Nichdestrotrotz wäre es ein Verlust, wenn Guttenberg aus der Politik verschwinden sollte.
Er handelt pragmatisch, und sticht für mich eigentlich aus der grauen Masse der CDU bzw CSUler positiv heraus.
Auf der einen Seite ist es natürlich verständlich, dass ein Plagiat in dieser Größenordnung nicht ungeahndet bleiben kann, aber man sollte nicht vorschnell dafür sorgen, dass seine politische Karriere jetzt endet. Macken hat jeder, doch was er bisher abgeliefert hat, war mMn zu gut, als dass man ihn jetzt fallen lassen sollte.
Ich hasse dieses politische Klima. Ein Fehler, ein Fehltritt, gar ein falsches Wort und man landet unter einem Kugelhagel der Verachtung - obwohl jeder Dreck am stecken hat, und es jeden genauso treffen könnte. Darunter sind jetzt schon mehrfach kluge und gar nicht so falsche Köpfe politisch zu Grunde gegangen. Die Sache mit Horst Köhler hat den ersten Rücktritt eines Präsidenten herbeigeführt. Traurig, abartig dieses Treiben - und ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.
Die ganzen Rücktrittsforderungen finde ich auch fürchterlich. Das kann ich auch nicht mehr ernst nehmen, zumal es parteiübergreifend geschieht, sobald irgendein Politiker irgendetwas im Privatleben verdreht hat...
Bei Köhler sehe ich die Sache aber anders: Das war ein klarer Fall von beleidigte Leberwurst. Er hatte kein so dickes Fell, wie man es in der Politik benötigt, erst recht, wenn man sich als Bundespräsident oft einmischt (was ich gut fand!).
Was in diesem ganzen Trubel aber ebenfalls mal wieder ans Licht kommt und mir zu denken gibt: Warum muss man eigentlich in der Politik (gerade im bürgerlichen Lager) immer einen Doktortitel vorweisen, um Minister o.ä. zu werden?
Als ob ein Dr. vor dem Namen irgendetwas an Kompetenz bedeuten würde, zumal besagter Titel zu 99% nichts mit der politischen Tätigkeit zu tun hat.
Merkel ist Dr. der Physik (da wird einem der Dr. sogar halbwegs nicht hinterhergeworfen), aber könnte genauso gut auch ohne regieren.
Manche haben dann wiederum einen Doktor, der irgendwas mit der politischen Position zu tun hat, aber kommen von Hause aus aus der ganz anderen Ecke. So ist unser Verkehrsminister gelernter Müller. Nicht dass er dadurch ein schlechter Minister ist, aber insgesamt finde ich es schade, dass es inzwischen Voraussetzung ist, einen Dr. vor dem Namen zu tragen, um gewisse Ämter bekleiden zu können, in denen dieser gar nicht von Belang ist (sowohl in Politik wie auch in der Wirtschaft).
Von diesem Standpunkt aus finde ich die jetzige Debatte um Guttenberg auch insofern gut, als dass sich manche Leute vielleicht mal überlegen, ob es denn wirklich so wichtig ist, einen akademischen Titel zu führen, wenn man gar keine akademische Laufbahn gedenkt einzuschlagen.
Klar kommt heutzutage immernoch in Nicht-Akademikerkreisen und auch bei älteren Mitbürgern oft der Dr. vor dem Namen gut an, weil diese denken "Oh, der ist Doktor! Doktor = schlau = gut!", aber gerade die Menschen, die Ahnung vom politischen und akademischen Betrieb haben, machen die Jagd auf den Dr. doch nur mit, weil sie Angst haben, ausgeschlossen zu werden. Es wird eigentlich mal Zeit, dass dieser Dr.-Wahn aufhört.
Was Guttenberg angeht, so wird er einen ziemlichen Imageschaden nicht verhindern können. Ich wünsche mir, dass er politisch nicht komplett abgesägt wird, aber das, was er als Dissertation abgeliefert hat, kann und wird keinen Bestand haben. Der Dr. ist ihm definitiv abzuerkennen. Egal, was dazu geführt hat, dass die Textpassagen nun so in der Dissertation stehen, es bleibt eine mangelhafte wissenschaftliche Arbeitsweise, die auf keinen Fall einen Doktortitel rechtfertigenn kann - erst recht nicht summa cum laude.