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Israel mal wieder

GeckoVOD

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Man möge sich mal vorstellen wie die Welt ausgesehen hätte, wenn die Amerikaner mit einem Präsident Trump und einem Verteidigungsminister Hegseth einen Weltkrieg bestritten hätten.
Die Frage ist, was die Personen um und unter Trump machen würden. Trump ist kein Stalin oder Hitler, Hegseth (oder ein mir sonst bekannter Funktionär) kein Beria oder Göbbels/Göhring/Heydrich, der mit Mord und offenem Terror alles unterdrücken kann oder alternativ das soziopathische Talent und die Bürokraten hat, einen industriellen Holocaust umzusetzen. Man darf schon viel schwarz malen, aber bis zu einem dritten Reich oder Zeiten des roten Terrors ist es noch etwas [viel] hin. Hoffe ich inständig.

Auch wenn ich wie ein Mackia klinge, viel eher scheint mir, dass die Pappnasen in Angesicht eines größeren Konflikts zusammenklappen würden und sich gegenseitig umnieten, statt geordnet(er) an die Organisation zu gehen. Es sind unter'm Strich fadenscheinige Manager und sonstige Konsorten mit [monetärer] Machtgier, keine Hardliner mit einem Fetisch für's Militär, Reinrassigkeit oder einem sonstigen Fanatismus. Das macht sie keinen Deut moralisch besser, nur anders einzuschätzen.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Die Frage ist, was die Personen um und unter Trump machen würden. Trump ist kein Stalin oder Hitler, Hegseth (oder ein mir sonst bekannter Funktionär) kein Beria oder Göbbels/Göhring/Heydrich, der mit Mord und offenem Terror alles unterdrücken kann oder alternativ das soziopathische Talent und die Bürokraten hat, einen industriellen Holocaust umzusetzen. Man darf schon viel schwarz malen, aber bis zu einem dritten Reich oder Zeiten des roten Terrors ist es noch etwas [viel] hin. Hoffe ich inständig.

Auch wenn ich wie ein Mackia klinge, viel eher scheint mir, dass die Pappnasen in Angesicht eines größeren Konflikts zusammenklappen würden und sich gegenseitig umnieten, statt geordnet(er) an die Organisation zu gehen. Es sind unter'm Strich fadenscheinige Manager und sonstige Konsorten mit [monetärer] Machtgier, keine Hardliner mit einem Fetisch für's Militär, Reinrassigkeit oder einem sonstigen Fanatismus. Das macht sie keinen Deut moralisch besser, nur anders einzuschätzen.

Nur zur Klarstellung: Mein Punkt war jetzt nicht, dass Trump und Hegseth an der Seite der Nazis in den Zweiten Weltkrieg eingestiegen wären, überhaupt nicht. Der eigentliche Witz an der amerikanischen Beteiligung im Zweiten Weltkrieg war ja, dass die Nazis dachten sie hätten natürliche Verbündete in den Südstaaten weil sie dort auch eine Rassenhierarchie hatten, die denen der Nazis nicht unähnlich sah, nur halt mit Schwarzen am unteren Ende. Das war aber nie der Fall, der Süden war mindestens genauso an Bord gegen die Nazis zu kämpfen wie der Norden.
Mir ging es darum, wie sich eine Trump-Administration den Umgang mit dem besiegten Deutschland vorgestellt hätte.
 
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Dazu wollte ich mal Folgendes anmerken: Ich habe das Gefühl es gibt eine numerisch nicht wahnsinnig große, aber doch auch nicht zu vernachlässigende Zahl von Leuten, die den Konflikt durch die Brille von Antireligiosität betrachten. Hauptsächlich Leute, die selbst nicht religiös sind und die Religion insgesamt skeptisch bis feindselig gegenüber stehen, dem Islam im Besonderen weil er auf viele Arten die krassesten Ausprägungen dessen hervorbringt, was sie an Religion nicht mögen. Die Rückschrittlichkeit, die Feindseligkeit gegenüber Andersdenkenden, das reaktionäre Weltbild, die antirationale Haltung etc. Bill Maher ist für mich ein prominentes Beispiel, aber ich hatte hier im Thread häufig das Gefühl dass das bei dir auch ein bisschen so ist (korrigier mich, wenn ich bei dir persönlich falsch liege, aber das Phänomen selbst habe ich tatsächlich schon häufig beobachtet). Dagegen die Israelis: Sicher keine perfekte Nation, natürlich auch mit ihrem eigenen ultraorthodoxen Problem mit der Religion, aber insgesamt modern und "wie wir". Eine westliche Nation, nur halt nicht geografisch "im Westen" so wie Japan oder Australien. Im Zweifelsfall sind es eher die Israelis, auf deren Seite man steht.
Da ist schon einiges Wahres dran.
Es gibt ja auch objektive Gründe, den Erfolg einer säkularen Demokratie gegenüber einer islamistischen Autokratie zu bevorzugen.
Auch sehr humanitäre -- bspw. bzgl. des Schicksals von Menschen mit anderem Glauben oder anderer sexueller Orientierung als sich der Islam das so vorstellt.
Ich kann die Grundhaltung tatsächlich auch durchaus verstehen, insbesondere gegenüber Religion. Meine persönliche Haltung bzgl. gesamtgesellschaftlicher Probleme ist vielleicht eine andere, für mich ist sowas wie Religiosität halt ein real existierender Faktor mit dem man klarkommen muss auch wenn man ihn nicht gut findet, aber verstehen kann ich es schon gut. Aber was mir insbesondere bei diesem Konflikt immer auffällt dass der Fokus auf Religion ein bisschen zu kurz springt, weil Religion ja letztendlich (wie so häufig) gar nicht wirklich der entscheidende Faktor ist, sondern dass Religion zu Identität wird. Die *religiösen* Extremisten sind gar nicht die Faktion, die in Gaza am stärksten ist. Das heißt nicht dass die Hamas säkular wäre oder sowas, natürlich nicht. Aber für die Hamas ist die Identität als Muslime eine verbindende Identität und Abgrenzung zum Gegner die zugunsten ihres Extremismus aufgefahren wird, sie ist nicht primär was den Extremismus treibt.
Hier sehe ich es nicht schwarz-weiß.

Ich denke, dass die Religion schon eine wichtige Rolle darin spielt, welche Feindbilder man eher aufbauen und welche Verhaltensweisen man eher einfordern kann.
Bspw Stichwort Selbstmord-Terroristen.

Aber dass Religionen kein Monopol darauf haben, ein Potential zu Hass und Gewalt zu pflegen und aktivieren, das wissen wir ja gerade in Deutschland.

Was ich meistens erstaunlich unterbeleuchtet finde ist der Grad, in dem mittlerweile in Israel die Identitätspolitik bzgl. Religion ubiquitär ist. Es gibt praktisch keine politische Richtung mehr, die irgendeine Form von Universalismus als Ideal ausgibt. Es gibt nur noch "Juden müssen immer dies sein, Juden müssen immer das sein" (meistens "stark" oder "wehrhaft") von den jüdischen Parteien und, natürlich in viel kleinerem Maße, dasselbe für muslimische Israelis. Das Problem ist nicht bloßer Revanchismus, der hat sicher auch etwas damit zu tun aber das eigentliche Problem ist die Besatzung, die sich als permanenter Ausnahmezustand durch die Gesellschaft gefressen hat. Man sieht es in Umfragen mit dem bloßen Auge gut: Der Anspruch, Teil des Westens zu sein, der in der Gründergeneration (von denen fast alle Aschkenasim waren, die im Übrigen auch keineswegs immer einladend zu den Sephardim waren) vorherrschte, ist mittlerweile völlig auf dem Rückzug und wird ersetzt durch eine Identitätsdemokratie: Wie ein arabischer Politiker in Israel mal gesagt hat Israel als "jüdische Demokrate - demokratisch für die Juden, jüdisch für die israelischen Araber." Wir bewegen uns leider seit mehreren Jahrzehnten auf einen Zustand hin, in dem Israel alle Nichtjuden in der Region nur noch als NPCs sieht, deren Vorstellungen man nicht zu respektieren braucht, weil sie nicht stark sind. Ich gebe zu dass dieselbe Denkweise in Europa und den USA z.Z. auch auf dem Vormarsch ist, aber in Israel ist sie mittlerweile allgegenwärtig. Es ist kein Zufall dass du zwei Jahre nach dem 7. Oktober in Umfragen immer noch praktisch keinerlei Mitgefühl mit den Palästinensern siehst: In der israelischen Identitätspolitik kommen sie halt einfach nicht mehr als Subjekte vor, sie werden zu reinen Objekten degradiert.

Der Aspekt wird in meinen Augen vollständig ignoriert. Mittlerweile haben doch viele Leute gemerkt, dass die IDF nicht so besonnen vorgeht, wie sie es selbst darstellt. Aber für mich ist das eigentliche Problem nicht, dass die IDF überzieht, sondern dass es die israelische Gesellschaft schlicht nicht ignoriert. Die Israelis gestehen den Menschen in Gaza schlicht ein Vielfaches weniger an Menschlichkeit zu als etwa die Alliierten Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg oder die Amerikaner den Afghanen nach dem 11. September. Ich kann nur davor warnen so zu tun als sei das primär den Grausamkeiten des 7. Oktober geschuldet, das ist leider mittlerweile in der israelischen Bevölkerung angelegt. Die Regierung, die diese Kriegsführung zu verantworten hat, ist nicht durch den 7. Oktober an die Macht gekommen und es ist keineswegs sicher dass sie in den ersten freien Wahlen nach dem 7. Oktober abgewählt würde.
Ja, der 7. Oktober wird nicht auf einmal die israelische Gesellschaft von "alle voll bei der Menschenrechtscharta für jeden Palestinenser" auf das Gegenteil gepolt haben.
Einen disproportionalen Effekt kann ich mir schon vorstellen.
Bspw. dass viele in der Mitte dachten: "Ah, da hatten die doch recht", und die prinzipientreue Minderheit kein Gehör mehr findet.

Sonst wird es eher auf einem Spektrum passiert sein, wie du beschreibst als Resultat des jahrzehntelangen Zustands einer quasi-Dauerkrise, bei der sich heiße Kriege (wo man das klare Opfer ist), Terrorkampagnen (wo man wesentlich das Opfer ist) und "normaler Zustand" (wo man die Besatzungsmacht und oft Täter ist) die Klinke in die Hand gegeben haben.
 

Gustavo

Doppelspitze 2019
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Das ist genau was ich auf der letzten Seite meinte: Mitarbeiter einer Firma (im technischen Bereich), die mit dem ZDF zusammenarbeitet, wird von Luftschlag auf der Arbeit getötet. Dass der Luftschlag ihm galt: Völlig unklar, daneben wurde auch noch der achtjährige Sohn eines anderen Mitarbeiters getötet. Das ZDF beschwert sich bei der israelischen Regierung. Eine Weile später bekommen sie die Antwort "Typ war Hamas" ohne konkreten Beleg (zumindest keinen, den das ZDF vorlegen möchte), spricht von einem "Dokument". Darauf gibt es jetzt zig mögliche Antworten, die mir alle plausibel erscheinen:
- Ist es wirklich nachvollziehbar, der IDF ohne jede nachprüfbaren Beweis zu glauben, obwohl sie mittlerweile zigfach der Lüge überführt wurde?
- Ist es nachvollziehbar, dass die IDF nach zwei Jahre Krieg eine der letzten verbliebenen journalistischen Einrichtungen bombardiert, egal aus welchem Grund?
- Selbst wenn man glauben würde, dass der Typ bei der Hamas ist: Ist es nach zwei Jahren Krieg nachvollziehbar, ein in der Hierarchie der Hamas nicht identifizierbares Mitglied auf seiner Arbeit wegen der bloßen Mitgliedschaft zu exekutieren?
- Ist es nachvollziehbar, dass nach zwei Jahren Krieg immer noch Luftschläge gegen einzelne (vermeintliche) Hamas-Mitglieder in Zielen geflogen werden, in denen es so leicht zu Kollateralschäden kommen kann?

Die einzige Reaktion, die ich explizit nicht nachvollziehen kann: "Die IDF hat gesagt Hamas, also muss es stimmen. Es ist ein Skandal, dass das ZDF mit Firmen zusammenarbeitet, bei denen Hamas-Mitglieder arbeiten." Erstens weil man der IDF wirklich leichtgläubig vertraut, zweitens weil das ZDF keine Möglichkeit hat aus dem Gazastreifen zu berichten ohne mit lokalen Firmen zusammenzuarbeiten WEIL DIE ISRAELIS NIEMANDEN REINLASSEN, drittens weil es dem ZDF wohl absolut unmöglich sein dürfte eigenständig zu recherchieren, ob jeder einzelne Arbeitnehmer jedes einzelnen Auftragsunternehmens bei der Hamas ist. Trotzdem ist das exakt die Reaktion, die jetzt aus der Union kommt und ich frage mich schon warum. Selbst der dümmste Hund läuft dem Bällchen nicht dem siebten oder achten Mal hinterher, wenn man nur so tut als würde es werfen. Wissen diese Leute es wirklich nicht besser?
 
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Scorn4

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Du hast ja völlig Recht, aber der Hund ist hier woanders begraben.

Der Vorwurf "war Hamas" stimmt hier nicht einmal richtig, er hat nur für Hamas-Partner gearbeitet.
Wayne? So what?
Wenn wir uns jetzt erinnern, dass die Hamas in Gaza quasi die Regierung war und so wie die IRA in Irland einen nicht-bewaffneten, zivilen Apparat hatte, dann ist jeder, der z.B. als Zulieferer für die Gas-, Wasser-, Strom-, Lebensmittel- und medizinische Versorgung gearbeitet hat, ein Hamas-Partner, ganz automatisch.
Und wenn Palestine Media Production in Gaza gearbeitet hat, wird PMP dort nicht umhin gekommen sein, auch Hamas-Partner zu sein.
 

Gustavo

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Du hast ja völlig Recht, aber der Hund ist hier woanders begraben.

Der Vorwurf "war Hamas" stimmt hier nicht einmal richtig, er hat nur für Hamas-Partner gearbeitet.
Wayne? So what?


So ganz klar ist es mir auch nicht, aber auf Twitter sagen sie, dass Israel als "Beweis" einen Ausweis geschickt hat, der ihm irgendeine ähnlich gelagerte Tätigkeit wie die, die er für den ZDF-Partner erledigt hat, auch für die Qassam-Brigade gemacht hat (allerdings stimmt das Geburtsdatum nicht mit dem überein, was bisher berichtet wurde).

€dit:

G4ah2agWoAALhzd.jpg

:deliver:
 
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Gustavo

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Ich erinnere mich an eine Lanz-Sendung von vor einem Monat (!), da war Kiesewetter als Sicherheitsexperte der CDU und wurde danach gefragt ob Kriegsverbrechen durch israelische Soldaten vor israelischen Gerichten geahndet würden und er meinte ja, werden sie. Warum noch niemand verurteilt wurde: Israel ist halt ein Rechtsstaat, da dauern solche Verfahren eben. Keine Pointe.



tl;dr: Nach dem Angriff vom 7. Oktober hat Israel in der Wüste ein Gefängniscamp eingerichtet für die erwarteten Kriegsgefangenen. Die ganze Geschichte des Camps ist durchzogen von Vorwürfen bzgl. Verbrechen gegen die Häftlinge, aber ein Vorfall aus dem Sommer 2024 hat besonders hohe Wellen geschlagen, weil ein Video der Überwachungskamera veröffentlicht wurde, das zeigt wie Wärter mit Schilden einen Sichtschutz aufbauen. Was dahinter passiert sieht man nicht, aber man weiß dass der Häftling aus dem Video nach der sichtgeschützten Tat mit gebrochenen Rippen, einer Darmperforation und Analfissuren in ein Krankenhaus gebracht werden musste, mutmaßlich weil er mit einer Eisenstange vergewaltigt wurde. Das Video wurde vor ein paar Monaten geleakt, weshalb die Tat bekannt wurde. Vielleicht ist sie manchen noch in Erinnerung weil es nach der Verhaftung der mutmaßlichen Täter zu Randalen und dem Versuch der Erstürmung des Gefängnisses kam, in dem sie festgehalten wurden.

Letzte Woche wurde die Chefanklägerin der Militärjustiz beurlaubt, während die (zivile) Justiz ermittelt, wer das Video geleakt hat, damals wurde gemutmaßt weil es aus der Militärjustiz geleakt wurde. Am Wochenende hat die Frau ihren Rücktritt verkündet und bestätigt dass sie bzw. die Militärjustiz die Quelle des Leaks war. Kurz bevor sie von der Polizei befragt werden sollte hat ihre Familie einen Brief von ihr gefunden, der für sie wie ein Abschiedsbrief klang. Ein paar Stunden später wurde die Frau (unverletzt) am Strand gefunden, mittlerweile ist sie in Untersuchungshaft. Mehrere Politiker der Netanyahu-Regierung (und keineswegs lediglich der Rechtsextremen, sondern sehr wohl aus der Mitte des Likuds) haben den Leak als "blood libel"* bezeichnet, ohne in irgendeiner Form zu spezifizieren was daran "libel" (Verleumdung) sein soll; ein Sprecher des Likud hat auf Twitter die Verhaftung der (zivilen) Generalstaatsanwältin gefordert, welche nicht von der Netanyahu-Regierung eingesetzt wurde.

Der zweite Haaretz-Artikel ist voller Aussagen von Mitarbeitern der Militärjustiz, die sich darüber beklagen dass ihre ehemalige Chefin diverse Kriegsverbrechen nicht angeklagt sondern vertuscht hat. Bis auf die fünf Angeklagten (die übrigens mittlerweile alle bisweilen wieder auf freiem Fuß sind) ist der einzige Fall eines IDF-Mitglieds, das für irgendwas strafrechtlich belangt wurde (jenseits einer unehrenhaften Entlassung) ein weiterer Fall von Misshandlung von Gefangenen im selben Gefängnis, der zur sieben Monaten Haft geführt hat. Das ist der Zustand der israelischen Justiz aktuell.




*auf deutsch am ehesten die Ritualmordlegende
 
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Das ist genau was ich auf der letzten Seite meinte: Mitarbeiter einer Firma (im technischen Bereich), die mit dem ZDF zusammenarbeitet, wird von Luftschlag auf der Arbeit getötet. Dass der Luftschlag ihm galt: Völlig unklar, daneben wurde auch noch der achtjährige Sohn eines anderen Mitarbeiters getötet. Das ZDF beschwert sich bei der israelischen Regierung. Eine Weile später bekommen sie die Antwort "Typ war Hamas" ohne konkreten Beleg (zumindest keinen, den das ZDF vorlegen möchte), spricht von einem "Dokument". Darauf gibt es jetzt zig mögliche Antworten, die mir alle plausibel erscheinen:
- Ist es wirklich nachvollziehbar, der IDF ohne jede nachprüfbaren Beweis zu glauben, obwohl sie mittlerweile zigfach der Lüge überführt wurde?
- Ist es nachvollziehbar, dass die IDF nach zwei Jahre Krieg eine der letzten verbliebenen journalistischen Einrichtungen bombardiert, egal aus welchem Grund?
- Selbst wenn man glauben würde, dass der Typ bei der Hamas ist: Ist es nach zwei Jahren Krieg nachvollziehbar, ein in der Hierarchie der Hamas nicht identifizierbares Mitglied auf seiner Arbeit wegen der bloßen Mitgliedschaft zu exekutieren?
- Ist es nachvollziehbar, dass nach zwei Jahren Krieg immer noch Luftschläge gegen einzelne (vermeintliche) Hamas-Mitglieder in Zielen geflogen werden, in denen es so leicht zu Kollateralschäden kommen kann?

Die einzige Reaktion, die ich explizit nicht nachvollziehen kann: "Die IDF hat gesagt Hamas, also muss es stimmen. Es ist ein Skandal, dass das ZDF mit Firmen zusammenarbeitet, bei denen Hamas-Mitglieder arbeiten." Erstens weil man der IDF wirklich leichtgläubig vertraut, zweitens weil das ZDF keine Möglichkeit hat aus dem Gazastreifen zu berichten ohne mit lokalen Firmen zusammenzuarbeiten WEIL DIE ISRAELIS NIEMANDEN REINLASSEN, drittens weil es dem ZDF wohl absolut unmöglich sein dürfte eigenständig zu recherchieren, ob jeder einzelne Arbeitnehmer jedes einzelnen Auftragsunternehmens bei der Hamas ist. Trotzdem ist das exakt die Reaktion, die jetzt aus der Union kommt und ich frage mich schon warum. Selbst der dümmste Hund läuft dem Bällchen nicht dem siebten oder achten Mal hinterher, wenn man nur so tut als würde es werfen. Wissen diese Leute es wirklich nicht besser?

Den ganzen Fall, insb. die veränderte Berichterstattung durch das ZDF, hat ein Herr Küppersbach (wurde mir vorgeschlagen, ich habe keine Ahnung wer das ist und wofür er sonst steht, nur als Disclaimer) in diesem neunminütigen Video recht gut ausgebreitet:





tl;dr: Nach dem Angriff vom 7. Oktober hat Israel in der Wüste ein Gefängniscamp eingerichtet für die erwarteten Kriegsgefangenen. Die ganze Geschichte des Camps ist durchzogen von Vorwürfen bzgl. Verbrechen gegen die Häftlinge, aber ein Vorfall aus dem Sommer 2024 hat besonders hohe Wellen geschlagen, weil ein Video der Überwachungskamera veröffentlicht wurde, das zeigt wie Wärter mit Schilden einen Sichtschutz aufbauen. Was dahinter passiert sieht man nicht, aber man weiß dass der Häftling aus dem Video nach der sichtgeschützten Tat mit gebrochenen Rippen, einer Darmperforation und Analfissuren in ein Krankenhaus gebracht werden musste, mutmaßlich weil er mit einer Eisenstange vergewaltigt wurde. Das Video wurde vor ein paar Monaten geleakt, weshalb die Tat bekannt wurde. Vielleicht ist sie manchen noch in Erinnerung weil es nach der Verhaftung der mutmaßlichen Täter zu Randalen und dem Versuch der Erstürmung des Gefängnisses kam, in dem sie festgehalten wurden.

Letzte Woche wurde die Chefanklägerin der Militärjustiz beurlaubt, während die (zivile) Justiz ermittelt, wer das Video geleakt hat, damals wurde gemutmaßt weil es aus der Militärjustiz geleakt wurde. Am Wochenende hat die Frau ihren Rücktritt verkündet und bestätigt dass sie bzw. die Militärjustiz die Quelle des Leaks war. Kurz bevor sie von der Polizei befragt werden sollte hat ihre Familie einen Brief von ihr gefunden, der für sie wie ein Abschiedsbrief klang. Ein paar Stunden später wurde die Frau (unverletzt) am Strand gefunden, mittlerweile ist sie in Untersuchungshaft. Mehrere Politiker der Netanyahu-Regierung (und keineswegs lediglich der Rechtsextremen, sondern sehr wohl aus der Mitte des Likuds) haben den Leak als "blood libel"* bezeichnet, ohne in irgendeiner Form zu spezifizieren was daran "libel" (Verleumdung) sein soll; ein Sprecher des Likud hat auf Twitter die Verhaftung der (zivilen) Generalstaatsanwältin gefordert, welche nicht von der Netanyahu-Regierung eingesetzt wurde.

Der zweite Haaretz-Artikel ist voller Aussagen von Mitarbeitern der Militärjustiz, die sich darüber beklagen dass ihre ehemalige Chefin diverse Kriegsverbrechen nicht angeklagt sondern vertuscht hat. Bis auf die fünf Angeklagten (die übrigens mittlerweile alle bisweilen wieder auf freiem Fuß sind) ist der einzige Fall eines IDF-Mitglieds, das für irgendwas strafrechtlich belangt wurde (jenseits einer unehrenhaften Entlassung) ein weiterer Fall von Misshandlung von Gefangenen im selben Gefängnis, der zur sieben Monaten Haft geführt hat. Das ist der Zustand der israelischen Justiz aktuell.




*auf deutsch am ehesten die Ritualmordlegende

Davon hatte ich vorgestern oder so am Rande mitbekommen. Diese Gesellschaft, Regierung (und Opposition) sowie dessen Armee und Justiz bestätigen immer wieder aufs neueste die schlimmsten Anschuldigungen gegenüber diesem Land. Mask off sind sie seit 2 Jahren. Aber nach all diesen Verbrechen immer noch neue Tiefpunkte zu erreichen ist sagenhaft.
 

Gustavo

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Davon hatte ich vorgestern oder so am Rande mitbekommen. Diese Gesellschaft, Regierung (und Opposition) sowie dessen Armee und Justiz bestätigen immer wieder aufs neueste die schlimmsten Anschuldigungen gegenüber diesem Land. Mask off sind sie seit 2 Jahren. Aber nach all diesen Verbrechen immer noch neue Tiefpunkte zu erreichen ist sagenhaft.


Was ich an der israelischen Politik und den politischen Diskursen am beunruhigendsten finde ist die Tatsache, dass wir da in meinen Augen nochmal einen qualitativen Unterschied zu den USA unter Trump sehen. Bei den Republikanern als Partei gab es schon seit ich US-Politik verfolge die Autosuggestion, die Demokraten würden sie ungerecht behandeln und übervorteilen, was objektiv verrückt ist weil fast alle institutionellen Faktoren des Systems die Republikaner im Relation zu ihrer Popularität bei den Wählern besser stellen. Aber so richtig gezündet hatte das in der Wählerbasis nie, das waren immer eher Verschwörungstheorien für Figuren irgendwo am Rand der organisierten Partei.
Erst als Trump kam und angefangen hat einfach wild zu lügen hat sich das grundlegend geändert. Seit die Wahrheit praktisch komplett fakultativ ist kann man praktisch jede Maßnahme gegen den politischen Gegner rechtfertigen: Weil jetzt geglaubt wird die Demokraten würden genau dasselbe mit einem selbst machen (oder haben es vielleicht schon gemacht) ist jedes Mittel legitim. Und wenn man es erst mal gemacht hat muss man natürlich immer fürchten dass der Gegner es auch machen würde, also wird es von Grenzüberschreitung zu Grenzüberschreitung für einen selbst weniger akzeptabel, die politische Macht wieder abzugeben. Trumps Aufstieg hat der Rechten in den USA quasi ihr eigenes perpetuum mobile gebaut.

Dieser selbstverstärkende Effekt scheint in Israel überhaupt nicht mehr nötig zu sein. Früher (und in der Außendarstellung natürlich immer noch) wurde immer großen Wert darauf gelegt, Israel permanent als dauerhaft von allen Seiten bedroht darzustellen (was auch bis zu einem Grad stimmte). Aber so Leute wie Smotrich oder Ben-Gvir und zunehmend auch Netanyahu brauchen das innenpolitisch gar nicht mehr und machen es auch nicht mehr. Man muss *innenpolitisch* nicht mehr so tun als würde Israel seine "legitimen Sicherheitsinteressen" verfolgen. Dass es zwei unterschiedliche Sätze von Regeln gibt, einen für sich selbst und einen für den "Gegner", muss nicht mehr damit begründet werden was der Gegner angeblich tun würde, wenn er könnte. Es versteht sich mittlerweile einfach von selbst.
So perfide die Entwicklung unter Trump ist, kann die Behauptung, die dem Ganzen zugrunde liegt, selbst als Lüge enttarnt werden (die Frage ist dann, ob es genug Leute gibt die die Lüge als solche erkennen). Aber mir fällt im Grunde keine Möglichkeit ein, wie die Entwicklung in Israel zurückgedreht werden kann. Wenn man erst mal unterschiedliche Regeln für einen selbst und für den Gegner hat dann ist es ja nur konsequent, dass der Gegner anders (schlechter) behandelt wird. Wenn sich in einer Gesellschaft kein Mitgefühl einstellt, nachdem ein ganzer Landstrich zu Schutt und Asche gebombt wurde, was soll dann noch irgendeine Form von Einsicht auslösen und eine Umkehr dieser Entwicklung einleiten?
 
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