Gibt es unabhängige Expertisen, ob die Anzahl an Bomben unverhältnismäßig für so eine Operation sind? Oder ist das eher Bauchgefühl?
Wie hoch der Stellenwert für 2) bei den Israelis ist, ist natürlich schwer zu sagen und dürfte nach den Attentaten sicher gesunken sein. Aber immerhin spielt bei denen 2) noch eine Rolle.
Auf der Gegenseite hat das Gegenteil Priorität, nämlich die Maximierung an zivilen Opfern.
Wie gesagt: Ich bin davon abgekommen, mich zeitnah zu informieren, insofern beruht das im wesentlichen auf dem, was Leute in Zeitungs- und Meinungsartikeln schreiben. Manche davon sind dezidierte Militärexperten, andere nicht, aber ich würde für deren Expertise meine Hand nicht ins Feuer legen, einfach weil ich nicht weiß wie tief die Einblicke über die militärische und humanitäre Lage aktuell bzgl. des Informationsflusses überhaupt sein können. Die veröffentlichte Stimmung in Israel bzgl. der Bombardements finde ich, vorsichtig gesagt, beunruhigend.
Und wie gesagt: Ich halte so überhaupt nichts von dem Vergleich mit der Hamas. Es kann nicht der Maßstab sein, das weniger kleine Problem zu sein als Hamas.
In Bezug auf Israel vs Hamas ist es mMn sehr klar "Zivilisation vs Islamismus" bzw sogar "Zivilisation vs genozidären islamistischen Terror".
Um das so festzustellen muss man die "Zivilisation" nicht heilig oder frei von Fehlern sprechen.
Ja, ich merke schon das du das so siehst. Ich halte das halt für eine sehr oberflächliche Sicht auf die Dinge, die im Grunde genommen mehr über dich sagt als über den Konflikt, insbesondere weil ich das Gefühl habe dass deine Informationen doch schon arg einseitig sind. Natürlich ist es wie gesagt extrem schwer, um ein repräsentatives Meinungsbild bzgl. Gaza zu bekommen, aber es fällt doch schon ins Auge, dass die meisten Autokraten in der Region ihre Länder in die entgegengesetzte Richtun navigieren. Antisemitismus ist, wie jede Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, für Autokraten immer erst mal komfortabel und umsonst und ich bezweifle, dass die meisten Autokraten mutwillig einen so guten Sündenbock einfach so aus der Hand geben, insofern scheint sich die Rechnung zugunsten Israels verschoben zu haben. Ich sehe jetzt wenig Grund zu glauben dass die Autokraten der Region das Gefühl haben, so viel fester im Sattel zu sitzen oder der Nutzen so sprunghaft gestiegen ist, dass es sich jetzt mehr lohnt gegen die expliziten Wünsche der eigenen Bevölkerung zu handeln, insofern gehe ich davon aus dass die Abwägung den Antisemitismus als nicht mehr so zentral sieht wie einstmals der Fall. Nur in den palästinensischen Gebieten, insbesondere in Gaza (in dem ja ebenfalls lange die PLO recht fest im Sattel saß, die eine säkulare Organisation ist), geht der Trend in die andere Richtung.
Es gibt aber verschiedene Methoden "gegen Israel zu agieren".
Die Hamas hat auf die Räumung des Gazastreifens damit reagiert, die Übernahme der Kontrolle vorzubereiten, um dann vom Gazastreifen aus einen dauerhaften Terrorkrieg gegen Israel zu führen.
Das ist keine legitime Methode "gegen Israel zu agieren".
Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.
Deine Replik mag etwas sein wie:
"Israel muss halt XYZ tun, damit die Palästinenser, welche die Hamas unterstützen, eine Alternative sehen."
Dabei würde mich interessieren, was das XYZ wäre, welches gleichzeitig akzeptabel für Israel wäre, aber hinreichend, um Hamas-Unterstützer von ihrem Kurs abzubringen.
Selbst wenn Israel morgen das Bombardement stoppt & sich asu dem WJL zurückzieht - glaubst du, das würde die Popularität der Hamas reduzieren?
Bevor ich irgendetwas anderes dazu sage: Deine Anführungszeichen um den Begriff "gegen Israel zu agieren" kannst du dir sparen. Ich weiß schon ziemlich genau was die Hamas in den letzten 20 Jahren so angestellt hat, da ist alles dabei von legitimen Protesten bis hin zu terroristischen Attacken, aber das auf "dauerhaften Terrorkrieg" zu reduzieren ist Boulevard-Niveau, auf dem ich ganz sicher nicht über dieses Thema diskutieren will. Niemand hier hat behauptet, dass der Zweck die Mittel heiligt, solche Leerformeln kannst du dir absolut sparen.
Und wie gesagt: Ich bin eben NICHT der Meinung, dass die Alternative für Israel akzeptabel sein muss. Nach allem, was ich über die israelische Politik weiß, reicht das, was sie bereit wäre zu akzeptieren, hinten und vorne nicht für
irgendeine Lösung dieses Konflikts, geschweige denn eine die nicht die militärische Überlegenheit Israels als Hebel benutzt, um eine Lösung zu schaffen, die die Bewohner Gazas völlig übervorteilt. Deshalb sage ich ja, dass der Westen Israel dazu drängen muss, wobei das primär natürlich an den Amerikanern wäre.
In meinen Augen fährt Israel quasi seit Rabins Ermordung eine Politik, die von Jahr zu Jahr weniger unterstützenswert ist. Das heißt nicht dass ich deshalb die Hamas gut finde, aber in meinen Augen sind wir mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo der Westen, wenn er Israel wirklich etwas Gutes tun will, dieses zu seinem Glück zwingen muss. Und das heißt, dass es nach der Hamas eben keinerlei israelischen Einfluss in Gaza mehr geben kann; diese Rolle müssen andere spielen. Sich jetzt "bedingungslos" hinter Israel zu stellen ist eine absolute moral hazard-Katastrophe und bedingt nur noch mehr Politik wie die, die in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden, bis man Israel quasi nicht mehr wiedererkennen kann. Ich habe das Gefühl dass du in deiner Hamas-Islamismus-Monomanie und ihren "genozidären"* Ideologie völlig verkennst, dass diese Situation einen extrem negativen Effekt nicht nur auf Gaza hat, sondern auch auf Israel, wobei ich die selbst geschlagenen politischen Wunden der israelischen Demokratie natürlich nicht mit dem abstrusen Raub an Lebenschancen und Lebensqualität vergleichen will, der an der Bevölkerung von Gaza verübt wird. Wie lange soll das noch so weitergehen, bis wir irgendwann tatsächlich eine Situation haben wie in Südafrika in den 1980ern?
*übrigens kein echtes Wort, was du meinst wäre "genozidal"