Siehst du diese Probleme wirklich nicht, oder bist du nicht eher der Meinung, dass es wert ist die Probleme auszuhalten (zB weil man das Leben der Asylsuchenden verbessert)?
Das kann ich nicht pauschal beantworten. Es gibt natürlich messbare Probleme und Größen, die man gut erfassen kann. Z.b. die Erwerbsquote unter Geflüchteten, die Bezugsquote von Transferleistungen, die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt, im Gesundheitswesen, bei der Kinderbetreuung.
Das sind natürlich Herausforderungen die da sind, aber ich sehe die Flüchtlinge da nicht als ursächliches Problem, eher als Indikator der zeigt, dass es im öffentlichen Bereich massivsten Finanzierungs und Reformstau gibt. Deutschland ist grundsätzlich ein sehr wohlhabendes Land. Trotzdem sind o.g. Mängel mittlerweile deutlich zu spüren in allen Bereichen der öffentlichen Fürsorge und Infrastruktur. Ich denke, dass das eigentliche Problem hier in der dramatischen Unterfinanzierung dieser Sektoren ist, der Zustrom legt in nur zu Tage.
So, das sind die meßbaren und zählbaren Punkte. Im soziokulturellen Bereich wird meiner Meinung nach maßlos übertrieben. Ich habe keine Angst vor den Horden junger Männer die sich nicht an unsere Regeln halten, rechtsfreie Räume in Kiezen, der schleichenden Islamisierung unser Gesellschaft etc etc. [nur bspweise]. Da werden meiner Meinung nach ganz schön böse rassistische Klischees hochgeholt und aktiv von Teilen der Politik und Medien befeuert. Das ist nicht meine Wahrnehmung. Ich treffe auch junge Araber die sich daneben benehmen, junge Frauen die nicht so wirken als ob sie Kopftuch gerne tragen etc aber im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Leute die ich treffe? Halt normale Arschlochquote, hast du bei deutschen auch.
In dem Bereich geht die Diskussion maximal unehrlich vor. Seit der Kölner Sylvesternacht wird sich in immer kürzeren Abständen über Drama in der Zeitung aufgeregt, so als ob man mit jedem Einzelfall nochmal beweisen will, wie moralisch inkompatibel die zugezogen sind. Und immer auf Basis von Einzeltätern gegen ganze Gruppen an Menschen. Das ist eine behinderte Scheißdiskussion. Gustavo hat schon frustriert aufgegeben solche Nachrichten mit Verweis auf Kriminalitätsstatistiken o.ä. einzuordnen weil keiner zuhört.
Wo es echte Probleme gibt, das aber seit mind. 2015, ist bei der Aufnahme und Versorgung der Menschen durch die Kommunen. Und wieso? Weil die Heerscharen nicht versorgbar sind, zu viele? Nein, weil die Kommunen die finanzielle Belastung zum größten Teil alleine tragen und der Bund nicht einspringt. Unabhängig vom Thema ist die Finanzierung der kommunalen Aufgaben ein großes Problemfeld, da sich die Quote der Steuern die Kommunen erheben dürfen zu den Aufgaben die sie übernehmen müssen zum negativen entwickelt.
Das gilt aber auch wie oben unabhängig von Flüchtlingen für alle Bereiche, die Herausforderung legt das Problem nur offen.
"Stimme nicht zu" ist vielleicht falsch ausgedrückt. Seinen Aussagen will ich gar nicht unbedingt widersprechen.
Aber es ist für mich irgendwo "am Thema vorbei". Änderungen der Migrationspolitik sollte man doch danach ausrichten, ob es sinnvoll für das Land ist, und nicht danach, ob man damit rechten oder linken oder whatever Kräften Vorschub leistet.
Mir geht es auch darum, was sinnvoll für das Land ist. Offensichtlich ist auch, dass es eine Grenze bei der Aufnahmefähigkeit pro Jahr gibt, klar nur z.b. 1 mio Menschen pro Jahr verkraftet das System nicht.
Einer nüchternen, faktenbasierten Diskussion darüber stehe ich offen gegenüber, ich finde sie findet aber nicht statt. Die ganze Diskussion ist hoch emotional von beiden Seiten, um das deutlich zu sagen sie ist auch rassistisch aufgeladen und von Furcht vor den Fremden überfrachtet und beschäftigt sich mit populistischen Horrormeldungen, a la Messermänner und Kopftuchmädchen und Merzens Sprüchlein.
Ich finde so eine Debatte sollte man sich nicht von der Afd aufzwingen lassen, das genau ist aber gerade der Fall.
Das ist auch nicht das beste für Deutschland. Wir brauchen Zuwanderung und damit auch eine Gesellschaft die Zuwanderer bereit ist zu akzeptieren. In dem Klima würd ich als umworbene Fachkraft dunkler Hautfarbe oder als Muslim nicht nach Deutschland kommen.
Zweitens höhlen wir unsere eigene Demokratie aus, wenn wir zulassen, dass die Rechte mancher Bürger weniger gelten. Wenn wir, um Pullfaktoren zu begrenzen in einen Unterbietungswettstreit mit den europäischen Nachbarn begeben... wollen wir Moria unterbieten? Polnische Grenzer die die Leute zurück nach Belarus knüppeln? Das kann es meiner Meinung nach nicht sein. Ich verstehe wohl, das wir hier das Elend der Welt nicht alleine retten können aber mehr stört mich diese fortschreitende Enthemmung den Flüchtlingen gegenüber.
Zu zweitens: wir sehen auch, dass die Rhetorik der extremen Rechten (und Mitte Parteien die es übernehmen) Gewalt fördert. Rostock Lichtenhagen kam nicht von ungefähr und wenn ich mir heute Afd Rhetorik ansehe muss ich mich auch nicht über Gewaltausbrüche gegen Migranten wundern.
Also späte Antwort, dafür ausführlich. Ich hoffe dir ist klarer was mich stört an der ganzen Debatte.