So, dann versuch ich mal, einen möglichst neutralen, objektiven Post zu
formulieren, damit mir nicht direkt jeder an die Kehle springt...
Was mir aufgefallen ist, dass einige Leute Kritik an sc2 stets so auffassen, als
würde man ein sc1 in neuer Grafik haben wollen. Ich bin mir ziemlich sicher,
dass dem nicht so ist, dafür ist die Gesamtresonanz zu gut. Es müssen aber
leider Aspekte von sc2 kritisiert werden, sei es positiv oder negativ. Und das
Wissen, das benötigt wird, um gut Kritik üben zu können, bieten halt nunmal nur
andere Spiele. Klar, dass viele Spieler, die sich für sc2 interessieren, ihr
Wissen halt eben aus sc1 haben.
So, ich stelle nun einfach mal ein paar Thesen auf, aus meiner Sicht der Dinge
wohlgemerkt, wie es Spiele schaffen, attraktiv zu werden.
Nehmen wir mal World of Warcraft. Viele Leute werden jetzt sicher aufschreien,
aber lest einfach mal weiter
In besagtem WoW kann man mit seinem Charakter Ausrüstung ansammeln,
Zaubersprüche oder Fähigkeiten erlernen und damit andere Charaktere im Kampf
unterstützen. Jeder, der WoW spielt oder gespielt hat wird mir zustimmen, dass
es massive Qualitätsunterschiede zwischen Spielern gibt, die völlig identische
Ausrüstung/Zauber/Fähigkeiten haben. Das ist nunmal so, weil der eine Spieler
evtl mehr Erfahrung hat, schneller reagieren kann, besser Situationen
einschätzt, und so weiter und so fort. Das ist keineswegs unfair. Im Gegenteil,
es ist ein schöner Anreiz, weil es tolle Erlebnisse bietet wie "Hey krass, die
Aktion gerade die war wirklich wirklich gut! Das soll mir erstmal einer
nachmachen." Wenn das Potential des Charakters nur über seine
Ausrüstung/Zauber/Fähigkeiten bestimmt wäre, würde es keine Individuen
mehr geben.
Warcraft 3 ist ein anderes schönes Beispiel. Es können zwei Armeen auf einer
völlig freien Ebene perfekt zueinander gespiegelt aufeinandertreffen, der
Ausgang der Schlacht wird deswegen jedoch nicht automatisch unentschieden
ausgehen. Auch hier kommt es wieder darauf an, wer seine Einheiten besser
kontrollieren kann.
Nun kann man natürlich weiterdenken und sich fragen, ob es nicht auch möglich
ist, persönlich so gut zu sein, dass man selbst mit einer kleineren, nicht ganz
so schlagkräftigen Armee besser sein kann als eine andere. Selbstverständlich!
Und das ist auch gut so! Man trifft in Spielen immer auf unerwartete Dinge. Wenn
diese einen wirklich in einer sehr schlechten Situation erwischt haben, muss man
eben sehen, wie man damit zurecht kommt. Sei es eine geaddete Pat in WoW oder
aber ein TP in WC3, was zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt benutzt wurde. In
beiden Fällen kann man durch persönliches Geschick seinen Nachteil ausgleichen,
oder eben scheitern.
Wir wissen also nun, persönliches Geschick ist in diesen Art Spielen extrem
wichtig!
"Was der da oben alles geschrieben habe, gibt es doch auch in sc2, warum meckern
also die ganzen Leute?" Das denkt jetzt vielleicht der ein oder andere von euch,
und hat damit natürlich auch recht. All das gibt es durchaus in sc2. Das Problem
ist, dass es leider viel mehr Arten von Micro gibt, als sie in sc2 existieren.
Als Beispiel nehme ich das Spiel SuperDuperFigher VI. (ja, erfunden!)
Es handelt sich hierbei um eine Weltraum-Flugsimulation. Ich bin gerade in
Mission 27, kurz vor dem Ende des Spiels! Die Invasoren sind gerade zum Angriff
auf unsere letzte Bastion übergangen, mit schweren Bombern der Shiwuna Klasse.
Ich hock in meinem Abfangjäger mit der Typkennung KRT-29b. Im eins gegen eins
würde eine Shiwuna meinen Vogel innerhalb von Sekunden zu Plasma zerblasen. Ich
würde immer in einem direkten Zweikampf das Weite suchen, soviel ist klar! Die
Situation ist jedoch gerade ein wenig anders. Unsere Heimatwelt ist dabei, ein
altes, planetares Verteidigungsnetzwerk hochzufahren, was so ziemlich jedem
Angriff statthalten kann, den es gibt. Dazu brauchen wir jedoch Zeit, um einen
Reaktor in Betrieb zu nehmen, der sich gerade genau 150 Klicks unter meinem Bug
in einer Plattform auf geostationären Orbit befindet.
Meine Jungs brauchen nur noch 15 Minuten, bis sie den Reaktor so weit haben.
Leider wissen das die bösen Jungs auch und setzen alles daran, die Plattform zu
zerstören. Mein Geschwader ist in den vergangen Kämpfen ziemlich dezimiert
worden, ich habe nur noch eine handvoll Piloten, Verstärkung gibt es keine. Also
haben wir uns für einen ziemlich abenteuerlichen Plan entschieden. Die Plattform
unter uns ist mit relativ starken Schilden umgeben, mit denen umherfliegender
Weltraumschrott abgefangen werden kann. Gegen die Raketen der Shiwunas haben sie
allerdings keine lange Lebensdauer. Unser Vorteil ist, dass unser Gegner
angreifen muss! Sein Plan ist in genau 15 Minuten vereitelt, er muss handeln!
Uns kann er nicht zuerst angreifen und ausschalten, wir sind zu schnell und zu
manövrierfähig, als dass sie uns kriegen könnten. Sie können also nur die
Plattform angreifen. Das Problem an den Shiwuna ist, dass sie zwar eine
monströse Bewaffnung haben, die aber eine gewisse Zeit benötigt, um nach einer
erfolgten Salve wieder einsatzbereit zu sein. Und genau das ist unsere Chance.
Wir hoffen, dass die Schile der Station genügend Angriffen der Shiwuna
standhalten würde, in denen wir diese Nachladezeit ausnutzen können, um mit 10g
Beschleunigung reinzugehen und die gegnerischen Schiffe eins nach dem anderen
auszuschalten und schnell genug wieder weg zu sein, bevor sie uns selbst aufs
Korn nehmen können!
So, dies ist doch eine schöne Art von Micro, oder? Im 1v1 würden wir auf jeden
Fall verlieren, aber durch die Eigenschaften der Einheiten in Verbindung mit
einer besonderen Situation kann man den Ausgang eines Gefechts wenden.
Das ist meiner Meinung nach das selbe, wie das Beispiel in dem Artikel von
TeamLiquid, der beschreibt, wie mit Corsars eine Basis von Mutalisken beschützt
wird. Im 1v1 würde die Mutas die Corsars niedermachen wie Hölle, aber in dieser
einen speziellen Situation, in der ich noch dazu fähig bin, meine Chance zu
erkennen, kann ich sie zurückschlagen. Das war toll an sc1, weil es viel
Spielraum für weiteres Micro geboten hat.
Dies ist in sc2 leider nicht so. Starcraft II bietet nur die weiter oben
genannten Arten von Micro, was nicht bedeutet, dass es schlecht ist, nur, dass
es eben schade ist, dass man auf eine gewissen Menge Micro verzichtet hat.
Besonders, weil die teilweise auch zu den tollen "Yeah, bin ich geil!" Effekten
von weiter oben führen kann. Oder anders ausgedrückt, es gibt weniger
Möglichkeiten, einen einheitenmäßig stärkeren Spieler mit dafür den eigenen
überragenden spielerischen Fähigkeiten zu besiegen. Und das ist wirklich schade,
denn das hat die Unberechenbarkeit und andauernde Kurzweile von sc1 ausgemacht.
Das Wissen, dass falls man auf dem falschen Fuß erwischt wird, man sich trotzdem
noch fangen kann...
So, ewig langer Text, mal gespannt, wer es bis hierhin geschafft hat
Gute Nacht derweil!