Nachrichten, Randnotizen und Kurioses v4

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ad U-Haft: naja, das klingt mir mehr nach einem ahnungslosen Kommentar eines Journalisten.
Findest du? Wie gesagt, normalerweise gibt mir diese Art von Kommentar (Journalist hat was erlebt und schreibt mal drüber) nicht viel. Aber wenn wir mal unterstellen, dass er sich nicht wesentliche Aspekte ausdenkt, fügt es sich imo durchaus in ein problematisches Bild.
Dazu kommt ja, dass man afaik viel eher in U-Haft landet, wenn man einen prekären sozialen Status hat. Und die aller meisten Angeklagten in Deutschland haben nicht mal Anspruch auf einen Pflichtverteidiger.
 
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Ja … schon ein wenig. Wenn man sich die Hinweise in den Kommentaren durchliest bekommt man schon den Eindruck, dass diese Behandlung schon nicht ganz unbegründet ist.
Klar, es ist scheiße wenn man drinsteckt und es gab ja auch den Fall Mollath der einen am Rechtsstaat zweifeln lässt. Ebenso gibt es häufig Fälle wo man sich so denkt: well shit … Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Aber: Es gibt noch einen Rechtsstaat der im internationalen Vergleich doch eher wenige Skandale produziert. Wenn ich lese, dass es nicht der Regelfall ist, dass Kommunikation unterbunden wird, dann überkommt mich der Eindruck, dass der Vorwurf halt doch eine gewisse Rolle spielte und nicht leichtfertig jemand wegen eines Ladendiebstahls monatelang eingeknastet wurde.
As usual: wir waren nicht dabei (TM)
 
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Dass wir auf hohem Niveau klagen, ist klar. Aber gerade weil grundsätzliche Mechanismen des Rechtssystems eher selten politisch angefasst werden, finde ich es hilfreich sich vor Augen zu führen, dass wir nicht in jeder Hisnicht da sind, wo zumindest ich es von Deutschland im 21. Jahrhundert erwarten würde.
Das trifft zweifellos auf andere Bereiche noch stärker zu, aber gerade das Strafrecht ist aus offensichtlichen Gründen für den modernen sozialen Rechtsstaat ein neuralgischer Punkt.

Ich hab da auch aus dem Bekanntenkreis durchaus schon Sachen mitgekriegt, die bei mir Stirnrunzeln hervorrufen. Daas du z.B. bei uns per Opt-Out (aka Strafbefehl) rechtskräftig verurteilt werden kannst, einfach weil du es vielleicht verpeilst, nen Brief zu öffnen, zu lesen oder drauf zu reagieren, finde ich persönlich recht heftig. Klar ist das prozessökonomisch irgendwie effizient, aber es benachteiligt regelmäßig Leute, die eh schon kaputt sind - und die Durchsetzung solcher Strafen, eventueller Ersatzstrafen usw. kostet ja auch.
 
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@cele: lel … ich verstehe deinen Schmerz. Bei mir hat es aber noch nie funktioniert :/
Und ich hätte lieber einen Zugang zur Financial Times
Aber ich weiß schon warum ich mir mein FAZ-Abo leiste

Ich stimm Dir im Prinzip bei allem zu … aber :ugly:
Ich habe viel Mitgefühl mit Leuten die es nicht leicht im Leben hatten. Allerdings bin ich auch nicht willens, den Menschen alles abzunehmen was eventuell uncool sein könnte. Irgendwann muss man Verantwortung für sich und sein Leben übernehmen, und das heißt im Zweifel auch mal einen Brief aufmachen wenn es einem Scheiße geht. Das ist nicht immer leicht und ich war mehr als einmal selbst an dem Punkt wo ich gemerkt hab, dass ich komplett unbewusst einfach mit meinem Tunnel war und einen Haufen Post einfach abends auf den Haufen geschmissen und nicht bearbeitet habe. Mein Welt- und Menschenbild sagt, dass wir alle Teil einer Gesellschaft sind die für ihr Funktionieren auf ein Sozialgefüge angewiesen sind, welches sehr viele Härten bereits extrem gut abfedert und wirklich jedem der halbwegs will die Hand zur Unterstützung reicht … die aber gleichzeitig von den Menschen einfordert sich um ihr eigenes Schicksal zu kümmern. Das ist für mich auch ein Hauptmerkmal einer demokratischen Gesellschaft: Wir haben die Freiheit von der Feudalgesellschaft gewonnen … zu dem Preis, dass wir uns mindestens ein Stück weit selbst um unseren Shit kümmern.

Ad Transparenz der Justiz: yes. Prozesstreue, Dokumentation, Nachvollziehbarkeit.
Am Ende ist das "Funktionieren eines Rechtssystems" wie auch das "Funktionieren einer Gesellschaft" performativ. Wie man an den USA 2016+ gesehen hat helfen starke Institutionen bei der Stabilisierung, aber auch die können langfristig unterwandert und aufgeweicht werden. Ein Staat der seinen Bürgern alle Entscheidungen abnimmt, selbst wenn es in ihrem besten Interesse geschieht, zieht sich seinen Untergang selbst heran. Res Publica ist die Sache des Volkes. Die funktioniert nur wenn das Volk in der Breite mitmacht; ansonsten … siehe z.B. Russland.
 
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archive.is funktioniert für mich sowohl für Zeit als auch Financial Times. FAZ und Süddeutsche leider nicht, aber Tagesspiegel.

Ich habe viel Mitgefühl mit Leuten die es nicht leicht im Leben hatten. Allerdings bin ich auch nicht willens, den Menschen alles abzunehmen was eventuell uncool sein könnte. Irgendwann muss man Verantwortung für sich und sein Leben übernehmen, und das heißt im Zweifel auch mal einen Brief aufmachen wenn es einem Scheiße geht. Das ist nicht immer leicht und ich war mehr als einmal selbst an dem Punkt wo ich gemerkt hab, dass ich komplett unbewusst einfach mit meinem Tunnel war und einen Haufen Post einfach abends auf den Haufen geschmissen und nicht bearbeitet habe. Mein Welt- und Menschenbild sagt, dass wir alle Teil einer Gesellschaft sind die für ihr Funktionieren auf ein Sozialgefüge angewiesen sind, welches sehr viele Härten bereits extrem gut abfedert und wirklich jedem der halbwegs will die Hand zur Unterstützung reicht … die aber gleichzeitig von den Menschen einfordert sich um ihr eigenes Schicksal zu kümmern. Das ist für mich auch ein Hauptmerkmal einer demokratischen Gesellschaft: Wir haben die Freiheit von der Feudalgesellschaft gewonnen … zu dem Preis, dass wir uns mindestens ein Stück weit selbst um unseren Shit kümmern.
Also sorry, aber "alles abnehmen, was uncool sein könnte" halte ich in diesem Zusammenhang für eine an Zynismus grenzende Übertreibung. Wir reden hier davon, dass du im Zweifel nen Brief von der Staatsanwaltschaft kriegst und, wenn du nicht innerhalb von zwei Wochen korrekt darauf reagierst, ein rechtskräftig verurteilter Straftäter bist - ohne Möglichkeit das anzufechten.
Das ist einfach meilenweit von meinem Verständnis eines Rechtsstaats entfernt. Aufgabe der Strafjustiz ist es Straftäter zu bestrafen, nicht Leute, denen man das unterstellt und die sich nicht wehren können. Es geht ja nicht nur um die binäre Variable Schuld vs. Unschuld, sondern um diverse Begleitumstände, die sich eventuell mildernd auf das Strafmaß auswirken könnten.
Was mich bei dem Thema persönlich am meisten ankotzt, ist, wie die Strafjustiz systematisch die soziale Ungleichheit amplifiziert: Auf Leute, die es eh schon nicht hinkriegen, wird nochmal stärker draufgehauen. Wenn die Welt dir eh schon Geschenke macht, bist du dagegen regelmäßig deutlich feiner raus.

Aber um nochmal auf den Kommentar zurückzukommen, auf den ich ich eigentlich bezogen hatte: Die Untersuchungshaft dient dazu Flucht und Verdunklung zu vermeiden, nicht ohne ordentliches Verfahren vorab zu bestrafen. Was dort beschrieben wird, schießt imo deutlich übers Ziel hinaus und ist einem modernen Rechtsstaat unwürdig.

Btw, großer Zufall, aber ich hab gerade vorhin gesehen, dass die Lage der Nation grad zu genau dem Thema ne Sonderausgabe rausgebracht hat:
Stecke noch am Anfang. Etwas Mimimi ist durchaus dabei, aber einige der angesprochenen Punkte sind imo sehr valide.
 
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Danke für den Link … auch wenn ich den Podcast nicht mag … werde mal reinhören.

Nur kurz: Ich verstehe dich glaube ich, aber … so ein Brief vom Staatsanwalt sieht nicht aus wie Wurfpost. Wer das Ding einfach liegen lässt … sorry, aber das macht man auf, liest sich das durch und geht ggf. zum lokalen Heator. In so einem Brief steht meines Wissens auch eine Rechtsbehelfsbelehrung mit drin und der Einspruch muss nicht begründet sein.

Ich denke es ist nicht zu viel verlangt, dass man innerhalb von zwei Wochen "he Moment mal" sagt wenn man nicht einverstanden ist. Sobald man das getan hat gibt es eine Verhandlung usw. (sagt mein schnelles Wikipediawissen).
Also ich verstehe Dein Anliegen, aber ich glaube genau der Punkt taugt nicht wirklich zur Fundamentalkritik am Rechtsstaat.

(Disclaimer: Ich bin kein Jurist und habe grad keinen Nerv mir das anzulesen wenn ich ehrlich bin)
 

Gustavo

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archive.is funktioniert für mich sowohl für Zeit als auch Financial Times. FAZ und Süddeutsche leider nicht, aber Tagesspiegel.


Ich habe auch noch nicht ganz rausgefunden, wann und warum, aber archive.is funktioniert meiner Erfahrung nach bei manchen Seiten durchgehend (Zeit bspw.), bei manchen nur für manche Artikel (SZ, normale Artikel funktionieren, aber Magazin-Kram beispielsweise nicht), bei manchen Seiten manchmal und manchmal nicht (Spiegel) und bei manchen Seiten quasi nie (Welt, ging mal ganz kurz und dann nicht mehr). Gerade beim Spiegel ist es ein ewiges hin und her, mal geht es, dann geht es wieder nicht. Manchmal gehen sogar manche Seiten und andere gehen nicht (und es liegt nicht daran dass sie noch nicht gescrapt wurden). Was ich mir regelmäßig wünschen würde wäre Handelsblatt, da funktioniert es auch nie. FAZ habe ich tatsächlich wie Booty im Abo.

============

Randnotiz: Ich lebe für einen ganz kurzen Moment den Traum des akademisch-statistischen Taugenichts. Habe vor dem Ins-Bett-Gehen mein Stan-Modell angeworfen (sollte so 4.5 Stunden dauern), aber aus irgendeinem Grund hat er cores = 4 nicht genommen, deshalb rechnet er die Ketten nacheinander ab. Nach dem Aufwachen bin ich jetzt bei 75% der Vierten, d.h. ausmachen und neu anwerfen lohnt sich nicht mehr, aber weitermachen kann ich auch noch nicht. Was mache ich jetzt mit meiner Stunde Freizeit? :mond:
 
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Randnotiz: Ich lebe für einen ganz kurzen Moment den Traum des akademisch-statistischen Taugenichts. Habe vor dem Ins-Bett-Gehen mein Stan-Modell angeworfen (sollte so 4.5 Stunden dauern), aber aus irgendeinem Grund hat er cores = 4 nicht genommen, deshalb rechnet er die Ketten nacheinander ab. Nach dem Aufwachen bin ich jetzt bei 75% der Vierten, d.h. ausmachen und neu anwerfen lohnt sich nicht mehr, aber weitermachen kann ich auch noch nicht. Was mache ich jetzt mit meiner Stunde Freizeit? :mond:
Dich nach nem besseren Rechner umschauen. 4 cores im Jahr 2023 lol, tzui wäre stolz auf dich :deliver:

(mein Heimrechner hat auch nur 4, aber der Arbeitsrechner 14)
 

Gustavo

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Dich nach nem besseren Rechner umschauen. 4 cores im Jahr 2023 lol, tzui wäre stolz auf dich :deliver:

(mein Heimrechner hat auch nur 4, aber der Arbeitsrechner 14)

Lol, ich sitze an nem Ryzen 5900X. Die Zahl der Cores ist nicht das Problem, du kannst aber pro Chain nur einen Core nutzen. In meinem Fall halt: Denselben. :kotzerle:
 
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Danke für den Link … auch wenn ich den Podcast nicht mag … werde mal reinhören.

Nur kurz: Ich verstehe dich glaube ich, aber … so ein Brief vom Staatsanwalt sieht nicht aus wie Wurfpost. Wer das Ding einfach liegen lässt … sorry, aber das macht man auf, liest sich das durch und geht ggf. zum lokalen Heator. In so einem Brief steht meines Wissens auch eine Rechtsbehelfsbelehrung mit drin und der Einspruch muss nicht begründet sein.

Ich denke es ist nicht zu viel verlangt, dass man innerhalb von zwei Wochen "he Moment mal" sagt wenn man nicht einverstanden ist. Sobald man das getan hat gibt es eine Verhandlung usw. (sagt mein schnelles Wikipediawissen).
Also ich verstehe Dein Anliegen, aber ich glaube genau der Punkt taugt nicht wirklich zur Fundamentalkritik am Rechtsstaat.

(Disclaimer: Ich bin kein Jurist und habe grad keinen Nerv mir das anzulesen wenn ich ehrlich bin)
Das Statement "macht man" ist halt falsch, wenn viele Leute es eben nicht tun. Tatsächlich würden mich hier Zahlen sehr interessieren, da bleibt der Typ aus dem Interview leider immer sehr händewedelnd: "Es sind sehr viele!" 'Wie viele denn?' "Das kann man leider nicht wirklich sagen."
Ich glaube leider nicht, dass es dazu was Brauchbares gibt.

Zum normativen Aspekt: Imo einfach nein. Klar mag man sowas für sozial inkompetent halten - was es ja auch ist - oder einfach dumm. Aber ein Straftäter sollte schon aufgrund einer Straftat verurteilt werden - es nicht hinkriegen nen Brief zu beantworten, ist keine Straftat.

Um das mal mit ner Anekdote zu schmücken - vor der Story kannte ich Strafbefehle nur vom Hörensagen: Der jüngere Bruder einer guten Freundin von mir hatte genau damit mal ein Problem. Er hat es allerdings auf die Spitze getrieben, weil er nicht nur den Strafbefehl ignoriert hat, sondern auch die folgenden Aufforderungen zur Zahlung der Geldstrafe und zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe. Ergebnis war, dass er dann irgendwann am Bahnhof auf dem Weg zur Berufsschule von der Polizei einkassiert und in den nächsten Knast gebracht wurde.
Es verlief für ihn dann relativ glimpflich mit ein oder zwei Nächten im Bau. Aber er hatte noch das Glück ne Familie zu haben, die auf die Schnelle ein paar tausend Taler auftreiben und zur JVA bringen konnte, um ihn auszulösen.

Man macht es sich imo etwas einfach, wenn man hier sagt: Pech gehabt, wenn du es nicht hinkriegst. Ich kenne den Jungen halt, seit er ein Kleinkind ist, weil ich mit seiner großen Schwester auf der Schule war. Der war eigentlich ein aufgeweckter, lieber Bube, der es nicht grad einfach hatte: Schule war wegen Legasthenie und ADHS ein Krampf. Mutter alleinerziehend mit zwei Kindern. Nach Ehrenrunde hat er mit Ach und Krach den MSA geschafft. Auf einer technisch ausgerichteten Fachoberschule ist er gescheitert und war ein paar Jahre bei der Bundeswehr. Danach wollte er unbedingt zur Polizei, was aber nicht geklappt hat. Er ist dann in ein tiefes Loch gefallen, hat im Schichtdienst als Sicherheitsmann gearbeitet, getrunken, depressive Züge entwickelt, you name it.
Er ist definitiv nicht voll in die Gesellschaft integriert, wohnt mit Ende 20 weiterhin bei seiner Mutter, hat seit jeher massive Probleme Dinge auf die Reihe zu kriegen, hatte schon diversen Trouble, weil er sich um Kram nicht gekümmert, Fristen versäumt, Vorfälle (geklauten Perso, verlorenes Phone) nicht gemeldet hat usw. usf. Das zieht sich im Wesentlichen so durch sein gesamtes Leben.

Worauf ich hinaus will: Das ist imo viel eher ein Mensch, der Hilfe braucht, als Strafe verdient. Er hatte durchaus schon mehrmals Stress mit der Polizei, aber eher im Bagatellbereich bis zu dem Vorfall, der zur Verurteilung führte (Körperverletzung). Es kann natürlich gut sein, dass er im konkreten Fall seine Strafe verdient hat. Aber ein faires Verfahren, um genau das herauszufinden, gab es halt nicht.
Es ist jetzt auch nur der eine Fall, den ich zufällig relativ gut kenne. Ich sehe ihn als Beispiel dafür, dass Menschen, die sozial eher am unteren Ende kämpfen, viel eher die volle Härte des Gesetzes zu spüren kriegen, weil ihnen viel öfter die Ressourcen fehlen, sich zu wehren. Ich empfinde das als massive Ungerechtigkeit, weil wir imo zumindest alles Mögliche dafür tun sollten, dass der Rechtsstaat sich gegenüber allen Menschen gerecht verhält. Und wenn du es systematisch härter abkriegst, weil du eh schon unten bist, dann ist das das Gegenteil von Gerechtigkeit.
Es geht mir überhaupt nicht darum, Leute sachlich-inhaltlich mit Samthandschuhen anzufassen, sondern eher um die Strukturen drumherum: Wenn der Staat mit dem Strafrecht kommt und das für den Angeklagten empfindliche Folgen haben kann, dann sollte imo grundsätzlich ein Anspruch auf echtes rechtliches Gehör bestehen. Das heißt für mich mindestens mal, dass du einen eigenen Anwalt auf deiner Seite hast, der deine Interessen vertritt und dass der Fall auch wirklich vor Gericht landet, außer du entscheidest dich - nach anwaltlicher Beratung - explizit dagegen das anders zu regeln.
Das mit den Strafbefehlen ist aus ökonomischen Erwägungen ne feine Sache, aber wenn jemand auf sowas nicht reagiert, dann sollte die Sache imo auch vor Gericht landen. Schweigen ist kein Schuldeingeständnis. Das widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien imo in so eklatanter Weise, dass mir schleierhaft ist, wie diese Praxis sich halten konnte. Die traurige Wahrheit ist wohl: Es trifft halt nur die Leute, die nichts zu sagen haben und für die man sich auch politisch nicht interessiert.
 
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Und was willst Du dann mit den Leuten machen, die vor sich hingammeln, schwarz fahren und ihre Post ignorieren?
Wie willst Du denn da eine Gerichtsverhandlung ansetzen, wenn solche Leute ihre Termine nicht wahrnehmen?
Und warum muss der Staat dann eine Gerichtsverhandlung für eine Lapalie bezahlen?
Ist es nicht das kleinere Übel solche Leute ein paar Tage in den Bau zu stecken und dann ist es erledigt? Vor allem liegt der Ball dann halt bei den unzuverlässigen Leuten und es muss ihm keine Behörde hinterherrennen.

Ich finde die aktuelle Verfahrensweise nachvollziehbar.
 
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Ich fand den Vorschlag nicht ganz uninteressant und finde die Aufregung darüber ein wenig merkwürdig: Zahlt man nicht jetzt schon nen Zehner für den Krankenwagen dazu? Mir war so. Ich fände etwas skurril sich darüber so zu echauffieren, dass Leute, die selbst in die Notaufnahme kommen, mutmaßlich einen ähnlichen Betrag zahlen sollen - und das auch nur unter gewissen Bedingungen.

Tatsächlich ist laut dem, was ich von Ärzten im Freundeskreis höre, auch ein Problem, dass die kassenärztlichen Vereinigungen ihren Job nicht machen und ständig ohne hinreichenden Grund Leute an die Notaufnahme verweisen. Es kommen aber auch genug Leute unangemeldet selbst.

Dass das Problem mit überlasteten Notaufnahmen primär daher kommt, dass leute unnötig erscheinen und da eine geringe gebühr zur abschreckung irgendwie eine besserung hervorrufen würde ist meines wissens nach ein ziemliches gerücht. Irgendwer der meint was schlimmes zu haben auch wenn's nicht stimmt wird sich von einem 10er kaum abschrecken lassen. Außer er ist bettelarm. "Konnte mir die notaufnahme nicht leisten." will ich ungern auf deutschen Grabsteinen lesen, das dürfen die amis gerne für sich behalten.
 
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Ich kann Dir bestätigen, dass Notaufnahme am Wochenende die Hölle ist wenn man tatsächlich was hat. Die Quote an Jammerlappen ist vielleicht nicht so hoch wie es die Medien einen denken lassen, aber ich hab mal mit einer Augenentzündung 6h gewartet, um dann nach 3 Minuten mit einem Rezept für Cortisontropfen wieder draußen zu sein (Auge gereizt, tränt … alles was Augen erforderte war unmöglich).
Es sind wenige die den Betrieb mit sehr viel Diskutieren und Aufregen und "Ich will aber" extrem lange aufhalten. Ob die dann alle was relevantes hatten kann ich, weil es die Augenklinik war, nicht so richtig einschätzen. Was aber sehr deutlich wurde war, dass die Zeit die die Ärzte mit den Personen verbracht haben extrem unterschiedlich war, und dass die Bestandsaufnahme ebenfalls sehr schwierig war. "Hupsi, ich wusste gar nicht, dass ich meine KV-Karte mitbringen sollte, ne das ist jetzt ihr Problem, ich hole die jetzt nicht auch wenn man mir meinen Platz in der Warteschlange garantiert."
Einmal hat mir gereicht um meinen Menschenhass für Monate aufzufüllen.
 
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Wer mal versucht hat einen "konventionellen" Termin bei nem Arzt zu machen, sieht 2-3h Wartezeit bei nem Notarzt/Spital nicht mehr so dramatisch. Wenigstens wird man da am gleichen Tag angeschaut und wenns schlimm ist kriegt man direkt nen Folgetermin mit ner Wartezeit die dem Leiden entspricht.

Hatte da Vergnügen letzthin unds Fazit war, was will ich bei meinem Hausarzt, den ich in den letzten 20 Jahren eh nur 2-3 mal sah und vermutlich eh pensioniert ist.
 
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Weiß nicht. Bei meiner Hausärztin krieg ich eigentlich immer innerhalb einer Woche einen Termin im gewünschten Zeitfenster.
Ohne Termin dauert es halt ein bisschen. Aber wenn es sichtbar dringend ist kommt man da auch dran.
 

parats'

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Ich kann Dir bestätigen, dass Notaufnahme am Wochenende die Hölle ist wenn man tatsächlich was hat. Die Quote an Jammerlappen ist vielleicht nicht so hoch wie es die Medien einen denken lassen, aber ich hab mal mit einer Augenentzündung 6h gewartet, um dann nach 3 Minuten mit einem Rezept für Cortisontropfen wieder draußen zu sein (Auge gereizt, tränt … alles was Augen erforderte war unmöglich).
Gibt es bei euch keinen kassenärztlichen Notdienst? Im Normalfall wird einem dort deutlich schneller geholfen als in der Notaufnahme, die man erst mit abgetrennten Gliedmaßen im Eisbeutel betreten sollte, wenn man überhaupt einen Arzt sehen möchte.
 
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Dass das Problem mit überlasteten Notaufnahmen primär daher kommt, dass leute unnötig erscheinen und da eine geringe gebühr zur abschreckung irgendwie eine besserung hervorrufen würde ist meines wissens nach ein ziemliches gerücht. Irgendwer der meint was schlimmes zu haben auch wenn's nicht stimmt wird sich von einem 10er kaum abschrecken lassen. Außer er ist bettelarm. "Konnte mir die notaufnahme nicht leisten." will ich ungern auf deutschen Grabsteinen lesen, das dürfen die amis gerne für sich behalten.
Woher soll dieses Wissen denn kommen? Dass ein Zehner Eintritt allein das Problem löst, glaube ich auch nicht. Es könnte trotzdem ein nützlicher Nudge sein. Der Vorschlag war afaik auch, dass man nur zahlen muss, wenn man unangemeldet(!) einfach reinschneit.

Ein Problem ist ja die fehlende Steuerung. Es wäre viel besser, wenn es neben der 112 für echte Notfälle eine zentrale Anlaufstelle gäbe, die die Leute dann weiterverteilt. Mehr Praxen oder ambulante Zentren mit Notdienst wären dazu hilfreich. Im Zweifel wäre schon was gewonnen, wenn man die Leute gleichmäßiger auf die erreichbaren Notaufnahmen verteilt bekäme.
Mein Eindruck ist, dass sich einerseits entscheidende Player (z.B. Krankenhäuser vs. Kassenärzte) gegenseitig die Verantwortung zuschieben, während die Politik eh nicht so richtig weiß und andererseits alle irgendwie im Dunkeln tappen, weil es natürlich meistens nicht mal brauchbare Zahlen gibt, um das Problem zu fassen.
Behandeln muss man die Leute, bei denen es ne Tasse Tee und ein heimisches Bett nicht tun, ja eh irgendwann und irgendwo. Wir müssen also entweder die Patienten effizienter Verteilen (s.o.) oder das System besser ausstatten. Aus Effizienzgesichtspunkten ist es ja per se nicht mal verkehrt, wenn die Leute dafür zu einer zentralen Stelle kommen. Vielleicht müssen wir die Notaufnahmen auch einfach besser ausstatten und diese das Patientenaufkommen besser managen.


Und was willst Du dann mit den Leuten machen, die vor sich hingammeln, schwarz fahren und ihre Post ignorieren?
Wie willst Du denn da eine Gerichtsverhandlung ansetzen, wenn solche Leute ihre Termine nicht wahrnehmen?
Und warum muss der Staat dann eine Gerichtsverhandlung für eine Lapalie bezahlen?
Ist es nicht das kleinere Übel solche Leute ein paar Tage in den Bau zu stecken und dann ist es erledigt? Vor allem liegt der Ball dann halt bei den unzuverlässigen Leuten und es muss ihm keine Behörde hinterherrennen.

Ich finde die aktuelle Verfahrensweise nachvollziehbar.
Speziell Schwarzfahren kann man imo einfach aus dem StGB streichen. In der klassischen Konstellation (jemand hat sein 3-Euro-Ticket nicht gelöst) hat es da nichts verloren.
Wenn ein Angeklagter vor Gericht einfach nicht erscheint, wird das jedenfalls nicht per Default als Schuldeingeständnis gewertet. Wenn er nen Anwalt hat, kann der ihn auch in Abwesenheit verteidigen. Das bringt ihm nur den Nachteil, dass er nicht in eigener Sache als Zeuge auftreten kann.
Eine schnelle Gerichtsverhandlung dürfte oft weniger kosten als ein mehrwöchiger Gefängnisaufenthalt (150 bis 200 Euro pro Tag). Und wenn die Tat eine solche Lappalie ist, dann sollte man vielleicht darüber nachdenken das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, im Zweifel gegen Geldauflage. Ist immernoch fairer als wegen fehlendem Opt-out vorbestraft zu sein.
Hinterherrennen musst du den Leuten ja eh, spätestens wenn du sie einbuchten willst. Wenn die Polizei jemanden abholen und im Knast abliefern kann, dann könnten sie ihn auch bei Gericht vorbeibringen. Vielleicht wartet da direkt ein Anwalt auf ihn, wie man es aus amerikanischen Serien kennt.

Ne andere Sache, die in dem Podcast angesprochen wurde und mir persönlich gar nicht so bewusst war, ist, dass es im deutschen Strafrecht gar keine Prozesskostenhilfe gibt: Unabhängig von deiner finanziellen Lage musst du den Anwalt selbst bezahlen und kriegst die Kosten nur bei Freispruch erstattet. Finde ich auch ein Unding, weil es zu offensichtlicher Benachteiligung aufgrund materieller Verhältnisse führt.
 
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@saistaed zum konkreten Falle nochmal:

- mutmaßliche Körperverletzung
- reagiert nicht auf Vorladungen
- er wird daher von der Polizei geschnappt und ist zwei Nächte im Knast
- und das siehst du als Problem?

Was soll denn die Alternative sein? Man kann so jemandem ja nicht zuverlässig zu Termin X schnappen und zum Gerichtstermin bringen.

Auch hier muss man daran denken, dass es nicht nur arme Opfer des Systems gibt, sondern das tausende Kriminelle die Alternative ja ausnutzen würden. Es wäre ja jedem bekannt, dass du Vorladungen etc einfach ignorieren kannst. Wie soll dann das System funktionieren? Du musst für jeden einzelnen fucking Gerichtstermin alle Vorgeladenen einsammeln?
 

Gustavo

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Ich fände weiterhin die Lösung mit der Fußfessel gut.
 
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@saistaed zum konkreten Falle nochmal:

- mutmaßliche Körperverletzung
- reagiert nicht auf Vorladungen
- er wird daher von der Polizei geschnappt und ist zwei Nächte im Knast
- und das siehst du als Problem?

Was soll denn die Alternative sein? Man kann so jemandem ja nicht zuverlässig zu Termin X schnappen und zum Gerichtstermin bringen.

Auch hier muss man daran denken, dass es nicht nur arme Opfer des Systems gibt, sondern das tausende Kriminelle die Alternative ja ausnutzen würden. Es wäre ja jedem bekannt, dass du Vorladungen etc einfach ignorieren kannst. Wie soll dann das System funktionieren? Du musst für jeden einzelnen fucking Gerichtstermin alle Vorgeladenen einsammeln?
Ich hab die Antwort doch schon gegeben: Wenn jemand zum Gerichtstermin nicht erscheint, um sich selbst zu verteidigen, dann ist das letztlich sein Problem und er kann in Abwesenheit verurteilt werden.(*) Das ist aber nicht, was beim Strafbefehl passiert. Da wird das Nichterscheinen als Schuldeingeständnis ausgelegt, das afaik auch nicht nachträglich geheilt werden kann, wenn der Fehler auffällt.

Und ja, ich sehe es als gewaltiges Problem, wenn wir Leuten den Stempel "veurteilter Straftäter" aufdrücken und sie sogar ins Gefängnis bringen, ohne dass das ein Gericht festgestellt oder der Angeklagte darin eingewilligt hat, dass das nicht passiert. Du nicht?


Davon abgesehen ist es vom Rechtsstaat imo nicht zu viel verlangt, dass wenigstens jeder, bevor der Staat ihn einsperrt, einmal von einem Richter in Augenschein genommen wird, um zu sehen, mit wem man es da überhaupt zu tun hat, ob das angemessen ist usw.
Wenn sich herausstellt, dass bspw. nur massive Verplantheit das Problem war, dann reicht das ja vielleicht schon als Weckruf.

Ich halte es für völlig absurd hier mit Kosten zu argumentieren, da eine mehrwöchige Haft, um die es regelmäßig geht, den Staat tausende von Euros kostet - viel mehr als ein schneller Gerichtstermin. Und gleichzeitig sind die Gefängnisse so voll, dass selbst schwere Straftäter mit Fluchtgefahr wegen Platzmangels draußen bleiben müssen, wie neulich hier diskutiert. Absurd.
Davon abgesehen geht es hier um Grundprinzipien des Rechtsstaats. Die haben heilig zu sein und dafür muss dann auch das Geld da sein.

Wenn man einen Anwalt gestellt bekäme, könnte übrigens der darauf hinwirken, dass man vor Gericht erscheint oder einen wenigstens in Abwesenheit vertreten.
Es ist absolut zynisch, dass Leuten kein Anwalt gestellt wird mit dem Grund, dass ja keine Freiheitsstrafe drohe, und dann landen sie tatsächlich hinter Gittern, während viel schwerere Straftäter mit Bewährung davonkommen, weil unser Staat ja durchaus anerkennt, dass eine Freiheitsstrafe die ultima ratio sein sollte. So verhält er sich gegenüber vielen aber nicht. Das ist nicht gerecht.
 
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Gliedmaßen in Wasser im Beutel und diesen Beutel im Eisbeutel. Nur für den Fall der Fälle, nicht dass der Finger sonst unbrauchbar wird.
Halt stopp!
Das Amputat wird in ein sauberes, trockenes, möglichst steriles Tuch eingewickelt. Amputat und Tuch werden gemeinsam in einen ersten Plastikbeutel gegeben. Dieser wird verschlossen und in einen zweiten Beutel gegeben, in dem sich Wasser und Eis befinden. Die ideale Transporttemperatur liegt bei vier Grad Celsius. Besser sind spezielle Amputat-Beutel. Auf keinen Fall darf das Amputat direkten Kontakt zu Wasser und/oder Eis haben
Quelle: https://www.rettungsdienst.de/tipps-wissen/traumatologie-amputationsverletzungen-versorgen-47727
 
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@saistaed ok, wenn das als Schuldeingeständnis gewertet wird, finde ich es auch nicht in Ordnung. Kann ich mir aber fast nicht vorstellen, bspw bei einem Mord.

Insofern ja, ich fände dann Prozess in Abwesenheit, Verurteilung, und dann Verhaftung besser.

Problem ist aber, hast du dann irgendeine Wirkung bei Bewährung oder Geldstrafen, die nicht eingetrieben werden können? Das ganze geht dann ja am Täter völlig vorbei.

Insofern fände ich dann bei Abwesenheit eine Mindesthaftstrafe -und seien es nur 2 Nächte- nicht verkehrt, damit es ein klares Feedback an den verurteilten Täter gibt.
 
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Was heißt Schuldeingeständnis. Man ist halt rechtskräftig verurteilt, wenn man einen Strafbefehl erhält und nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegt. Das Ganze geht natürlich nicht bei schweren Straftaten, sondern nur bei Vergehen (maximal 1 Jahr Freiheitsstrafe).

Ich kenn mich jetzt natürlich auch nicht aus und will auch gar nicht bestreiten, dass das Verfahren in vielen Fällen sinnvoll ist. Ich sehe aber ein strukturelles Problem darin, dass gerade die Leute am unteren Ende der Gesellschaft mit schriftlichen Verfahren oft überfordert sein dürften, während das für Richter, Staatsanwälte und White-collar worker sowie deren Anwälte halt ein No-Brainer ist.

Natürlich bleibt das Problem, dass man Strafen irgendwie durchsetzen muss. Aber mal ehrlich: Fast jeder in Deutschland bezieht irgendwoher ein Einkommen, sei es ALG2. Da sollte es dem Staat möglich sein, eine Geldstrafe im Zweifel durchzusetzen, indem er was davon einkassiert. Da muss ich in den seltensten Fällen nicht die Polizei schicken und jemanden einbuchetn. Und wer überhaupt keine Einnahmen hat (im Wesentlichen Obdachlose?), bei dem ergeben Geldstrafen offensichtlich keinen Sinn. Ob man die Leute jetzt ersatzweise in Haft stecken muss, hängt für mich vom Vergehen ab. Wegen sowas wie Schwarzfahren sollte imo niemand im Gefängnis landen. Mein Gott, dann schlurfen diese elenden Gestalten halt weiterhin regelmäßig ohne gültiges Ticket durch die U-Bahn - big deal.
 
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Ich würde mich übrigens anbieten auch das Justizvollzugssystem so zu reformieren, dass ein Tag im Knast nicht mehr als 50 € kostet und eine deutlich höhere Abschreckungswirkung entfaltet, als es momentan der Fall ist.
Ich brauche nur ein bisschen Platz in Ostdeutschland, Stacheldraht und Schäferhunde. Ein Steinbruch wäre noch gut. :evil:

Mit dieser Aussicht ignoriert man dann auch seine Post nicht mehr so leicht.

Ob man die Leute jetzt ersatzweise in Haft stecken muss, hängt für mich vom Vergehen ab. Wegen sowas wie Schwarzfahren sollte imo niemand im Gefängnis landen. Mein Gott, dann schlurfen diese elenden Gestalten halt weiterhin regelmäßig ohne gültiges Ticket durch die U-Bahn - big deal.

Sehe ich komplett andersherum. Als ordentlicher Bürger und Steuerzahler bestehe ich darauf, dass Recht und Gesetz durchgesetzt werden.
Und wenn ein paar verstrahlte Leute 2 Nächte im Knast verbringen, weil sie ständig schwarz fahren - big deal.
Was ist denn daran schlimm Leute für kurze Zeiträume einzubuchten? Gar nichts! Ich fände es auch okay, wenn sie stattdessen ordentlich vermöbelt werden, aber ich vermute ein kurzes Einsperren ist den meisten dann wohl doch genehmer.
 
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Wenn man Schwarzfahren nicht bestrafen will, dann soll man bitte direkt den ÖPNV kostenlos machen. Und du kannst dir immer Beispiele für angebliche "Straftaten ohne Opfer" suchen, die man dann ignorieren könne. In deinem Beispiel ging es aber um Körperverletzung.
 

Celetuiw

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Ich würde mich übrigens anbieten auch das Justizvollzugssystem so zu reformieren, dass ein Tag im Knast nicht mehr als 50 € kostet und eine deutlich höhere Abschreckungswirkung entfaltet, als es momentan der Fall ist.
Ich brauche nur ein bisschen Platz in Ostdeutschland, Stacheldraht und Schäferhunde. Ein Steinbruch wäre noch gut. :evil:

Mit dieser Aussicht ignoriert man dann auch seine Post nicht mehr so leicht.



Sehe ich komplett andersherum. Als ordentlicher Bürger und Steuerzahler bestehe ich darauf, dass Recht und Gesetz durchgesetzt werden.
Und wenn ein paar verstrahlte Leute 2 Nächte im Knast verbringen, weil sie ständig schwarz fahren - big deal.
Was ist denn daran schlimm Leute für kurze Zeiträume einzubuchten? Gar nichts! Ich fände es auch okay, wenn sie stattdessen ordentlich vermöbelt werden, aber ich vermute ein kurzes Einsperren ist den meisten dann wohl doch genehmer.
Das Problem mit den eingeknasteten Schwarzfahrern ist, dass es überproportional einkommensschwache trifft, die sich das Ticket nicht leisten können.

Viele Verkehrsverbünde bieten z.b. Keine Sozialtickets an oder zum Preis, der den Anteil der Sozialhilfe für Mobilität übersteigt.

Wir alle benötigen als normale Bürger einen funktionierenden, bezahlbaren öpnv. Das Leute in Haft kommen weil das Ticket zu teuer ist, zeigt nur auf, dass es ein systemisches Problem bei der Finanzierung gibt. Soll man doch bitte das Dienstwagenprivileg kicken und damit querfinanzieren.
 
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Kann mir auch keine Luxusyacht leisten, darf ich die dann klauen?:troll:
Bin da aber prinzipiell bei saistaed, in einem Rechtsstaat sollte es kein Urteil ohne Gerichtsverhandlung geben. Wer seine Post nicht öffnet, wird halt in Abwesenheit verknackt.
 
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Wenn man Schwarzfahren nicht bestrafen will, dann soll man bitte direkt den ÖPNV kostenlos machen. Und du kannst dir immer Beispiele für angebliche "Straftaten ohne Opfer" suchen, die man dann ignorieren könne. In deinem Beispiel ging es aber um Körperverletzung.
Das sind ja auch völlig unabhängige Aspekte.

1. Strafe für Schwarzfahren
Ich hab nichts gegen kostenlosen ÖPNV. Aber das lenkt imo vom Thema ab. Es geht doch erstmal nur darum, Fahren ohne Ticket aus dem StGB zu streichen. Das entlastet die Strafjustiz und ist imo sachlich angemessen.
Das heißt nicht, dass man es gar nicht mehr sanktioniert. Es wäre dann nur noch eine Ordnungswidrigkeit und mit einem Bußgeld belegt. Wer ein Bußgeld nicht zahlen kann, gegen den wird Vollstreckt. Als Ultima Ratio gibt es noch die Erzwingungshaft, die aber keinen Sinn ergibt, wenn derjenige über keine Mittel verfügt, aus denen er zahlen könnte. Eine Ersatzfreiheitsstrafe gibt es für Ordnungswidrigkeiten afaik nicht. Das gilt letztlich immer, wenn man Geldforderungen wegen Zahlungsunfähigkeit nicht bedienen kann - außer wir wollten den Schuldturm wieder einführen.
Dein Einwand scheint jetzt darin zu bestehen, dass die Ordnungswidrigkeit dann in letzter Instanz für gewisse Leute doch straffrei bleibt.
Das ist wohl so, aber das ist auch jetzt schon der Status quo. Ich verstehe, ehrlich gesagt, das Unbehagen nicht so richtig. Es geht hier um die Ärmsten der Armen, um Leute, die wirklich nichts außer ihrem nackten Leben und ner Handvoll Habseligkeiten haben und ja, um opferlose Delikte.
Ich sehe hier keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, wenn man die vom Haken lässt. Wenn es um reine Kosmetik geht, soll man halt Null-Euro-Tickets an Obdachlose verteilen oder was auch immer.

2. Strafbefehl
Ganz anderer Fall. Körperverletzung sollte natürlich ein Fall für die Strafjustiz sein. Hier gehts mir darum, dass eine Verurteilung vom Strafgericht imo nicht ohne rechtliches Gehör möglich sein sollte. Und der Strafbefehl stellt dieses Gehör imo nicht in allen Fällen sicher. Schriftverkehr, noch dazu in Juristendeutsch, übersteigt einfach die Kompetenz vieler Leute. Es gibt Millionen funktionelle Analphabeten in Deutschland, dazu kommen kulturelle, soziale, psychische und sonstige Hürden. Das Juristenargument ist dann immer, dann müsse man sich halt Hilfe holen - als ob das voraussetzungsfrei möglich wäre.
Der Rechtsstaat ist hier für mich einfach in der Pflicht, die Leute da abzuholen, wo sie sind. Und wenn wir die Mittel haben, die Leute von der Polizei ins Gefängnis bringen zu lassen, dann sollten wir auch die Mittel haben, sie noch eben einem Richter vorzuführen - idealerweise ihnen dafür auch einen eigenen Anwalt zur Verfügung zu stellen.

Damit wären wir dann aber schon beim nächsten Punkt:

3. Pflichtverteidigung und Prozesskosten
Mir war, ehrlich gesagt, bis vor nicht so langer Zeit gar nicht bewusst, dass der aus amerikanischen Serien bekannte Grundsatz "wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen vom Gericht einer gestellt" in Deutschland nicht gilt. Genauso wenig war mir bewusst, dass für Strafprozesse ein Instrument wie die Prozesskostenhilfe völlig fehlt.
Ohne mir anmaßen zu wollen, dass ich hierfür die perfekte Lösung kenne, löst das in mir jedenfalls ein großes Unbehagen aus, weil es letztlich dafür sorgt, dass ohnehin Bessergestellte auch vor Gericht systematisch besser wegkommen. Und obwohl mir bewusst ist, dass sich das nie völlig vermeiden lassen wird, sind wir als Staat und Gesellschaft imo in der verdammten Pflicht, diesem Ideal wenigstens so nahe zu kommen, wie praktisch möglich ist. Und auf mich Laien macht es zumindest nicht den Eindruck, dass die Möglichkeiten dazu ausgereizt sind.

4. Vollstreckung von Geldstrafen
Mir ist auch ein wenig unklar, warum der deutsche Staat im 21. Jahrhundert nicht über die Mittel verfügt oder kein Interesse daran hat, Geldstrafen anders zu vollstrecken, als die Menschen ersatzweise einzusperren. Warum ist das so?
Ebenso wenig ist mir klar, warum für Verbrechen teils grundsätzlich Bewährungsstrafen verhängt werden, man verurteilte Straftäter also ganz bewusst aus dem Gefängnis raushält, während man für - warum auch immer - nicht bezahlte Geldstrafen wegen deutlich geringerer Vergehen direkt einsitzen soll.
Diese Asymmetrie erschließt sich mir überhaupt nicht.
 
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Celetuiw

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Bin da aber prinzipiell bei saistaed, in einem Rechtsstaat sollte es kein Urteil ohne Gerichtsverhandlung geben. Wer seine Post nicht öffnet, wird halt in Abwesenheit verknackt.
Der Vergleich hinkt halt.
 
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Das Problem mit den eingeknasteten Schwarzfahrern ist, dass es überproportional einkommensschwache trifft, die sich das Ticket nicht leisten können.

Viele Verkehrsverbünde bieten z.b. Keine Sozialtickets an oder zum Preis, der den Anteil der Sozialhilfe für Mobilität übersteigt.

Wir alle benötigen als normale Bürger einen funktionierenden, bezahlbaren öpnv. Das Leute in Haft kommen weil das Ticket zu teuer ist, zeigt nur auf, dass es ein systemisches Problem bei der Finanzierung gibt. Soll man doch bitte das Dienstwagenprivileg kicken und damit querfinanzieren.

Okay habe verstanden, wenn arme Leute sich was nicht leisten können, was ihnen zustehen sollte, dann soll der Diebstahl nicht geahnet werden.
Da kommen wir nicht zusammen, auf so einen lila-regenbogen-scheiß habe ich keinen Bock.

Um das "Problem", wenn es denn eins wäre, zu lösen gibt es eine Menge bessere Wege.

Und wenn ich schon höre "die armen Menschen die sonst nichts haben", dann weiß ich ja wo bei Leuten wie Dir die Reise hingeht. Arme Harzer können einfach nicht mehr bestraft werden, denn sie haben ja nichts. Wir ziehen uns eine asoziale Unterschicht heran, die für ihr Handeln keine Konsequenzen mehr tragen muss.
Das finde ich so falsch, wie es nur sein kann. Zurück zu meinem posting: Ab in den Bau für ein paar Tage. Das ist nun wirklich nicht das Ende der Welt.
 

Benrath

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Das lustige daran ist, dass das den dummen Steuerzahler viel mehr kostet als einfach zu akzeptieren dass gewisse Leute gibt die sich die Tickets nicht leisten können und bei denen es nichts zu holen gibt. Quasi jeder gemachte Vorschlag wie gratis sozial Ticket für Penner etc ist besser als der Status quo
 
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Da stimme ich Benrath zu. Ich seh da bei Gütern ohne nenneswerte Grenzkosten schon nen sehr klaren Case diese armen Menschen in der Gesellschaft kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Gibts halt zum Hartzgeld noch nen Ticket für die Öffis, das gilt dann halt nicht zu Hauptpendlerzeiten. Wäre doch kein Problem für niemanden.

So auch für Mobilfunkabos, Bankkonten, etc. Wenn der Bund da einmal bei den Unternehmen anklopft und nen minimalistisches gemeinsames Angebot für alle Hartzer abschliesst, wäre das doch ne tolle Sache.
 
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Wenn der Bund da einmal
Genau da liegt aber der Haken...denn wir haben ja unseren wunderschönen (:mond:) Föderalismus und so kann jeder sagen, dass soll doch wer anders zahlen. Der Bund möchte seine grandiose schwarze Null mehr oder weniger halten, die Kommunen sind gern eh schon überschuldet und die Länder wollen meist irgendwie auch nicht...und am Ende zahlt halt niemand oder eben nur mancherorts.
 
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Hartz4 Lifestyle ist für meinen Geschmack schon viel zu nah dran am "Wohlstand" den vollzeitarbeitende Arbeitnehmer in diesem Land genießen.
Bevor weitere Wohltaten wie kostenloser ÖPNV und Mobilfunk für dieses Klientel bereitgestellt werden, sollte erstmal wieder ein ordentlichter Abstand zur arbeitenden Bevölkerung hergestellt werden.
D.h. wären das Koalitionsgespräche würde ich jetzt anbieten: Ihr bekommt euren gratis ÖPNV, Bankkoten und Mobilfunk (what the fuck ist das für eine Idee?) für folgende Gegenleistungen:
- Anhebung der Freiverdienstgrenzen für geringe Einkommen
- Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für geringe Einkommen und diese beiden Einnahmeausfälle werden aus dem Sozialhaushalt gegenfinanziert. Besonders wichtig ist mir hierbei, dass Harzer Einkaufsgutscheine anstatt Bargeld bekommen und nicht mehr pauschal ihre gesamten Wohnkosten übernommen werden :deliver:

Ich will, dass die Leute ihr Leben selber in die Hand nehmen und ein wenig Wohlstand erwirtschaften können. Die Zeiten dafür sind gut, an jeder Ecke werden Arbeitskräfte gesucht und die soziale Hängematte soll entsprechend nicht verweilen einladen.
 
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ich wechsel ja demnächst in die tvöd riege im bereich katastrophenschutz und verfolge mit einigem amusement die verhandlungen, +10% mehr gehalt geht klar :rofl2:
 
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Hartz4 Lifestyle ist für meinen Geschmack schon viel zu nah dran am "Wohlstand" den vollzeitarbeitende Arbeitnehmer in diesem Land genießen.

...und die soziale Hängematte soll entsprechend nicht verweilen einladen.
Ich halte dein Anliegen im Grundsatz für richtig, nur:
Wer momentan wirklich so komplett am Harzen ist, ist für den Arbeitsmarkt gar nicht zu gebrauchen. Weder für Unternehmen noch für den ÖD. Das ist doch schon der Rest der Reste, um es mal derbe zu formulieren.
Ohne damit ausschließen zu wollen, dass man das ein oder andere System nicht verbessern könnte. So finde ich z.B., dass es für Kinder & Jugendliche aus H4-Familien, (die sich einen Scheiß kümmern,) so sein sollte, dass es kein direktes Geld für Klamotten, Mensaessen, Schulmaterial, Klassenfahrten & Ausflüge und den ganzen Kram geben sollte. Wird dann natürlich noch ein Verwaltungsposten oben drauf, aber hier könnte man auf Familien einwirken, bei denen die Kinder extrem vernachlässigt werden und das Geld nicht für die Kids verwendet wird.
Ansonsten habe ich in meiner nun über zehnjährigen Tätigkeit als Lehrkraft aber genug Eltern(teile) kennengelernt, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen, um von H4 ihr(e) Kind(er) durchbringen zu können. Ich würde behaupten, dass von denen niemand komplett das Arbeiten verweigert hat, die eigene Qualifikation aufgrund von Ende Gelände in Sachen Hirnmasse jedoch so niedrig war, dass es nur zu Aushilfsjobs gereicht hat.
 
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