1. Es geht nicht primär darum, was die Papiere wert sind, sondern wer die Staatsgewalt auf dem Territorium ausübt. Das ist nicht die palästinensische Autonomiebehörde, sondern Israel. Wenn man nicht bereit ist, die dort lebenden Palästinenser an freien und fairen Wahlen zu beteiligen (was eine Staatsbürgerschaft voraussetzt), muss man ihnen die Souveränität übertragen.
2. Deine Analogie ergibt keinen Sinn: Wenn Liechtenstein dauernd Österreich und die Schweiz mit Terror überziehen würde, würde trotzdem die Existenz von Liechtenstein deshalb nicht in Frage gestellt, wo wie auch das Existenzrecht keines anderen Staates, der seine Nachbarn mit Terror überzieht, von denen es ja durchaus einige gibt, in Frage gestellt wird. Dass es hier anders läuft ist aber purer status quo bias: Liechtenstein existiert als Staat schon, Palästina nicht. Aber der einzige Grund, warum es nicht existiert, ist die Tatsache, dass Israel das nicht will. Das ist nicht legitim und sollte von keiner Demokratie unterstützt werden.
Diese ganze Debatte ist imho höchst unehrlich. Israel existiert und es wird bereits (zurecht!) durch die westliche Staatengemeinschaft viel getan, damit das so bleibt. Von mir aus kann man das durchaus noch ausbauen. Aber im Gegenzug zu jeglicher Hilfe sollte es zwingend sein, von Israel einen Plan dafür zu verlangen, dass Palästina entweder ein souveräner Staat oder Teil eines souveränen Staates wird. Ich finde es regelrecht verstörend, dass hier in Talkshows regelmäßig erwähnt wird, dass das Existenzrecht Israels zum Grundkonsens des deutschen Wertekanons gehört, dann aber mit zweierlei Maß gemessen wird, was die Palästinenser angeht, als ob man das Recht auf Staatlichkeit dadurch verwirkt, dass die Bevölkerung mehrheitlich antisemitisch denkt. Ich kann mich nur sehr über deinen moralischen Kompass wundern, wenn du in der Ukraine klar erkennst, dass dort ein Volk illegitimerweise ein anderes zu dominieren versucht, während du das hier anscheinend für vertretbar hältst, weil dadurch Israels Sicherheitsinteressen positiv beeinträchtigt wären.
Nur zur Erinnerung: Was du als "mit Terror überziehen" zusammengefasst hast, sieht in letzter Konsequenz so aus:
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Wer innerhalb dieser Zustände die andauernde Palästina-Politik von Israel für legitim hält, orientiert sich an exakt demselben Kompass, den die Russen auch anlegen: Man tut es, weil man es kann, nicht weil es legitim ist. Aber das kommt in der deutschen Diskussion nicht vor, weil größtenteils mit sehr, sehr simplen Denkschablonen hantiert wird: Entweder wird *müssen* aus historischer Verantwortung reflexartig die Seite Israels einnehmen (die eine Seite) oder wir müssen uns für die Palästinenser einsetzen, weil sie die Schwächeren sind (so die andere Seite). Dass man sich einerseits für Israel einsetzen kann, weil sie bedroht werden und moralisch auf der richtigen Seite stehen, deshalb aber eben nicht über die Einschränkung der Menschenrechte von Palästinensern hinwegsehen kann, scheint im Diskurs überhaupt nicht vorzukommen.