Israel mal wieder

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Die US-palästinensische Journalistin Shireen Abu Akleh wurde letzte Tage bei einer Berichterstattung für Al Jazeera von einem Scharfschützen erschossen wurde. Al Jazeera meint, die israelische Militär hätte die deutlich als Journalistin ausgewiesene Reporterin gezielt ermordet, während die israelische Regierung Palästinenser verantwortlich macht: angeblich habe ein Palästinenser mit einem Maschinengewehr írgendwo in der Nähe geschossen.

Das ist schon schlimm genug, doch bei der Beerdigung wurde die Trauerprozession von Polizei angegriffen und die unbewaffneten und wehrlosen Sargträger wurden mit Stöcken verprügelt.
Wir wissen natürlich nicht, was vorher passiert ist. Die Sargträger können natürlich auch kurz zuvor mit Stöcken die Polizei angegriffen haben, kann ja alles sein. sieht aber Scheisse aus. Offizielle Begrüdung ist, dass die Prozession verbotener Weise palästinensische Flaggen gehisst hat, bei der Beerdigung der Palästinenserin, die in Palästina ermordet wurde. Ist ja auch wahr, kann man ganz gut sehen die vielen Flaggen. Keiner von den Sargträgern hat aber eine. Die werden einfach so mitverprügelt. Ich kann kotzen.
 
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Na ja wenn da Palästina-Flaggen verboten sind und die ganze Beerdigung in eine Pro-Palästina Demo umgewandelt wird, dann gibt es eine Ansage der Polizei die Veranstaltung aufzulösen und danach hilft man nach.
Weiß nicht, worüber man sich da aufregen soll. Da unten passiert halt ständig Scheiße. Aber wie wäre es damit sich über die Demo-Trauergäste zu echauffieren?
 
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Twitter behauptet zb der Sarg wurde von Radikalen aus dem kh entführt, Steine seien geflogen.... Whoooo knows. Die Videos sehen trotzdem nicht gut für die Israelis aus. So wie immer eigentlich xD
 
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Ich dachte Multikulti ist großartig und Diversity is our strength :troll:

Den Landstrich einfach abwickeln, es gibt da nichts zu diskutieren. Der Konflikt schwelt seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten und es gibt keine Lösung, sodass es naiv wäre eine Partei abschließend als Opfer und eine als Täter zu klassifizieren. Je nach Demo sind die Palis gemeingefährliche Terroristen oder unterdrückte Bürger und die Israelis nur Menschen die sich verteidigen oder imperialistische Schlangen die einen Genozid durchführen.

Demnach haben natürlich alle Dreck am Stecken und solche Videos wie im Eingangspost überraschen mich null
 
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Na ja wenn da Palästina-Flaggen verboten sind und die ganze Beerdigung in eine Pro-Palästina Demo umgewandelt wird, dann gibt es eine Ansage der Polizei die Veranstaltung aufzulösen und danach hilft man nach.
Weiß nicht, worüber man sich da aufregen soll. Da unten passiert halt ständig Scheiße. Aber wie wäre es damit sich über die Demo-Trauergäste zu echauffieren?
Klar, dass lawful evil Argument: war halt verboten. Dass die Palästina-Flagge verboten ist, gehört womöglich mit zum Problem. Diese Journalistin war eine Gallionsfigur der Palästinenser. Selbstverständlich gehören da Palästinaflaggen auf deren Beerdigung.
 
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Auch für die, die einfach nur den Sarg tragen? So, dass der Sarg kippt? Warum?
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Na ja wenn da Palästina-Flaggen verboten sind und die ganze Beerdigung in eine Pro-Palästina Demo umgewandelt wird, dann gibt es eine Ansage der Polizei die Veranstaltung aufzulösen und danach hilft man nach.
Weiß nicht, worüber man sich da aufregen soll. Da unten passiert halt ständig Scheiße. Aber wie wäre es damit sich über die Demo-Trauergäste zu echauffieren?
Dieses. Die israelische Polizei und das Militär agieren im Gegensatz zu Palästinensern nicht willkürlich und unzivilisiert, wobei es natürlich immer Ausnahmen gibt, wie in Deutschland auch.

Israel ist aber ein Rechtsstaat, Palästina ein islamistisches Barbarenloch. Falls die Polizei Gesetze verletzt hat, steht jedem Palästinenser, die großteils israelische Staatsbürger mit absoluten gleichen Rechten wie alle anderen Israelis, der Rechtsweg offen. Aber die Barbaren werden als Antwort überraschenderweise wieder Zivilisten ermorden.
 
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Wie ist das eigentlich: die Palästinenser sind doch prinzipiell israelische Vollbürger mit gleichen Rechten. Aber die haben keinen Bock auf ein normales Leben, das ungefähr 100mal besser wäre als in allen Nachbarländern, wegen Ähre oder so? Und machen deshalb einen auf Krieg?

Natürlich kenne ich die Antwort
 

Gelöschtes Mitglied 137386

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Wie ist das eigentlich: die Palästinenser sind doch prinzipiell israelische Vollbürger mit gleichen Rechten. Aber die haben keinen Bock auf ein normales Leben, das ungefähr 100mal besser wäre als in allen Nachbarländern, wegen Ähre oder so? Und machen deshalb einen auf Krieg?

Natürlich kenne ich die Antwort
Ganz so ist es natürlich nicht, gut 20% der Israelis sind Araber, Palästineneser ist eine erfundene Trademark für Araber in Israel, das schon mal vor ab, weil einige immer noch denken Palästinenser wäre ein „Volk“. Zweitens sind aber die meisten israelischen Araber ganz normale Staatsbürger, nicht wenige dienen auch in der Armee und gehen ganz normal ihrem Alltag nach. Nur in den Paligebieten wohnen halt diejenigen, die nicht so Bock auf Demokratie und Rechtsstaat haben (und don’t get me wrong, es gibt genau solche Extremisten als Juden auch in den Siedlungsgebieten. Ganz Israel hasst sie, weil sie nur Stress machen, tausend Privilegien besitzen, keinen Dienst leisten und trotzdem den Arsch voll Geld bekommen) und mit breiter Mehrheit Islamisten wählen und lieber im Dreck leben als sich zu assimilieren. Bzw zu integrieren, niemand verbietet es arabischen Israelis arabisch zu sprechen oder Muslime zu sein. In der israelischen Armee gibt es selbstverständlich Halal
Essen, Gebetszeiten und Ramadan der Soldaten werden geachtet usw
 
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Barcelona cancelt seine Städtepartnerschaft mit Tel Aviv. Guter Kommentar dazu:
Ja, stimmt wohl.
Weil Russland so pöse ist, kaufen wir von denen kein Gas mehr und fragen stattdessen im Oman oder so nach. Und das Öl nehmen wir lieber aus Saudi-Arabien. Die sind nämlich liep.
Dass das nicht wasserdicht ist, sollte klar sein und wird afaik gar nicht behauptet.
Von der Liste da geht aber zumindest
kein anderes Land mit Militär gegen absichtlich in Armut gehaltene Minderheiten vor.
Abgesehen natürlich von der Türkei.
Side Note: die abgebrochene Städtepartnerschaft wird Tel Aviv höchstwahrscheinlich überleben.
 
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"geht kein anderes Land mit Militär gegen absichtlich in Armut gehaltene Minderheiten vor"

1. Genau, die Hamas in Gaza ist ganz harmlos und tut nichts gegen Juden und Homosexuelle. Vielleicht ist dir ja lieber, dass sie so krass drauf sind, dass keiner offen homosexuell ist, dann gibt es weniger Gewalt, gell?

2. Genau, der Iran geht nicht gegen Minderheiten vor. Alles Gerüchte mit Balutschistan, oder Homosexulen.

3. Genau, Russland ist noch nie militärisch gegen "Minderheiten" vorgegangen. Tschetschenien bspw. Und der Krieg in der Ukraine ist sowieso harmlos.

4. Palästinenser werden vor allem von der Hamas und Fatah in Armut gehalten.
 
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Warum ist dein GoTo-Move "Ja aber die Hamas!" zu rufen, wenn es doch um die Gewalt und Unterdrückung eines fremden Volkes auf seinem eigenen Land geht? Fast so, als würdest du das Thema gar nicht mögen.
Dass die moralisch Rosenpickerei nicht wasserdicht ist, gebe ich ja zu. Aber Russland führt Krieg und Israel unterdrückt ein fremdes Volk über Jahrzehnte NACH dem gewonnenen Krieg und hier werden Homosexuelle nicht geduldet sind alle scheiße, aber halt nicht in gleichem Maß.
 
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Häh? DU hast behauptet, von den ganzen Ländern der Partnerstädte von Barcelona ginge kein Land mit Gewalt gegen Minderheiten vor.

Ich habe aufgezeigt, was für eine unverfrorene Lüge das ist. Und die Hamas ist nur eines der Beispiele.

Und natürlich ist es viel besser, als muslimischer Araber in Israel zu leben, statt als offen Homosexueller in Gaza, Iran oder Russland.

Und wenn du Israel für schlimmer als Russland hältst, dann ist dein moralischer Kompass broken, aber so richtig.
 
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Israel ist eine Demokratie.
Russland nicht.

In Israel kann man offen homosexuell sein, ganz verschiedene Meinungen vertreten.
In Russland nicht.

Russland führt Angriffskriege.
Israel hat Verteidigungskriege geführt.

Russlands Soldaten vergewaltigen und rauben.
Israels nicht.

Russland greift ohne Provokation zivile Ziele an.
Israel greift nach Provokation militärische Ziele an und warnt Zivilisten vor.

Israel hat eine freie Presse.
Russland nicht.


Selbst wenn man negativ gegenüber Israel sein möchte, kann man die negativen Punkte beiden ankreiden:

Israel führt völkerrechtlich problematische Militärschläge im Ausland aus.
Russland auch.

Israels Polizei geht in den besetzten Gebieten öfter sehr rabiat vor.
Russland auch.

Israel hat problematische Tendenzen, Leute nach Religion anders zu behandeln.
Russland auch.
 
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Häh? DU hast behauptet, von den ganzen Ländern der Partnerstädte von Barcelona ginge kein Land mit Gewalt gegen Minderheiten vor.
Nein. So eine dumme Behauptung wäre ja unzweideutig falsch. Atme durch, schau nochmal nach. Viele Staaten auf der Liste sind nicht gerade *nett* und erinnern sofort an ganz offensichtliche Probleme. Mein Punkt war, dass Israel Minderheiten nicht nur drangsaliert, sondern als einziges Land von der Liste sein Militär dafür einsetzt.
Ich habe aufgezeigt, was für eine unverfrorene Lüge das ist. Und die Hamas ist nur eines der Beispiele.

Und natürlich ist es viel besser, als muslimischer Araber in Israel zu leben, statt als offen Homosexueller in Gaza, Iran oder Russland.

Und wenn du Israel für schlimmer als Russland hältst, dann ist dein moralischer Kompass broken, aber so richtig.
Ich verstehe nicht ganz, was Homosexuellenrechte hier und da in einem Gespräch über die Unterdrückung der Palästinenser zu tun haben. Das ist nicht nur Whataboutism, das ist Äpfel-und-Birnen-Whataboutism. Aber ich glaube, das Kernproblem liegt hier:
Und natürlich ist es viel besser, als muslimischer Araber in Israel zu leben, statt als offen Homosexueller in Gaza, Iran oder Russland.
Es geht bei dem Thema gar nicht um muslimische Araber, die in Israel leben. Wenn du dich daran aufhängst, sei beruhigt, darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass eine ausländische Bevölkerung auf ausländischem Territorium, das Israel nicht gehört, militärisch unterdrückt und in einem Freiluftgefängnis gehalten wird und das Land dieser Ausländer widerrechtlich und systematisch gestohlen wird. Das ist das Thema. Darum geht es. Nicht um Rechte für israelische Bürger, die Moslems oder Araber sind oder so.
Wenn du über rechte von Homosexuellen auf der Welt auch sprechen möchtest, nur zu, du hast Recht, die Dinge stehen schlecht und es gibt viel zu tun. So wie ist ist, sollte es nicht bleiben. Aber nutz die missliche Lage der Homosexuellen bitte nicht als Keule, um Israels jahrzehntelanges Vorgehen irgendwie in Schutz zu nehmen. So kommt das nämlich gerade rüber: "du darfst über die Behandlung der Palästinenser nicht sprechen, weil die Homosexuellen in Russland/Saudi-Arabien/..."
 

Gustavo

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Israel ist eine Demokratie.
Russland nicht.

Ich will gar nicht unbedingt widersprechen, das ist offensichtlich so. Die Frage ist halt wie lange noch.

Mal unabhängig von dieser Stadtfreundschaft: Kaum eine andere Demokratie hat eine so negative Entwicklung wie Israel genommen in den letzten 20 Jahren. Russland war nie eine funktionierende Demokratie und in der Türkei hat lange Zeit das Militär mehr oder weniger gegen den Willen der Bevölkerung die (keineswegs gut funktionierende) Demokratie garantiert. Ungarn und Polen sind auf demselben Weg, den Israel auch gerade geht, schon deutlich weiter (in kürzerer Zeit), hatten aber auch eine deutlich kürzere Geschichte funktionierender Demokratien. Alleine in der Zeit in der ich die israelische Politik miterlebt habe ist das jetzt bestimmt der vierte oder fünfte Zyklus, in dem ich höre "ja, die israelische Politik hat Probleme, aber das wird sich schon wieder einrenken" und jedes Mal renkt es sich nicht nur nicht ein, es wird schlimmer.

Ich würde generell schon sagen, dass meine Sympathien eher bei Israel liegen als bei seinen Gegnern, aber ich bin halt auch nicht bereit meine Bewertung komplett nach dem Maßstab "Ist Israel besser als seine Gegner in der Region?" auszurichten. Wenn absolut klar wäre dass eine funktionsfähige Demokratie unter den Gegebenheiten nicht zu machen ist, wäre es etwas anderes, aber wir wissen genau dass das geht, weil Israel genau das lange Zeit war. Umso weniger Israel diesem Bild entspricht, umso mehr sinkt Israel in meinem Ansehen. Ich finde es etwas erstaunlich, dass manche Leute so gar keinen moral hazard darin sehen, Israel bedingungslos zu unterstützen, nur weil es moralisch höhere Ansprüche an seine Politik hat als die Autokratien in der Nachbarschaft, als ob "Israel ist nicht perfekt, aber immerhin ist es besser als (hier Gegner Israels einsetzen)" der einzige vernünftige moralische Maßstab ist.
 
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@Gustavo faire Position. Und ich beobachte die Entwicklung der Demokratie und des Liberalismus in Israel auch mit Sorge.

Mein Optimismus zehrt aus der Substanz. Bildungsorientierung und Diversität sind weltführend. Das ist ein Pfund.

@Scorn4 man kann Israels Aktionen im Westjordanland kritisch sehen. Daraus aber pauschal zu machen "geht mit Militär Zivilisten vor" ist übertrieben und tendenziös. Und hat eben auch den historischen Hintergrund der arabischen Angriffskriege, des Terrorismus, der Haltung von Fatah und Hamas etc.
 

Gustavo

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@Gustavo faire Position. Und ich beobachte die Entwicklung der Demokratie und des Liberalismus in Israel auch mit Sorge.

Mein Optimismus zehrt aus der Substanz. Bildungsorientierung und Diversität sind weltführend. Das ist ein Pfund.

Mir ist nicht ganz klar, was "Bildungsorientierung" als Land bedeuten soll. In Russland gibt es auch eine "Bildungsorientierung", falls wir mit dem Begriff dasselbe meinen.
 
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Ich will gar nicht unbedingt widersprechen, das ist offensichtlich so. Die Frage ist halt wie lange noch.

Mal unabhängig von dieser Stadtfreundschaft: Kaum eine andere Demokratie hat eine so negative Entwicklung wie Israel genommen in den letzten 20 Jahren. Russland war nie eine funktionierende Demokratie und in der Türkei hat lange Zeit das Militär mehr oder weniger gegen den Willen der Bevölkerung die (keineswegs gut funktionierende) Demokratie garantiert. Ungarn und Polen sind auf demselben Weg, den Israel auch gerade geht, schon deutlich weiter (in kürzerer Zeit), hatten aber auch eine deutlich kürzere Geschichte funktionierender Demokratien. Alleine in der Zeit in der ich die israelische Politik miterlebt habe ist das jetzt bestimmt der vierte oder fünfte Zyklus, in dem ich höre "ja, die israelische Politik hat Probleme, aber das wird sich schon wieder einrenken" und jedes Mal renkt es sich nicht nur nicht ein, es wird schlimmer.

Ich würde generell schon sagen, dass meine Sympathien eher bei Israel liegen als bei seinen Gegnern, aber ich bin halt auch nicht bereit meine Bewertung komplett nach dem Maßstab "Ist Israel besser als seine Gegner in der Region?" auszurichten. Wenn absolut klar wäre dass eine funktionsfähige Demokratie unter den Gegebenheiten nicht zu machen ist, wäre es etwas anderes, aber wir wissen genau dass das geht, weil Israel genau das lange Zeit war. Umso weniger Israel diesem Bild entspricht, umso mehr sinkt Israel in meinem Ansehen. Ich finde es etwas erstaunlich, dass manche Leute so gar keinen moral hazard darin sehen, Israel bedingungslos zu unterstützen, nur weil es moralisch höhere Ansprüche an seine Politik hat als die Autokratien in der Nachbarschaft, als ob "Israel ist nicht perfekt, aber immerhin ist es besser als (hier Gegner Israels einsetzen)" der einzige vernünftige moralische Maßstab ist.

im Demokratieindex ist Israel Platz 29, immer noch meilenweit vorn Türkei oder Russland.

bei Wikipedia sind die Werte von 2006 bis 2022 (2006 ganz rechts)

1676136979274.png

Kannst du sagen, wie du auf deine Beurteilung kommst, dass es die letzten 20 Jahre eine negative Entwicklung gemacht hat?
 

Gustavo

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im Demokratieindex ist Israel Platz 29, immer noch meilenweit vorn Türkei oder Russland.

bei Wikipedia sind die Werte von 2006 bis 2022 (2006 ganz rechts)

Anhang anzeigen 7045

Kannst du sagen, wie du auf deine Beurteilung kommst, dass es die letzten 20 Jahre eine negative Entwicklung gemacht hat?

Ernst gemeinte Frage: Weißt du irgendwas über das politische System Israels? (es macht einen Unterschied dafür, wie ich auf die Frage antworte)
 
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außer dass deren Parlament Knesset heißt und Netanjahu wieder gewonnen hat oder so nicht wirklich.

Und kann man keine Tendenzen vom Demokratieindex ableiten?
 

Gustavo

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außer dass deren Parlament Knesset heißt und Netanjahu wieder gewonnen hat oder so nicht wirklich.

Und kann man keine Tendenzen vom Demokratieindex ableiten?

Doch, generell kann man schon eine Tendenz an diesen Indices (der ist mir am wenigsten geläufig, aber Freedom House und V-DEM kenne ich ganz gut) ablesen. Die Probleme von Israel bilden sie allerdings nicht wirklich gut ab, weder was die politische Komponente angeht noch was die Bürgerrechtskomponente angeht. Die Bürgerrechte von Staatsbürgern (!) sind in Israel gut geschützt, auch für Minderheiten. Gibt zwar Parteien die das gerne ändern würden, aber bisher (!) stand da eine starke Judikative in Form des Supreme Court im Weg, die sowas direkt im Keim erstickt hat. In Israel ist das Problem aber nicht unbedingt, dass die nicht-jüdischen Staatsbürger keine Rechte hätten, sondern dass man diese seltsamen irgendwie extraterritorialen, aber irgendwie (und zunehmend) auch (immer mehr) unter israelischer Kontrolle stehende Minderheiten hat, deren Rechte extrem eingeschränkt werden. Wobei das eher die Symptome dessen sind, was ich meinte, nicht die Ursache.

Politisch ist Israel langsam an einem Kipppunkt angekommen, an dem es einfach nicht mehr genug Wähler gibt, für die der höchste Wert die Demokratie ist und zu viele, für die das stattdessen die Religion ist. Momentan hat man vllt. noch 1/3 Leute, die halbwegs normale Parteien der Mitte wählen, die Likud, die sich entscheiden muss, und dann ganz viele rechte (orthodoxe) Spinner und ein paar Araber, die politisch völlig außen vor sind. Israel hat in den letzten fünf Jahren fünf Mal gewählt, weil es keine stabile Regierung ohne Likud mehr zustande bekommt, d.h. effektiv führt kein Weg mehr an der Likud vorbei. Bisher musste Likud immer Kompromisse machen und mindestens noch eine Mitte-Partei ins Boot holen, weil es sonst für eine Mehrheit nicht gereicht hätte. Das hat die ganze Scheiße gebremst, die in so einen Index negativ einfließen würde. Aber im Hintergrund wurde die Zahl der Demokratie-Wähler halt immer kleiner und die Zahl der Religion-Wähler immer größer und dieses Mal hat es das erste Mal für eine rein rechte Koalition gereicht. Die wollen keinen unabhängigen Supreme Court mehr, die wollen auch kein Staatsfernsehen und machen nicht mal Anstalten, eine Zwei-Staaten-Lösung zu wollen oder sich um die diplomatische Anerkennung von irgendwem außer den Republikanern in den USA noch zu scheren. Mittlerweile zeigen die Umfragen, dass die meisten Likud-Wähler mit der neuen Regierung zufrieden sind, obwohl nachweislich extreme religiöse Spinner auf den wichtigsten Ämtern sitzen und die Justiz in ihrer Freiheit beschnitten werden soll wie in Ungarn. Freie Wahlen können sich diese Leute trotzdem leisten, einfach weil die Demografie mit jedem Jahr ungünstiger für die verbliebenen Demokratie-Anhänger wird. So einen Absturz gab es in Russland und der Türkei nicht, weil die nie auch nur entfernt das Ausgangsniveau erreicht haben, wie es Israel lange hatte und vllt. auch noch bis in die 90er beibehielt.
Nur als ein Beispiel unter Tausenden: In den 80ern gab es eine Partei, deren Programm auf extremistischem Gedankengut und Rassismus gegenüber Arabern basierte, Kach. Das beste Ergebnis hat sie 1984 eingefahren (mit einem Sitz von 120), danach wurde sie verboten und später wegen ihres Programms aufgelöst. Die Partei, die sich heute als geistigen Nachfolger versteht, hat heute sechs Sitze, ist in der Regierung und ihr Vorsitzender ist Minister für nationale Sicherheit. Und es ist nicht mal so ganz klar, ob das die schlimmsten Hardliner in der neuen Regierung sind.
 
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Hast du ne robuste Einschätzung, wie es "um die Demokratie" insgesamt so steht? Also in der Reihenfolge: Deutschland, Europa, Westen, Welt?

Hintergrund: Wurde neulich in eine Diskussion über den Zustand der Demokratie verwickelt und war etwas überrascht, dass offenbar wenigstens in Teilen der Politikwissenschaft der Topos der Entdemokratisierung/Postdemokratie relativ stark ist, um nicht zu sagen: mit einer gewissen Chuzpe als Fakt proklamiert wird - stimmt das überhaupt oder ist das fringe?
Es fielen so Namen wie Colin Crouch und Wolfgang Streeck.

Da ich in sowas nicht drinstecke, würd mich deine Einschätzung interessieren. eure Einschätzung interessieren, liebe Forengemeinde. :ugly:

(Hart off-topic, I know, im Bedarfsfall bitte splitten.)
 

Gustavo

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Hast du ne robuste Einschätzung, wie es "um die Demokratie" insgesamt so steht? Also in der Reihenfolge: Deutschland, Europa, Westen, Welt?

Hintergrund: Wurde neulich in eine Diskussion über den Zustand der Demokratie verwickelt und war etwas überrascht, dass offenbar wenigstens in Teilen der Politikwissenschaft der Topos der Entdemokratisierung/Postdemokratie relativ stark ist, um nicht zu sagen: mit einer gewissen Chuzpe als Fakt proklamiert wird - stimmt das überhaupt oder ist das fringe?
Es fielen so Namen wie Colin Crouch und Wolfgang Streeck.


Crouch und Streeck sind imho bis zu einem gewissen Grad Ideologen, die immer einen extrem weiten Demokratiebegriff anlegen, der viele ökonomische Zusammenhänge mit einschließt. Denen geht es gegen den Strich, dass sich ökonomisch der Trend in die gegenläufige Richtung entwickelt, dass immer mehr wirtschaftlichen Themengebiete aufgrund von globaler Verflechtung dem politischen Zugriff bis zu einem gewissen Grad entzogen werden, auch Teile die man früher noch politisch regulieren konnte. Die These ist imho nicht ganz von der Hand zu weisen, aber das ist für mich nicht was den Kern von Demokratie ausmacht, insofern sehe ich das gelassener. Man muss auch sagen dass die Theorie von der Postdemokratie aus der Hochzeit der neoliberalen Hegemonie im wirtschaftspolitischen Diskurs stammt, da wurde vieles heißer gekocht als es letztendlich gegessen wurde. Würde ich eher als Meinung als als Wissenschaft bezeichnen.

Bzgl. "der Demokratie" generell: Weites Feld. Das Problem ist so ein bisschen, dass da viel durcheinander geworfen wird. Einerseits gibt es die Indices, die eine Mischung aus "harten" (quantifizierbaren) Faktoren und Experteneinschätzungen sind und die Institutionen (im weitesten Sinne) betreffenund andererseits die Einstellungsforschung. Bei der Einstellungsforschung gab es in der letzten Dekade ein bisschen Alarmismus, aber letztendlich kann man glaube ich sagen, dass sich an der geäußerten Meinung zur Demokratie nicht SO viel getan hat. Generell nimmt die Zustimmung zur Demokratie in etablierten Demokratien nicht ab. Es ist aber wohl so, dass Teile der Gesellschaften sich auch "illiberale" Demokratiemodelle vorstellen können. Woran das liegt ist umstritten; manche Leute befürworten ökonomsiche Erklärungsansätze, andere gesellschaftspolitische.
Es ist wohl generell schwieriger, durch ökonomische Performanz neue Zustimmung zur Demokratie zu generieren, weil Wohlstandsgewinne heute ungleicher anfallen und durch Demokratien schwerer umzuverteilen sind als noch vor ein paar Jahrzehnten. Das wäre der ökonomische. Andere stellen auf den "Wertewandel" ab, der Teilen der Gesellschaft zu schnell geht und zu backlash führt, das wäre der gesellschaftspolitische. Ob die beiden überhaupt so klar zu trennen sind und nicht doch irgendeine konvexe Kombination der beiden als Erklärungsansatz am realistischsten ist, finde ich nicht ganz klar. Meine persönliche Vermutung ist, dass der ökonomische Erklärungsansatz dem gesellschaftspolitischen im Grunde genommen vor geht und die Angst vor Veränderungen häufig ein Ausdruck ökonomischer Verunsicherung ist.

Was die Institutionen angeht kann man afaik ganz gut trennen. Es gibt keinen "globalen" Trend bzgl. der Demokratien. Wenn man den Indices glaubt gab es in den letzten Dekade mehr backsliding als demokratische Fortschritte, aber es gibt in allen Regionen sowohl demokratischen Fortschritt als auch demokratischen Rückbau. Allerdings hat gerade ein neues Paper von Anne Meng und Andrew Little gezeigt, dass dieser Trend wohl hauptsächlich durch die subjektiven Experteneinschätzungen getrieben wird, nicht die quantifizierbaren Faktoren. Allerdings ist es natürlich ein bisschen irreführend, die Werte nicht nach Bevölkerung zu gewichten, weil gerade in den extrem großen Demokratien (Indien ist wohl der schlimmste Fall und hatte ich in meinem ersten Post vergessen, Brasilien, aber auch die USA) backsliding zu beobachten war. Lange Zeit galt das Diktum von Przeworski als ziemlich sicher, dass man ab einer gewissen wirtschaftlichen Entwicklung (ca. $6000 in 1985 PPP) kein Backsliding mehr zu erwarten ist, das würde heute wohl kaum noch jemand so sagen.
Im Schnitt würde ich sagen:
- Deutschland: Alles komplett in Ordnung.
- Europa: Alles (noch) in Ordnung, Fortschritte und Rückschritte halten sich die Waage. Frankreich ist etwas besorgniserregend.
- Westen: In den anglophonen Ländern machen die konservativen Parteien teilweise schon problematische Entwicklungen gerade, unklar ob das irgendwann durch die Bevölkerungen abgewürgt wird oder nicht. In Südamerika sieht man dasselbe Muster wie seit Jahrzehnten, dass sich Fortschritte und Rückschritte in Wellen bewegen, in den ostasiatischen Demokratien läuft es okay.
- Global: Kein einheitlicher Trend. Mehr Rückschritte als Fortschritte, aber es gibt beides. Autokratien sehen aus als Sitzen sie fester im Sattel als vor sagen wir 15 Jahren.
 
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schlaefers Link gibt da schon einen guten Eindruck, obwohl so eine oberflächliche Zahl oder die Methode, mit der die konkrete Zahl ermittelt wird, durchaus diskutabel ist. Hie rmal ein Überblick über die groben kategorien vor 17 Jahren vs jetzt:
2006/2022 Full: 26/24
2006/2022 Flawed: 53/48
2006/2022 Hybrid: 57/57
2006/2022 Authoritarian: 31/38

In den Zahlen ist Bewegung drin, aber einen krassen Trend sehe ich nicht. Ich liste mal die deutlichen Verlierer (>0,8) zuerst und die deutlichen Gewinner (>0,8) danach.

Verlierer: 38
Hier gibt es afaik folgende Kategorien:
1. failing states, vor allem in Latein/Südamerika. Teilweise gibt es dazu Hausgemachte Probleme (Venezuela), teilweise sind das einfach Staaten ohne Chance (Haiti)
2. Staaten im Krieg (Ukraine)
3. Staaten im Bürgerkrieg (Mali, Yemen, etc.)
4. Regime, die ihre demokratisch gewonnene Macht durch autoritäre Maßnahmen festigen (Türkei, Ungarn)
5. autoritäre Regime, die sich gegen Sturzversuche wehren (Weißrussland)
6. gestürtze Demokratien (evtl. Myanmar)
7. harte politische Klassenkämpfe (Brasilien, Bolivien)

wirkliche Antidemokratische Trends lassen sich da an Kategorie 4, 6 und 7 ablesen. Das sind allerdings nicht die Mehrheit der Verlierer im Demokratieindex. Ich habe das hier mal aufgeschlüsselt:
Niger +0,29 (bzw. -0,89 seit 2013; Putsch und Machtkämpfe nach Sturz des Diktators)
Lybian +0,22 (bzw. - 3,09 seit 2010; Machtkämpfe nach Sturz des Diktators)
Kirgistan -0,48 (bzw -1,49 seit 2018; krasser autoritärer Swing der Regierung)
Burkina Faso -0,64 (bzw. -1,67 seit 2018; Machtkämpfe nach Sturz des Diktators)
Kamerun -0,71(honorable mention)
Hong Kong -075 (honorable mention)
Jordanien -0,75 (honorable mention)
Bosnien -0,78 (honorable mention)
Südafrika -0,86 (autoritärer Swing der Regierung)
Kuba -0,87 (autoritärer Swing der Regierung)
Irak -0,88 (ethnische/religiöse Konflike, ISIS, regime change durch US Invasion)
Ungarn -0,89 (autoritärer Swing der Regierung)
Ägypten -0,97 (Revolution und autoritärer Backlash)
Syrien -0,97 (Von Diktatur über Bürgerkrieg zu Stellvertreterkrieg)
Iran -0,97 (autoritärer Swing der Regierung)
Bahrain -1,01 (autoritärer Swing der Regierung)
Jemen -1,03 (Bürgerkrieg)
Maynmar -1,03 (bzw. -3,46 nach Militärputsch)
China -1,03 (bzw. -1,48 seit 2018; autoritärer Swing der Regierung)
Honduras -1,1 (Failing State)
El Salvador -1,16 (Failing State)
De. Rep. Kongo -1,28 (failed state)
Türkei -1,35 (autoritärer Swing der Regierung)
Weißrussland -1,35 (autoritärer Swing der Regierung nach gescheiterter Revolution)
Haiti -1,38 (Failing State)
Guatemala -1,39 (Failing State)
Mexiko -1,42 (Failing State)
Bolivien -1,47 (politischer Klassenkampf)
Ukraine -1,52 (Krieg)
Äthiopien -1,55 (ethnische Konflikte und Bürgerkrieg)
Kambodscha -1,59 (krasser autoritärer Swing der Regierung seit 2017)
Mozambique -1,77 (fortgesetzter autoritärer Swing der Regierung)
Benin -1,88 (krasser autoritärer Swing der Regierung)
Palästina -2,15 (Israelisierung)
Libanon -2,18 (Nachbar von Syrien, wo ein Bürgerkrieg mit u.a. Jihadisten herrscht)
Burundi -2,38 (ethnische Konflikte, Putschversuche und Verfassungsbrüche)
Russland -2,74 (krasser autoritärer Swing der Regierung)
Afghanistan -2,74 (Sieg der Taliban)
Mali -2,76 (ethnische Gewalt, Bürgerkrieg und Jihadisten seit Militärputsch)
Nicaragua -3,18 (krasser autoritärer Swing der Regierung)
Venezuela -3,19 (krasser autoritärer Swing der Regierung)


Gewinner: 22

Nicht alle Gewinner sind jetzt Staaten, in denen es jetzt besonders toll ist. Überrascht haben mich allerdings viele Gewinner in Asien und Afrika, die ich so gar nicht auf dem Schirm.
Madagaskar -0,12 (bzw. +1,77 seit 2010)
Fiji -0,11 (bzw. +1,96 seit 2011)
Gambia +0,08 (bzw. +1,56 seit 2014)
Nigeria +0,7 (honorable mention)
Kuwait +0,74 (honorable mention)
Elfenbeinküste +0,84
Qatar +0,87
Mauretanien +0,91
Malawi +0,94
Uruguay +0,95
Thailand +1
Nepal +1,07 (bzw. -0,73 seit 2020; ethnische Konflikte nach Demokratisierung)
Ghana +1,08
Marokko +1,14
Taiwan +1,17
Togo +1,24
Malaysia +1,32
Sierra Leone +1,46
Armenien +1,48 (dürfte sich bald wieder ändern wg. Krieg mit Azerbaidjan)
Angola +1,55 (Sturz der völlig korrupten Regierung durch eine mittelkorrupte Regierung)
Tunesien +2,45 (bzw. -1,08 seit 2020; autoritärer Backlash nach Revolution)
Bhutan +2,98 (Demokratisierung 2007/8)
 
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Doch, generell kann man schon eine Tendenz an diesen Indices (der ist mir am wenigsten geläufig, aber Freedom House und V-DEM kenne ich ganz gut) ablesen. Die Probleme von Israel bilden sie allerdings nicht wirklich gut ab, weder was die politische Komponente angeht noch was die Bürgerrechtskomponente angeht. Die Bürgerrechte von Staatsbürgern (!) sind in Israel gut geschützt, auch für Minderheiten. Gibt zwar Parteien die das gerne ändern würden, aber bisher (!) stand da eine starke Judikative in Form des Supreme Court im Weg, die sowas direkt im Keim erstickt hat. In Israel ist das Problem aber nicht unbedingt, dass die nicht-jüdischen Staatsbürger keine Rechte hätten, sondern dass man diese seltsamen irgendwie extraterritorialen, aber irgendwie (und zunehmend) auch (immer mehr) unter israelischer Kontrolle stehende Minderheiten hat, deren Rechte extrem eingeschränkt werden. Wobei das eher die Symptome dessen sind, was ich meinte, nicht die Ursache.

Politisch ist Israel langsam an einem Kipppunkt angekommen, an dem es einfach nicht mehr genug Wähler gibt, für die der höchste Wert die Demokratie ist und zu viele, für die das stattdessen die Religion ist. Momentan hat man vllt. noch 1/3 Leute, die halbwegs normale Parteien der Mitte wählen, die Likud, die sich entscheiden muss, und dann ganz viele rechte (orthodoxe) Spinner und ein paar Araber, die politisch völlig außen vor sind. Israel hat in den letzten fünf Jahren fünf Mal gewählt, weil es keine stabile Regierung ohne Likud mehr zustande bekommt, d.h. effektiv führt kein Weg mehr an der Likud vorbei. Bisher musste Likud immer Kompromisse machen und mindestens noch eine Mitte-Partei ins Boot holen, weil es sonst für eine Mehrheit nicht gereicht hätte. Das hat die ganze Scheiße gebremst, die in so einen Index negativ einfließen würde. Aber im Hintergrund wurde die Zahl der Demokratie-Wähler halt immer kleiner und die Zahl der Religion-Wähler immer größer und dieses Mal hat es das erste Mal für eine rein rechte Koalition gereicht. Die wollen keinen unabhängigen Supreme Court mehr, die wollen auch kein Staatsfernsehen und machen nicht mal Anstalten, eine Zwei-Staaten-Lösung zu wollen oder sich um die diplomatische Anerkennung von irgendwem außer den Republikanern in den USA noch zu scheren. Mittlerweile zeigen die Umfragen, dass die meisten Likud-Wähler mit der neuen Regierung zufrieden sind, obwohl nachweislich extreme religiöse Spinner auf den wichtigsten Ämtern sitzen und die Justiz in ihrer Freiheit beschnitten werden soll wie in Ungarn. Freie Wahlen können sich diese Leute trotzdem leisten, einfach weil die Demografie mit jedem Jahr ungünstiger für die verbliebenen Demokratie-Anhänger wird. So einen Absturz gab es in Russland und der Türkei nicht, weil die nie auch nur entfernt das Ausgangsniveau erreicht haben, wie es Israel lange hatte und vllt. auch noch bis in die 90er beibehielt.
Nur als ein Beispiel unter Tausenden: In den 80ern gab es eine Partei, deren Programm auf extremistischem Gedankengut und Rassismus gegenüber Arabern basierte, Kach. Das beste Ergebnis hat sie 1984 eingefahren (mit einem Sitz von 120), danach wurde sie verboten und später wegen ihres Programms aufgelöst. Die Partei, die sich heute als geistigen Nachfolger versteht, hat heute sechs Sitze, ist in der Regierung und ihr Vorsitzender ist Minister für nationale Sicherheit. Und es ist nicht mal so ganz klar, ob das die schlimmsten Hardliner in der neuen Regierung sind.
Hört sich nach etwas nach Ende von Weimar an. Hatte in einem anderen Link gelesen, dass Israel keine festgeschriebene Verfassung hat:

To explain the fragility of democracy in this country you give an institutional explanation, the absence of a written constitution in Israel. Could you tell us what the adoption of a constitution could help improve?

The absence of a written constitution is a weakness that should not be underestimated. Of course Great Britain does not have one either. However, this country has a solid democratic culture, anchored in its long history, to the extent that there is a saying that Great Britain is the “mother of democracy”. It has signed the European Convention on Human rights, as well as the Universal Declaration of Human Rights of 1948, which Israel has not signed. The only provisions that protect human rights in Israel are the two basic laws of 1992—one on Human dignity and liberty and the other on Freedom of occupation. This is not much and these laws do not have the evocative power of a constitution. Imagine: Israeli democracy does not have a fundamental text on equality, and this lack is not accidental. It is the result of opposition by some right-wing political parties, in particular the ultra-orthodox. Above all, there is a flaw in the ease with which basic laws can be created and modified following the same procedure as ordinary legislation, without any in-depth debate and without any special majority. This allows political parties to challenge the fundamental rules of the game following short-term interests.

Könnte man das mit Weimar vergleichen, weil die israelische Demokratie sich nicht vor ihrer eigenen Abschaffung schützen könnte, wenn Netanjahu und sein Block Änderungen durchboxen?
 
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Ich habe ja meine Zweifel an der These, dass eine "wehrhafte" Verfassung ein Land schützen kann, wenn es eine klare Mehrheit dagegen gibt.
 
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Könnte man das mit Weimar vergleichen, weil die israelische Demokratie sich nicht vor ihrer eigenen Abschaffung schützen könnte, wenn Netanjahu und sein Block Änderungen durchboxen?
Keine Demokratie ist vor seiner eigenen Abschaffung geschützt. Jede Institution, jedes System ist nur so gut wie die Leute aus Fleisch und Blut, die es mit Leben füllen. An denen hängt es dann tatsächlich. Zur Not liest sich der Oberste Gerichtshof die Verfassung genau durch und erklärt, dass dort ein Putsch durch das Militär gar nicht erwähnt wird und daher nicht verfassungswidrig sein kann. ggnore
 
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es sollte vllt noch paar Grauzonen geben zwischen ist nutzlos und ist absolut sicher. Paar Hürden würden es zumindest erschweren.
 
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Für sowas sind Gewaltenteilung, 2-Kammer-Parlamente und 2/3 Mehrheiten ja da. Nur wenn die drei Gewalten übernommen bzw auf Linie sind, dann sind sie keine Hürden mehr.
 

Gustavo

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Könnte man das mit Weimar vergleichen, weil die israelische Demokratie sich nicht vor ihrer eigenen Abschaffung schützen könnte, wenn Netanjahu und sein Block Änderungen durchboxen?

Auf eine gewisse Art ja, auf eine gewisse Art nein. Es habe schon viele Erklärungen dazu gehört, warum Weimar untergegangen ist und irgendwie sind alle plausibel, aber ich glaube am Ende war es einfach so, dass es nicht genügend Menschen gab, die die Demokratie an sich unterstützt haben. Es gab ein paar davon, es gab eine Menge Leute sowohl rechts als auch links, die die Demokratie grundsätzlich abgelehnt haben und dann gab es einen großen Block in der Mitte der die Demokratie prinzipiell akzeptiert hätte, aber nur wenn sie für einen selbst liefert. Die Blocks gibt es so in Israel auch, wobei "rechts" in dem Fall orthodoxe Juden und Nationalisten sind und "links" Araber, die keineswegs alle sozialistisch sind. Aber das wirklich bedenkliche an Israel ist imho, dass die Demokratie dort an sich vernünftige Ergebnisse liefert. Die Mieten sind ziemlich hoch aber insgesamt läuft der Laden schon recht gut und trotzdem wenden sich immer mehr Wähler der Demokratie ab und wählen hauptsächlich religiös motiviert.

Vor ein paar Jahren gab es ein Buch von Daniel Ziblatt, das relativ hohe Wellen geschlagen hat, weil Ziblatt (anhand von zwei Fallstudien, Weimar und Großbritannien) meinte, ob auf Dauer eine tragfähige Demokratie zustande kommt, liegt daran wie die Konservativen sich verhalten. Wenn sie der Verusuchung widerstehen aus Besitzstandswahrung mit den Antidemokraten zu paktieren (wie im UK) dann kann eine tragfähige Demokratie entstehen, wenn nicht (wie in Weimar) dann bricht sie zusammen. Ob man jetzt wirklich an zwei Fällen festmachen kann, dass das eine Gesetzmäßigkeit ist sei mal dahingestellt, aber die Situation in Israel erinnert mich stark daran: Die Likud hat die Wahl entweder mit vernünftigen Parteien der Mitte zu koalieren (die Netanyahu allerdings durch die Bank ablehnen und den Supreme Court nicht beschneiden lassen würden) oder sie kann mit den religiösen Spinnern koalieren, Netanyahu behalten und ihre krasseren Positionen bzgl. der Siedlungsgebiete durchsetzen. Mittlerweile gibt es afaik keine echte Hoffnung mehr, dass die Likud-Wähler da als korrektiv fungieren.
Das Deprimierende ist, dass total unklar ist wie das wieder besser werden sollte: Jedes Jahr wird aufgrund der Demografie der Orthodoxen und der Einwanderung aus Autokratien rund um die Welt die Zahl der religiösen/ethnozentristischen* Spinner größer und die Zahl der Demokraten kleiner. Bei Weimar konnte man zumindest das Gefühl haben, wenn die Demokratie es ein bisschen länger durchgehalten und die wirtschaftliche Lage sich genügend gebessert hätte, wäre der komplette Zusammenbruch vielleicht zu verhindern gewesen. Wie Israel von dem aktuellen Kurs nochmal runter kommen soll ist dagegen völlig unklar. Wenn die Wähler die Demokratie einfach nicht für wichtig genug erachten, hilft in meinen Augen auch kein Schutz vor der Abschaffung durch Institutionen, denn die kann man im Zweifelsfall immer umgehen.





*mal davon abgesehen dass es natürlich weit hergeholt ist, "die Juden" als eine Ethnie zu sehen
 

Gustavo

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was ist hier der disput? dass juden aus mehr als einer ethnie bestehen oder dass jude überhaupt eine ethnie ist?

Dass man sinnvollerweise noch von nur einer Ethnie sprechen kann. Dass Juden eine Gruppe von Ethnien bilden ist soweit ich weiß heute unstrittig.

Damit ist für mich als mod das Thema beendet ab hier wird fürs erste dazu gelöscht, bis ihr euch wieder beruhigt habt
 
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