Naja, aus ideologischen Gründen CDU zu wählen muss nicht heißen, dass du Fanboy bist und Friedrich Merz auf den Oberarm tätowiert hast. Konkret meinte ich damit, dass du die Wichtigkeit einiger Punkte aus imo ideologischen Gründen überzeichnest und dadurch ein vermeintlich besseres Matching mit der CDU erzielst.
Ich kann gut verstehen, dass man sich aktuell die CDU über die SPD wünscht - Scholz' Kanzlerschaft ist imo die schwächste, die ich bewusst miterlebt habe. Wenn es jetzt knapp zwischen SPD und CDU stünde, hätte ich mit dieser Begründung gegenüber eine taktischen CDU-Stimme keine Vorbehalte - und Gott bewahre, dass es dazu kommt und ich selbst mir nochmal ganz genau überlegen muss, ob ich Scholz oder Merz für den desaströseren Kanzler hielte ...
Aber wie gesagt, davon sind wir ja weit entfernt: Die CDU wird, Stand heute, definitiv den nächsten Kanzler stellen. Die Frage ist nur, mit wem und wie die Stärkenverhältnisse innerhalb der Koalition sich darstellen. In dieser Situation die CDU als die einzig logische Wahl darzustellen, finde ich schräg.
Was die inhaltlichen Punkte angeht: Mich interessiert als Wähler, welches Delta an politischem Impact ich auf bestimmten Politikfeldern erwarten kann, wenn meine Stimme einen Einfluss auf den Wahlausgang hat.
Ukraine:
- Deutschland ist nach der USA der wichtigste Finanzier & Waffenlieferant.
- Deutschland hat signifikanten Einfluss auf die Haltung der EU, NATO und selbst der USA (wenn Deutschland nichts liefert, macht es das den Russland-Freunden in der US-Politik leicht -- wenn Deutschland richtig viel liefert, schwer).
- Deutschland könnte NOCH viel mehr tun. Taurus liefern & actually nachproduzieren lassen, um nur ein Beispiel zu liefern.
Erstmal seh ich überhaupt nicht, inwiefern die Grünen hier schlechter als die CDU abschneiden. Aber selbst wenn man mal fiktiv mit der SPD vergleicht: Ja, wir würden wohl ein paar Taurus liefern und die Ukraine dürfte unsere Waffen etwas freier einsetzen. Vielleicht würde auch insgesamt etwas mehr fließen, aber auch Merz wird keine Kriegsproduktion ausrufen, um in der Ukraine das Ruder rumzureißen.
So sehr ich mir persönlich ein maximales Engagement für die Ukraine wünsche: Meine Erwartung an den Impact eines Regierungswechsels ist leider eher bescheiden - und in diesem Punkt würde ich wirklich gern falsch liegen.
Migration:
- Imo ein linkes Narrativ, dass die Regierung da nichts tun könne - weil ist halt so, Verfassung und Asylrecht und so.
- Siehe auch der andere Thread zu dem Thema.
Natürlich kann man etwas tun. Das Wichtigste ist imo eine bessere Kontrolle über die EU-Außengrenzen und wer da drüberkommt - wenn auch nicht mit dem primären Gedanken uns abzuschotten, sondern Migration in geordnete Bahnen zu lenken.
Aber mal ganz ehrlich: Was ist denn deine realistische Erwartung daran, was ein Kanzler Merz hier für Deutschland erreichen kann? Glaubst du ernsthaft, dass wir uns in ein paar jahren dann "Danke, Fritz!" anheften können, weil er 2 Mio. zusätzliche Asylmigranten von Deutschland ferngehalten hat?
Das ist imo keine realistische Erwartung. Wenn ich aus der Hüfte schießen müsste, dann würde ich das Delta an Asylmigranten, die unter einem Kanzler Merz/Scholz/Habeck innerhalb der nächsten Legislaturperiode nach Deutschland kommen, eher in der Größenordnung von tausenden ansetzen, meinetwegen ein paar zehntausend mit viel Phantasie, keinesfalls bei hunderttausenden oder gar Millionen. Diese Idee, dass die Flüchtlinge hier wie durch einen Wasserhahn hineinfließen, den die Politik sich nur trauen muss zuzudrehen, halte ich für naiv.
Dazu agieren wir einfach unter zu großen rechtlichen, politischen und faktischen constraints.
Und wie im anderen Thread erwähnt: Ich bin überzeugt, dass bereits die aktuelle Migrationsdebatte - und wie sie geführt wird - Deutschland insgesamt und insbesondere der migrantischen Community hier mehr schadet als nützt, weil am Ende dann nämlich doch meistens sehr viel negative Rhetorik und Publicity übrig bleibt, aber sich recht wenig an den realen Umständen ändert.
Darum würde ich mir bei dem Thema mal mehr effektive Hinterzimmerpolitik wünschen, die wirklich was ändert im Rahmen dessen, was geht, und im öffentlichen Debattenraum einen Schwenk dahin, dass wir mal wieder die Chancen und schlicht Notwendigkeit von Migration in den Blick nehmen und darüber reden, was uns davon abhält, ungenutzte Potentiale zu heben.