Ne andere Frage an Dich Gustavo: als ich diesen Thread eröffnet hatte nannte ich noch 3 Kandidaten mit Trump, DeSantis und Biden. Jetzt sah ich gerade das hier auf 538
Woran lag das denn, dass es DeSantis nach Bekanntgabe seiner Kandidatur so rausgehauen hat? Von 40% auf 15% in 6 Monaten. Ich hab das irgendwie nicht so mitbekommen. Danks Dir
Schwierig zu sagen. Polisci hat gute Modelle für Wahlen, aber für Vorwahlen relativ wenig. Lange war das Modell von Larry Bartels aus den 80ern die bevorzugte Erklärung, das viel mit "momentum" zu tun hatte, aber da ging es primär um Ergebnisse und einen Kandidaten, der davonzieht, nicht so sehr um Abstürze. Als ich mit grad school angefangen habe war das neue große Ding die Erklärung der UCLA School, da ging es darum dass es ein "invisible primary" vor den eigentlichen Wahlen gibt, bei dem sich die Parteieliten quasi bereits auf einen Kandidaten verständigen und die Wähler das dann nachvollziehen. Das Problem war, dass die Theorie von Mitte der 2000er war und Obama 2008 ihr schon einen beträchtlichen Schlag versetzt hat (wenn sie stimmen würde hätte Hillary problemlos gewinnen müssen), aber das war man u.U. noch bereit zu kaufen, aber spätestens Trump hat sie 2016 quasi pulverisiert. Insofern gibt es heute eigentlich kein allgemein akzeptiertes Modell mehr und man ist auf Spekulation zurückgeworfen.
Wenn ich mir die mal gönne würde ich vermuten, dass es eine Mischung ist aus:
- Solange Leute einen Kandidaten noch nicht besonders gut kennen lässt sich viel auf ihn projizieren. So war es sicher auch mit DeSantis: Als er noch hauptsächlich der lib-triggernde Gouverneur von Florida war, klang das für den durchschnittlichen Republikaner-Wähler, der sonst nicht viel bis gar nichts über ihn weiß, natürlich sehr sympathisch. Als er DeSantis dann tatsächlich zu Gesicht bekommen hat hat er wohl gesehen, dass er keine wirklich gute Figur macht im Wahlkampf. In allen Analysen, die ich gesehen habe, war Trump deutlich beliebter bei dem hardcore Wählerkern der Republikaner (weiß, christlich, kein Universitätsabschluss, ideologisch sehr konservativ), während DeSantis vergleichsweise gut bei eher marginalen Wählern abgeschnitten hat, welche ihre Meinung typischerweise auch während Wahlkämpfen viel häufiger ändern.
- DeSantis' Hauptthema (gegen "wokeness" zu sein) pollt zum Erstaunen vieler tatsächlich gar nicht so gut bei den Republikanern wie man vllt. hätte erwarten können. Darum waren die Pro-Argumente für DeSantis allerdings hauptsächlich aufgebaut. Jetzt stellt sich raus, die Leute interessieren sich mehr für Wirtschaft und Kriminalität. Übrigens sind auch die Hardcore-Kulturkampfthemen bei republikanischen Großspendern nicht sonderlich beliebt, denen es (erwartbar) hauptsächlich um Wirtschaftsthemen geht.
- DeSantis (und alle anderen Kandidaten) können Trump überhaupt nicht effektiv attackieren. Die Dinge, die normale Menschen scheiße an Trump finden, stören die Wählerbasis im republikanischen Vorkampf nicht, wenn sie sie nicht sogar aktiv gut finden. Lange Zeit hat sich überhaupt niemand getraut Trump zu attackieren, weil er weiterhin sehr beliebt ist und bei den Vorwählern das Image kultiviert hat, er würde sowieso ungerecht behandelt. Gerade bei der letzten Debatte diese Woche (!) haben sie das erste Mal angefangen, Trump zu attackieren, aber halt wegen Dingen (DeSantis wegen der Schulden aus seiner Amtszeit und Christie weil er nicht zu den Debatten kommt), die bei den Vorwählern einfach nicht ziehen werden. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht genau was das Kalkül war, ob man vllt. gehofft hat die Strafverfahren würden Trumps Stern sinken lassen und DeSantis müsse nur abwarten bis die anderen aufgeben und könne sich dann als die einzig gangbare Alternative zu Trump präsentieren, aber in jedem Fall klappt es überhaupt nicht.
- Alles, wovon man vllt. hätte glauben können, dass es Trump schaden würde, hat ihm bisher nur geholfen. Einen gewissen bandwagon-Effekt gibt es (da wäre man wieder bei Bartels) immer.
Das Problem an der republikanischen Partei und ihren Wählern ist so ein bisschen, dass mittlerweile komplett vibes die eigene Sichtweise bestimmen. Motivated reasoning gibt es überall, aber was bei den Republikanern abgeht ist mit rationalen Argumenten einfach überhaupt nicht mehr zu packen. Neulich habe ich einen Poll gesehen, bei dem gefragt wurde wer ein "man of faith" ist, u.a. mit Trump oder Mitt Romney. Romney ist gläubiger Mormone, trinkt nicht mal Koffein geschweige denn Alkohol, ist seit 50 Jahren mit derselben Frau verheiratet etc. Trump ist Trump. Ergebnis: 53% sagen ja für Trump, 35% für Romney.