firmen für Top-Talent viel besser bezahlen. Und es gibt auch mehr Nachfrage als Angebot, so dass auch mittelmäßig qualifizierte Absolventen mehr verlangen können.

Ich glaube übrigens schon, dass die meisten deutschen Firmen ohne Probleme die Lohnkosten in der IT um 10-20% erhöhen könnten. Ist ja nur ein Teil der Lohnkosten, und diese sind nur ein Teil der Gesamtkosten. Sinkt die Marge vielleicht um 1%. Ob das aber für alle Firmen sinnvoll ist, und sie genug Wert mit der daraus gewonnenen Innovation schöpfen können, ist weniger klar. Vermutlich ist gerade der erwirtschaftete ROI sehr unterschiedlich, je nachdem welche Firma teure Absolventen einstellt. Vielleicht ist es "Schicksal", dass der Return für den deutschen Mittelständler gering genug ist, dass er sich die 80k für den Absolvtenten nicht leisten kann -- andere Firmen aber schon.
 
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