Hm. Ich verstehe Deinen Punkt, aber ich denke der Unterschied hat auch eine Grauzone. Du kannst Dir sicherlich ähnlich gut wie ich vorstellen, wie schnell aus einer Demo ein Mob werden kann der tatsächlich zur Tat schreitet. Mir ging es vor allem um die grundsätzliche Einstellung gegenüber "unseren" Werten, welche sich in solchen Kontexten immer wieder äußert, nämlich: "Jaja, macht ihr nur, irgendwann sind wir in der Mehrheit und dann läuft alles wie wir es wollen."
Das mag jetzt krass klingen, aber das ist sehr nahe am O-Ton von einer Demo am Wochenende. Und ein Zitat von Erdogan, aber das kennst/weißt Du ja.
Mir fehlt einfach die Phantasie wie man dieses gesellschaftliche Problem einigermaßen zeitnah in den Griff bekommt. Optimistisch darf einen stimmen, dass Menschen mit immigrierten Eltern mildere Ansichten als ihre Eltern haben, allerdings geht das nicht schnell genug wenn potentiell jedes Jahr Hunderttausende mit potentiell fragwürdigen Einstellungen immigrieren.
Mein Hauptpunkt, wie schon sehr lange: Deutschland als Gesellschaft muss sich gemeinschaftlich darüber klar werden für welche Werte es stehen möchte, und diese Werte dann auch konsequent vertreten und einfordern. Dazu gehört ein starkes Wirken nach Innen, aber auch eine rigoroser Umgang mit der Staatsbürgerschaft und Abschiebungen. Das schließt mE Empathie und Milde gegenüber Opfern von Krieg und Verfolgung nicht aus, sehr wohl aber falsch verstandene Naivität.
[...]
Wo ich Dir 100% zustimme ist, wie wieder deutlich wird was für eine Insel der Naiven und Glückseligen die deutsche Diskussion ist. Deswegen hatte ich ja auch das Video oben gepostet. Vieles in der deutschen Politik, nicht nur in Bezug auf Israel, ist stark gehemmt und auf eine gewisse "es-wird-von-uns-so-erwartet"-Performativität gerichtet, anstatt, dass man es sich erlaubt eine eigene souveräne Meinung zu entwickeln. Manche nennen es "German Angst", manche nennen es "Schuldkult". Imho ist Fakt, dass uns als Gesellschaft dieses Verhalten nicht gut tut, und dass eine Emanzipation von diesen "gut eingeschliffenen" Ritualen nicht gleichzeitig bedeutet, dass morgen das vierte Reich ausgerufen wird.
Ich sehe schon was du meinst und ich bin da auch nicht blauäugig, was diese Einstellungen angeht. Trotzdem bin ich der Meinung: Das ist ein Problem, mit dem man *hier* umgehen muss. Mit welcher Berechtigung kann man von Einwanderern als conditio sine qua non erwarten, das Existenzrecht nur eines bestimmten Staates anzuerkennen? Bis auf ein paar rechte Hütchenspieler in der CDU kam bisher niemand auf die Idee, "Deutschenfeindlichkeit" soll ein Prüfungssubjekt und Ausschlussgrund für die Staatsbürgerschaft sein, aber Antisemitismus ist es? Versteh mich nicht falsch, ich finde beides (genau wie alle anderen Formen von taste-based discrimination) scheiße, aber diese Leute sind doch nicht blöd: Man kann nicht den Daumen zugunsten eines Staates so sehr auf die Waage legen, nur weil man sich fast 80 Jahre nach dem Holocaust kollektivschuldig fühlt. Ich schreibe gleich noch was zur Situation in Palästina, aber ich glaube niemandem hier auch nur ein Wort, wenn er behauptet aus der Perspektive eines Palästinensern wäre es klar, dass der Antisemitismus der Bevölkerung in Gaza wäre das Urproblem und nicht die israelische Politik gegenüber den Palästinensern. Das ist schlicht nicht, wie Menschen funktionieren, nicht in Palästina, nicht im Westen, nicht in Deutschland.
Meine Sicht auf Israel war immer Folgende: Wir stehen als Nation zu Israel, aber NICHT weil Israel eben Israel ist, sondern weil Israel als Land gerechter, demokratischer, menschenfreundlicher ist als seine Nachbarn. Und das ist es immer noch, aber der Abstand ist nicht mehr so groß wie er mal war und schrumpft. Es ist imho völlig durchgeknallt, dem Israel Netanyahus carte blanche zu geben, wie es Deutschland gerade rhetorisch tut. Hier wurde ja schon darauf hingewiesen, dass in Israel (im Gegensatz zu Gaza) offen demonstriert werden kann und gerade auch in nie dagewesener Weise demonstriert wurde. Was hier allerdings nicht gesagt wird ist wogegen demonstriert wird: Gegen die Schleifung der israelischen Demokratie durch die israelische Regierung. Diese Bevölkerung (!) Israels verdient unser Mitgefühl, aber die Politik Israels verdient nur so weit Solidarität wie die Vernunft der Regierung reicht. Auch wenn die Regierung mittlerweile um Gantz erweitert wurde gibt es absolut nichts, was darauf hinweist, dass Netanyahu als Person oder Likud als Partei heute vernünftiger sind als vor einem Monat, von Gestalten wie Smotrich oder Ben-Gvir ganz zu schweigen. Einfach so zu tun als sei das noch das Israel von Sharon, geschweige denn von Peres oder Rabin, ist einfach nicht wahr.
Es gibt zweifellos Konflikte, die schwarz und weiß sind, aber dieser hier ist es einfach nicht. Er war es von Anfang an nicht, weil "Gaza", wie es heute existiert, auf einer ethnischen Säuberung (ob geplant oder unbeabsichtigt) durch die Israelis im Krieg um die Staatsgründung beruht. Das ist nicht schön, aber in Anbetracht der antisemitischen Grundstimmung 1948 war es wohl nicht vermeidbar. Das heißt aber nicht, dass das nicht für diese Bevölkerungsgruppe als kollektives Unrecht verstanden werden kann, genau wie wir mittlerweile weit genug sind, die Vertreibungen der Deutschen aus Osteuropa zu Kriegsende als Unrecht anzusehen, ohne deshalb zu vergessen was ihnen voraus ging. Die Geschichte Israels nach der Gründung und seiner Politik war für mich über lange Zeiträume absolut bewundernswert und wirklich exemplarisch dafür, wie ein Land seine Menschlichkeit beibehalten konnte, in einem Umfeld in dem es konstant um seine Existenz fürchten musste. Aber in dem Maße, wie sich das Gleichgewicht zu Israel verschoben hat, hat sich auch das Verständnis für die Notwendigkeit humaner Politik innerhalb Israels abgeschwächt, Selbstmordattentat um Selbstmordattentat, Intifada um Intifada. Und irgendwann ist man dann an dem Punkt angekommen, wo die Beteiligten auf beiden Seiten in einen Konflikt hineingeboren wurden, der bereits andauerte und jede Seite wird sich an den jeweiligen Ungerechtigkeiten gegen die eigene Seite radikalisieren.
Ja, in einer idealen Welt wäre es möglich dass die Einwohner Gazas erkennen, dass die Ursünde und der Anstoß des Problems der Antisemitismus der palästinensischen Bevölkerung war. Aber so eine Einsicht würde selbst einer aufgeklärten, postmaterialistischen Gesellschaft des Westens schwer fallen; sie von einer Gesellschaft wie der in Gaza zu verlangen ist schlichtweg illusorisch und auch etwas vermessen, wenn man bedenkt dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung nichts anderes kennt als die Blockade. Adam Tooze hat neulich einen sehr guten Post über die
wirtschaftliche Entwicklung in Gaza verfasst. In so einer Situation, mit einer durch und durch korrupten und machtlosen "Regierung" wie der PNA Wahlen abzuhalten und sich dann zu wundern dass die Menschen sowas wie die Hamas wählen ist imho schon ein bisschen arg naiv und, auch wenn man es natürlich nicht gut heißen kann, jetzt für mich auch nicht unbedingt ein Ausweis dass das Volk tatsächlich hinter der Hamas steht*.
Hand aufs Herz: Es ist für ein Land wie Israel, mit allen Mitteln das es an der Hand hat, militärisch (woran der Westen einen überragenden Anteil hat), wirtschaftlich, logistisch, schlicht inhuman den aktuellen Zustand zu perpetuieren, ganz egal ob dadurch die Sicherheitslage negativ beeinflusst wird oder nicht. Es gibt kein realistisches Szenario (außer vielleicht Atomwaffen, über die wird aber nicht in Gaza entschieden) in denen Israels Existenz in Gefahr ist, dafür ist es militärisch viel zu überlegen. Wenn wir hier von einer vorübergehenden Situation reden würden, bspw. einem Krieg, könnte man manches rechtfertigen, aber das Problem ist dass es nun mal keine vorübergehende Situation ist. Israel ist nun mal von Nachbarn umgeben, die ihm nicht wohl gesonnen sind. Auf Dauer kann die Antwort nicht sein, dass immer rechtere Regierungen das Verhältnis "Israelische Sicherheit <--> palästinensische Leben" immer weiter in Richtung von Politik lenken, die die Sicherheit von Siedlern und Soldaten zu einem immer höheren Gut erklärt, während die Leben von Palästinensern immer weniger zählen, weil eine zielgenaue Kriegsführung gegen die Hamas nun mal Opfer auf Seiten der IDF erfordern. Wenn Israel das nicht selbstständig tut (und wie gesagt: für mich war das, was Israel zu Israel machte, dass das lange Zeit der Fall war), dann müssen die westlichen Unterstützer Israel dazu zwingen. Dafür wäre ich dann auch gerne bereit, Israels Existenz innerhalb der Grenzen notfalls militärisch zu garantieren, bspw. über die NATO. Aber es kann einfach nicht sein, dass eine weitere Generation von Palästinensern in Gaza völlig ohne jegliche Perspektive aufwächst, weil die Hamas die Bevölkerung in Geiselhaft nimmt. Und wie gesagt: Wenn es massenhaft Beispiele dafür gäbe, wie die Bevölkerung ihre eigene Autokratie unter solchen Umständen bezwingt, wäre ich vielleicht geneigt mehr auf das Argument zu geben, die Palästinenser müssten sich bloß von der Hamas lossagen. Aktuell endet das mit einem Freiflug von Gaza Citys höchstem Gebäude und es ist verdammt einfach, sowas aus dem sicheren Deutschland zu fordern, welches dieses Kunststück übrigens ebenfalls nicht selbst fertig gebracht hat (nicht dass ich dir das jetzt vorwerfe, das hast du nicht getan, aber andere in diesem Thread hier schon).
*Nebenbemerkung: Ich kenne jemanden ganz gut der relativ viel relativ hochwertige Methodenarbeit mit Umfragedaten aus Autokratien macht und ich habe mal gefragt, was er glaubt wie belastbar Zahlen bzgl. der politischen Vorstellungen (also prinzipiell pro-Hamas vs. anti-Hamas) aus Gaza sind und er meinte es gäbe keine seriöse Möglichkeit, das zu quantifizieren (womit er explizit nicht meint, dass er sie für gering hält, er weiß es einfach nicht und glaubt auch sonst weiß es eigentlich niemand)
Hier wäre ich mir nicht ganz so sicher. Antisemitismus ist historisch ja schon anders begründet als z.B. Rassismus gegen Schwarze oder Native Americans.
Die Judenstern-Schmierereien auf Häusern waren schon kein gutes Kapitel der deutschen Geschichte der letzten zwei Wochen. Da kann ich schon nachempfinden, dass sich da viele unwohl fühlen. _Gerade weil_ Menschen im Zweifel sehr viel schneller und unbedachter zur Tat schreiten können als man denkt. Wenn man das einmal live erlebt hat, dann vergisst man das nicht so schnell.
Ich weiß, dass es eine Antisemitismus-Forschung gibt, die das behauptet. Aber ich muss zugeben, dass ich, trotz leidlicher Versuche, nicht so richtig verstehe wo genau die Unterschiede sein sollen. Zumindest kommt es mir so vor, als gäbe es viel zu viele Aspekte, die Antisemitismus und andere Spielarten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verbindet, als dass man sie als distinkte Phänomene behandelt. Nicht zuletzt ist Israel selbst ein gutes Anschauungsbeispiel dafür: Viele der Gründerväter Israels hatten eine sehr niedrige Wertschätzung für Mizrachim und bis in die Gegenwart gibt es Teile der israelischen Gesellschaft, die sie bestenfalls als notwendiges demografisches Übel sehen als als gleichwertige Mitbürger. Und da geht es keineswegs darum, dass diese nur als "dunkelhäutig" gesehen werden, es schwingt viel mehr das Gefühl mit, dunkelhäutige Menschen können eigentlich keine richtigen Juden sein.
Ich würde Dir auch massiv widersprechen was die unterschiedliche Wahrnehmung zwischen Israel und Gaza angeht. Es wäre korrekt, wenn nicht von Seiten der Hamas ein initialer schlicht bestialischer Terrorakt ausgegangen wäre, zu dem die aktuelle Situation die Folge ist. Dass da viele ohne Promotion in Nahostologie nur so mittelviel Verständnis für die Palästinenser aufbringen können ist schon nachvollziehbar. Auf die lange Frist gesehen ist aber klar, dass die Palästinenser ziemlich beschissen dran sind und Israel als Staat da sowohl eine sehr schlechte Strategie gefahren hat … aber auch unter beschissenen Voraussetzungen. Ist ja nicht so als ob da von Seiten der Palästinenser eine große Mehrheit ständig für ein friedliches Miteinander ohne wenn und aber demonstrieren würden. Vermutlich ist es eher so, dass die Mehrheit der vernünftigen Palästinenser sich schon lange verpisst hat, und diejenigen die keinen Bock auf den Scheiß haben, und noch vor Ort sind, einfach nicht die Mittel zur Flucht ins Ausland haben.
Meine Sympathie für die Palästinenser wäre deutlich ausgeprägter wenn, wie
@BaBaUTZ schrieb, man auf den Pali-Demos mal prominent "Hamas verpiss dich" lesen würde.
Wie gesagt: Ich wünschte wir würden in einer Welt leben, in der sowas selbstverständlich ist. In meinen Augen tun wir das aber nicht und das gilt wahrlich nicht nur für Völker wie die Palästinenser. Die Deutschen in den USA standen auch nicht gerade Schlange, um gegen die Barbarei Hitler-Deutschlands zu demonstrieren. Und Israel macht es der Hamas auch sehr einfach: In den letzten Tagen habe ich zumindest ab und an in den deutschen Medien gelesen, dass es jemand en passant erwähnt hat, aber in Israel ist es nicht mal ein offenes Geheimnis, sondern quasi schon common sense dass den Netanyahu-Regierungen (nicht erst die durchgeknallte aktuelle) die Hamas gut in den Kram passte, weil eine starke Hamas und eine schwache Fatah ein ausgezeichnetes Argument gegen eine Zwei-Staaten-Lösung sind.
Mein idealisierter Plan für Israel und Gaza wäre: Israel macht die nördliche Hälfte platt (bis auf historische Bauten) und besetzt sie, sorgt für Containerstadt/Zeltstadt plus Bildung und Grundversorgung irgendwo grenznah in Ägypten; baut eine Mauer zu Restgaza; baut in der Nordhälfte eine schlüsselfertige moderne Infrastruktur inklusive alles; und organisiert das ganze nach Romers Charter-City Konzept. Parallel werden die Palästinenser darauf vorbereitet den Kram selbst zu verwalten und da reinzumigrieren, inklusive Enthamasifizierung. Schrittweiser Übergang zur Selbstverwaltung und zur eigenen Staatlichkeit. Schrittweises Plattmachen und Erweiterung nach Südgaza.
Das wäre enorm teuer, aber ein mächtiges Friedensangebot. Wenn danach weiterhin die Raketen fliegen …
Daher würde ich gerne nochmal die Teildiskussion aufmachen bei der -wie ich es verstanden habe,
@Gustavo dein Fazit war:
"Israel ist wesentlich Schuld an fehlender Souveränität und Wohlstand im Gazastreifen."
[...]
Wenn du (oder andere) das anders sehen, dann würde ich mir Beispiele wünschen, wo Israel trotz "Hamas ist an der Macht" die Lebensumstände im Gazastreifen hätte verbessern können, ohne gleichzeitig das Risiko für sich selbst signifikant zu erhöhen. Israel hat ja HIlfe zugelassen, und auch selbst geholfen, obwohl klar war, dass die Hamas diese HIlfe monetarisiert und diese Mittel in Angriffe auf Israel umsetzt.
Wie gesagt: Das ist eigentlich keine Diskussion wert, weil in Gaza Rechte beschnitten werden, die schlicht nicht beschnitten werden *dürfen*. Selbst wenn jeder einzelne Einwohner von Gaza ein glühender Antisemit wäre, wäre das noch keine Rechtfertigung dafür, Gazas Souveränität in dieser Form einzuschränken, wenn man nicht irgendeinen Plan dafür hat, den Einwohnern eine Staatsbürgerschaft anzubieten. Wenn das die Sicherheitslage Israels verschlechtert, dann ist das nun mal so. Ich würde zwar vermuten, auf lange Sicht ist es viel eher so, dass die aktuelle Politik Israels Sicherheitslage viel stärker gefährdet, denn einerseits schürt das nur weiter Hass in Gaza, und andererseits radikalisiert sich Israels Gesellschaft nur weiter, aber es macht letztendlich keinen Unterschied. Auf Dauer wird nur eine spürbare Verbesserung der Lebensumstände in Gaza überhaupt die Möglichkeit auf eine Entspannung bieten, außer man glaubt irgendwie dass sich die geopolitische Lage radikal auf eine Art verschiebt, die aktuell noch nicht am Horizont ist. Man kann Israel, schon gar nicht einem Israel das immer weiter in den Griff von Rechten gerutscht ist, nicht die quasi vollständige Entscheidungsgewalt über die Lebensumstände in Gaza überlassen, selbst wenn sie zu einer weiteren Stärkung der Hamas führen würden. Das wäre allerdings auch niemandes erste oder beste Wahl. Mir schwebt auch sowas vor wie
@Bootdiskette, irgendeine überwachte Souveränität vor wie sie Deutschland und Japan nach dem zweiten Weltkrieg bekommen haben.
Letztendlich ist die Kalkulation, man muss es imho so klar sagen, nicht schwer: Die Sicherheit Israels ist durch Gaza nicht grundlegend gefährdet, egal was passiert. Die Sicherheit einzelner Israelis dagegen schon und das ist bedauerlich. Aber das rechtfertigt nicht die Tatsache, dass aktuell zwei Millionen Menschen, die Mehrheit Kinder und Jugendliche, ohne Not eine Existenz fristen, die in keiner Weise die Mindestmaße an ein menschenwürdiges Leben erfüllen. Michael Walzer hat neulich in der New Republic einen imho treffenden Vergleich gemacht: Als die Amerikaner unter McCrystal neue rules of engagement herausgegeben haben, die zivile Tote unwahrscheinlicher machen sollten, haben die Soldaten protestiert, dass das für sie ihre Einsätze zu gefährlich machen würde. Aber McCrystal hat das bewusst in Kauf genommen, weil er wusste dass auf Dauer eine Besatzungsmacht die den Unmut der Bevölkerung auf sich zieht nicht besser ist. Und das war noch in einer Situation, aus der sich die Amerikaner letztendlich zurückziehen konnten; Gaza wird nicht einfach verschwinden und Israel muss sich einen modus operandi einfallen lassen, wie man mit einem souveränen Gaza an der eigenen Grenze wird leben können. Hier wurde oft gesagt dass die Hamas das eigene Volk als Geisel genommen hat und das stimmt auch. Trotz allem moral hazard kann man die Geisel aber nicht einfach so opfern und die Lebenschancen von zwei Millionen Menschen können uns nicht so egal sein, dass wir deshalb Israel erlauben, Gaza dauerhaft wirtschaftlich zu strangulieren, selbst wenn eine wirtschaftliche Stärkung auch eine Stärkung der Hamas bedeuten würde. Das wird es nicht müssen, aber es wäre imho dringend an der Zeit, den Israelis klarzumachen, dass es so nicht weitergehen kann.