Israel mal wieder

Benrath

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Habe ich doch:

"Die rote Linie könnte bspw. Genozid oder systematische Kriegsverbrechen sein.
Also der Nachweis davon - Prozess to be defined (bspw. dass das Außenministerium zur Überzeugung gelangt, dass [...])."

Wenn dir das nicht reicht - tough luck. Ich finde das genau genug. Wie man das misst, dafür bin ich kein Experte.

Transparent finde ich in dem Fall nicht sinnvoll, weil:

1. Machen wir das auch nicht bei anderen Alliierten. Du forderst auch nicht, dass wir transparent definieren, ab wann genau wir nicht mehr mit Ungarn kooperieren, oder den USA.

2. Da ich nicht davon ausgehe, dass es eine interpretationsfreie rote Linie wäre, würde es dann dauernde Diskussionen geben, ob es jetzt schon einen Genozid gibt oder nicht. Ich denke nicht dass du dich außenpolitisch so transparent machen und treiben lassen möchtest.

last time I checked warst du kein land. Es geht um deine persönliche Grenze. Die ist also wenn andere feststellen, dass ein Genozid stattfindet. top, darunter ist nicht?

zum Rest spar ichs mir da traurige Rückzug Gefechte deinerseits. Du merkst es nicht mal mehr, dass du hier völlig den Maßstab verloren hast, weil Israel gut und alles richtig macht, und alle im Gaza = hamas und damit berechtigte Ziele oder kolllateral schaden.

Fand das mit dem Flugzeug Beispiel ganz gut. Ich wäre btw doch froh wenn es abgeschossen würde, wo ich da genau den trade off ziehen würde, muss ich zum Glück nie herausfinden. Im minimum müsste man mehr retten als Im Flieger sterben. Isreal schießt das Flugzeug jetzt seit über einem Jahr täglich mehrmals ab und der trade off ist vermutlich sehr schlecht, da kaum jemand gerettet wird und sehr viele sterben.
 
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Medienuntersuchungen der AP haben keine israelischen Beweise für Hamas-Präsenz in Gaza-Krankenhäusern gefunden:


Und hier noch für die "Demokratie"-enjoyer, mal wieder wie aus einer Black Mirror Folge:

21-jährige arab-israeli Studentin landete in Gefängniszelle, die für Terroristen gedacht ist, weil sie 4 Posts auf Instagram geshared hat


Und die Bundesregierung übernimmt in ihrer "Antisemitismus Resolution" die IHRA-Definition von Antisemitismus, die u.a. dazu dient, Kritik an Isr. grundsätzlich zu kriminalisieren. Die IHRA-Definition wird von der isr. Regierung gepusht. Damit stellt sich die Bundesregierung nicht auf die Seite aller Juden, die teilweise selbst in Israel gegen die Regierung und den Krieg (letzteres ehrlicherweise eher im Ausland) demonstrieren, sondern solidarisiert sich mit Netanjahu, Ben Gvir & Co. Demnach dürfte sich auch kein Jude in D kritsich über Israel äußern, weil "bad jew" laut dt. Regierung.
 

Gustavo

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Soweit kann ich das zumindest nachvollziehen, auch wenn ich es weniger scharf sehe - mir liegt trotz der Probleme Israel immer noch am Herzen.
Das hat mehrere Gründe:
  1. Historische Verantwortung. Ja, das muss nicht jeder so sehen. Ich finde das aber gerechtfertigt.
  2. Einzige echte Demokratie im Nahen Osten.
  3. Teil der Allianz gegen Iran / Houthis / Russland.
  4. Potentiell Katalyst / Support für eine eher westlich orientierte Achse, die Länder wie Saudi Arabien auf einem vielleicht nicht ultra-liberalen, aber wirtschaftsorientierten und nicht militaristischem Kurs hält.


Eine Sache zur "historischen Verantwortung": Die sehe ich durchaus auch. Aber für mich war die historische Lektion des Holocausts nicht, dass er besonders schlimm war, weil er an Juden begangen wurde, sondern dass es die historische Verantwortung Deutschlands ist, sich gegen JEDE Form von Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzusetzen. Wenn die das nächste Mal von Juden ausgehen und nicht an Juden begangen werden dann sollte sich das in meinen Augen auf Deutschlands Position kein Iota auswirken. Und ich weiß: Abstrakt traut sich niemand, diesem Satz zu widersprechen. Aber wenn es um konkretisierte Politik geht handeln viele Politiker nicht danach.


Ist das so? Welche Waffenlieferungen aus Deutschland spielen denn eine entscheidende Bedeutung beim Thema Gaza und Libanon gerade?
Die U-Boote werden es ja bspw. nicht sein - die helfen bspw bei Israels Abschreckung, die maximale Eskalation verhindert.

Ich bin da eher bei Helmut Schmidt, also dass man mit Terroristen nicht verhandeln kann & im Zweifel auch Geiseln gefährden muss.
Unabhängig davon ist aber eben Israel nicht Deutschland -- daher finde ich es nicht maximal von Belang, wie wir das handhaben würden.


Ich nehme an du weißt, das Deutschland keine itemisierten Listen veröffentlicht, was nach Israel geliefert wird und was nicht. Man kann allerdings den Gesamtumfang sehen und kennt einzelne Items. Natürlich ist es immer so, dass dieser Beitrag im Zweifelsfall durch die USA kompensiert werden könnte. Aber es ist moralisch natürlich kein Argument, wenn der Waffenhändler dem Typ, der in den Laden kommt und sagt er brauche eine Waffe um den Liebhaber seiner Frau zu erschießen, eine Waffe verkauft weil es sonst jemand anders tun würde.
Und im Gegensatz zum Waffenhändler haben wir es hier mit einem repeated game zu tun: Deutschland kann seine Lieferungen sehr wohl an bestimmte Zusagen knüpfen und Lieferungen verweigern, wenn diese nicht eingehalten werden. Was viele Leute hier ignorieren: Israel ist nur deshalb in einer starken Position, weil die westliche Welt es in diese Position gebracht hat. Ein Land der größe Israels kann keine eigene Rüstungsindustrie erhalten, auch kein Land das westliche BIP/Kopf-Zahlen hat wie Israel. Es wird immer darauf angewiesen sein, dass größere Länder ihm Waffensysteme verkauft. Viele der nicht-westlichen Staaten würden im Traum nicht daran denken, Israel irgendwelche Waffensysteme zu verkaufen, einfach weil sie wissen dass es für die internationale Reputation besser ist es nicht zu tun: China oder Russland etwa sind nicht darauf angewiesen, das sind für deren Rüstungsindustrien Rundungsfehler. Dementsprechend ist Israel in einer abhängigen Position gegenüber den vergleichsweise wenigen Ländern, die es beliefern. Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben das im Zweifelsfall nicht alles mit der Meinung der USA steht und fällt, aber das ist für mich wie gesagt kein Grund, die moralische Verantwortung für Deutschlands Handeln einfach abzuwälzen.

Zu Schmidt: Das geht davon aus, dass wir über die RAF reden. Glaubst du Helmut Schmidt hätte auch dann noch nicht verhandelt, wenn die RAF das Saarland als Geisel gehabt hätte und nicht Peter Lorenz (als ja doch verhandelt wurde) oder Siegfried Buback?

Zu meinem Flugzeugbeispiel: Deine Antwort geht in meinen Augen ein bisschen an meinem Punkt vorbei. Wenn überhaupt würde ich erwarten, dass ein Staat weniger stringente moralische Maßstäbe anlegt, wenn es um seine eigenen Bürger geht. Hier werden aber relativ offensichtlich deutlich weniger stringente moralische Maßstäbe angelegt, wo es um die Bürger eines anderen Staates geht, Israel. Willst du wirklich argumentieren, was Israel in Gaza macht ist nicht, Menschen nur noch als Mittel zum Zweck zu behandeln? Warum um alles in der Welt sollen wir in einer Situation, in der wie die absolut freie Wahl haben, ohne Nachteile so zu handeln wie wir es für richtig halten, die Leben bestimmter Menschen (derjenigen mit israelischer Staatsbürgerschaft) so eklatant gegenüber der Leben anderer Menschen (derjenigen in Gaza) privilegieren?


Gedankengang dazu:
  1. Du könntest oben sagen, dass unsere U-Boote zwar nicht beim Bombardement von Gaza eingesetzt werden, aber Israel ermöglichen, ihre Resourcen selbst dafür zu nutzen.
  2. Dann ist man aber sehr schnell bei indirekter Hilfe, die letztlich auch wirtschaftliche Zusammenarbeit darstellt.
  3. Ergo, selbst wenn man Israels Vorgehen ablehnt - wenn man konsequent deine Haltung verfolgen würde, müsste man dann nicht Handelsbeziehungen mit allen "bösen Staaten" abbrechen, da man ja sonst hilft, ihre bösen Taten zu finanzieren?


Oben beantwortet: Nein. Erstens kommen wir in unserer Außenpolitik keinem Land ohne Not so weit entgegen wie Israel* und zweitens können wir auf wenige Länder mehr Druck ausüben. Die Wahrheit ist ja tatsächlich, dass viele Länder nicht auf Kooperation aus dem Westen angewiesen sind, weil sie bspw. auch mit den Chinesen kooperieren könnten und dementsprechend unsere Einflussmöglichkeiten begrenzt sind. Diesen Luxus hat Israel nicht.
Mittlerweile bin ich der Meinung, dass wir tatsächlich unsere Unterstützung Israels deutlich zurückfahren sollten. Die israelische Zivilgesellschaft ist schlicht kein Korrektiv mehr für eine völlig entgrenzte Politik. Auch wenn ich es eher ungerne sage: Es wäre für alle Beteiligten besser, die Kräfteverhältnisse in der Region änderten sich zu Ungunsten der Israelis, so dass klar ist dass sie selbst für solche Aktionen wie in Gaza einen hohen Preis zahlen müssten. Anders scheint die Politik der Israelis nicht mehr einhegbar zu sein als durch die alte MAD-Logik aus dem Kalten Krieg (auch wenn sie hier natürlich nicht "assured" wäre).




*ich bin wie Benrath fest davon überzeugt, wenn Israel nicht Israel wäre sondern Israelistan würden wir es nicht anders sehen als ein bewaffnetes Ungarn


Ist für mich nicht ganz schlüssig, warum man bspw. mit Saudi Arabien handelt (= de facto finanzielle Unterstützung), aber finanzielle Unterstützung Israels dann des Teufels sein soll.
Das riecht für mich etwas nach dem Anlegen zweierlei Maß -- d.h. dass man nur bei Israel "Verhalten nach deutschen Werten" verlangt.
Natürlich kann man sagen, dass wir Israel mehr und aktiver unterstützen als Saudi Arabien.
Am Ende ist beides aber finanzielle Unterstützung. Wir liefern ja eben keine 500kg Bomben und Raketen.
Und ich finde eben, dass die spezielle Unterstützung, die wir Israel zukommen lassen, historisch gerechtfertigt ist.


Wie gesagt: Es ist immer eine Frage der Alternativen. Die Region ist voller tradeoffs, bei denen es keine guten Lösungen gibt. Aber "finanzielle Unterstützung" ist die Unterstützung an Israel nun auch nicht: Die Israelis brauchen nicht unser Geld, um sich die Waffen leisten zu können, die sie haben wollen. Sie brauchen unser Einverständnis. Dass das nicht an Bedingungen geknüpft ist halte ich für einen großen Fehler.


Es gibt 100 problematische Staaten, die zuviel Gewalt anwenden.
Da finde ich, dass Deutschland sich bei dem einen (Israel), der nicht ansatzweise der schlimmste ist, einfach aus den o.g. historischen Gründen zurückhalten kann.
Deutschland muss und kann nicht jedes Problem der Welt lösen & nicht zu jedem Detail eine Meinung haben.
Das kann man gerne selektiv nennen -- ich möchte tatsächlich, dass wir da selektiv sind & Israel anders behandeln.

Hier nochmal die Nachfrage:
Welche konkreten Waffen liefern wir, die offensiv im Gaza eingesetzt werden?


Ich verstehe deinen Standpunkt schon. Ich halte ihn nur einfach für zutiefst unmoralisch.
 
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Eine Sache zur "historischen Verantwortung": Die sehe ich durchaus auch. Aber für mich war die historische Lektion des Holocausts nicht, dass er besonders schlimm war, weil er an Juden begangen wurde, sondern dass es die historische Verantwortung Deutschlands ist, sich gegen JEDE Form von Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzusetzen. Wenn die das nächste Mal von Juden ausgehen und nicht an Juden begangen werden dann sollte sich das in meinen Augen auf Deutschlands Position kein Iota auswirken. Und ich weiß: Abstrakt traut sich niemand, diesem Satz zu widersprechen. Aber wenn es um konkretisierte Politik geht handeln viele Politiker nicht danach.
Ich würde dem Satz widersprechen.

Wir haben eine besondere Verantwortung gegenüber Israel.
Wir haben eine generelle Verantwortung als Mitglied der Staatengemeinschaft gegenüber jeder Art von Genozid & Kriegsverbrechen.

Das musst du nicht auch so sehen - aber so sehen es viele & so interpretiere ich auch die "deutsche Staatsräson".
Viele der nicht-westlichen Staaten würden im Traum nicht daran denken, Israel irgendwelche Waffensysteme zu verkaufen, einfach weil sie wissen dass es für die internationale Reputation besser ist es nicht zu tun: China oder Russland etwa sind nicht darauf angewiesen, das sind für deren Rüstungsindustrien Rundungsfehler. Dementsprechend ist Israel in einer abhängigen Position gegenüber den vergleichsweise wenigen Ländern, die es beliefern.
Erstnes ist das aber im Wesentlichen die USA.
Zweitens insbesondere für die relevanten Waffensysteme für Gaza.

Daher wäre es für uns nur ein imo unbotmäßiger Signalling-Move, wenn wir öffentlich Waffenlieferungen einstellen oder Rote Linien dafür definieren.
Das nicht öffentlich zu tun: Super.

Zu Schmidt: Das geht davon aus, dass wir über die RAF reden. Glaubst du Helmut Schmidt hätte auch dann noch nicht verhandelt, wenn die RAF das Saarland als Geisel gehabt hätte und nicht Peter Lorenz (als ja doch verhandelt wurde) oder Siegfried Buback?
Vielleicht schon.
Es geht mir darum, dass ich als Starting Point das Grundprinzip "Mit Terroristen verhandelt man nicht" für besser halte als "wir tun alles, um Menschenleben zu retten, auch wenn wir maximal von Terroristen erpresst werden".
Wie man dann im Einzelfall entscheidet ist was anderes.

Zu meinem Flugzeugbeispiel: Deine Antwort geht in meinen Augen ein bisschen an meinem Punkt vorbei. Wenn überhaupt würde ich erwarten, dass ein Staat weniger stringente moralische Maßstäbe anlegt, wenn es um seine eigenen Bürger geht. Hier werden aber relativ offensichtlich deutlich weniger stringente moralische Maßstäbe angelegt, wo es um die Bürger eines anderen Staates geht, Israel. Willst du wirklich argumentieren, was Israel in Gaza macht ist nicht, Menschen nur noch als Mittel zum Zweck zu behandeln?
Was meinst du mit "Mittel zum Zweck"?
Dass für Israel das Leben einzelner Menschen in Gaza in der Waagschale von Entscheidungen weniger Gewicht hat als früher, und weniger Gewicht als es für uns heute hätte, ist richtig.
Aber daraus kann ich nicht ableiten, dass die Menschen "Mittel zum Zweck" wären.

Ich finde da nach wie vor die Analogie zu den Bombenangriffen auf deutsche Städte gut.
Die waren grundsätzlich gerechtfertigt - aber irgendwann war auch da der Punkt erriecht, an dem man (insb bei einzelnen Angriffe) hinterfragen könnte, ob sie es dann noch waren (weil Krieg eh vorbei).
Und dennoch ist nachvollziehbar, dass die Allierten dann halt lieber 10k tote Deutsche Zivilisten in Kauf nahmen, wenn sie das Gefühl hatten, dafür 1k eigene Soldaten zu retten. (Beispielzahlen).
Ähnlich finde ich es nicht gut, aber nachvollziehbar, dass Israel die Leben von Gaza-Bewohnern mittlerweile stark discounted bei ihrem Kalkül, sich selbst zu schützen & die Terrorgruppen zu zerschlagen.

Warum um alles in der Welt sollen wir in einer Situation, in der wie die absolut freie Wahl haben, ohne Nachteile so zu handeln wie wir es für richtig halten, die Leben bestimmter Menschen (derjenigen mit israelischer Staatsbürgerschaft) so eklatant gegenüber der Leben anderer Menschen (derjenigen in Gaza) privilegieren?
Erstens, sehe nicht, wo wir das tun.
Zweitens, wir privilegieren auch das Leben von Belgiern weit mehr als das Leben von bspw. Leuten im Sudan.
Ist halt so. Konsequenz daraus, dass man Bündnisse hat & nicht jedem gleich viel helfen kann.

Oben beantwortet: Nein. Erstens kommen wir in unserer Außenpolitik keinem Land ohne Not so weit entgegen wie Israel* und zweitens können wir auf wenige Länder mehr Druck ausüben.
Mag sein. Ich finde aber eben, dass es gute Gründe hat, dass wir Israel so viel entgegenkommen -- und wenig öffentlichen Druck ausüben.
Es gibt Dutzende andere Länder, welche diese Aufgabe übernehmen können.
Ich finde, dass das eben keine Priorität für uns sein sollte.
Die Wahrheit ist ja tatsächlich, dass viele Länder nicht auf Kooperation aus dem Westen angewiesen sind, weil sie bspw. auch mit den Chinesen kooperieren könnten und dementsprechend unsere Einflussmöglichkeiten begrenzt sind. Diesen Luxus hat Israel nicht.
Auf den ganzen Westen kann Israel schlecht verzichten.
Auf Deutschland aber schon.
Und ich denke schon, dass Israel sich nötigenfalls auch mit einer Koalition mit Saudi Arabien & China arrangieren könnten, wenn es um ihr Überleben ginge
Mittlerweile bin ich der Meinung, dass wir tatsächlich unsere Unterstützung Israels deutlich zurückfahren sollten.
Faire Meinung, ich bin anderer Meinung.
Ich verstehe deinen Standpunkt schon. Ich halte ihn nur einfach für zutiefst unmoralisch.
Kann ich zu einem gewissen Grad nachvollziehen.
Letztlich müsstest du dann aber jedes Land für unmoralisch halten.
Denn kein Land legt komplett die gleichen fairen Maßstäbe an alles an, hilft utilitaristisch jedem Menschen gleich etc.
Streng genommen ist dann das schiere Konzept der Staatsbürgerschaft unmoralisch - da gehe ich aber halt nicht mehr mit.
 
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Ich finde da nach wie vor die Analogie zu den Bombenangriffen auf deutsche Städte gut.
Die waren grundsätzlich gerechtfertigt - aber irgendwann war auch da der Punkt erriecht, an dem man (insb bei einzelnen Angriffe) hinterfragen könnte, ob sie es dann noch waren (weil Krieg eh vorbei).
Und dennoch ist nachvollziehbar, dass die Allierten dann halt lieber 10k tote Deutsche Zivilisten in Kauf nahmen, wenn sie das Gefühl hatten, dafür 1k eigene Soldaten zu retten. (Beispielzahlen).
Ähnlich finde ich es nicht gut, aber nachvollziehbar, dass Israel die Leben von Gaza-Bewohnern mittlerweile stark discounted bei ihrem Kalkül, sich selbst zu schützen & die Terrorgruppen zu zerschlagen.
Und wir sind wieder bei Godwin's law. :birb: Wenn man an der Stelle angekommen ist, Gaza mit Nazi-Deutschland zu vergleichen, um das Verhalten von Israel zu legitimieren, kann man eigentlich gleich seine Niederlage eingestehen. Nicht nur werden die Bombardierungen in ihrer Intensität durchaus kritisiert, sie haben auch ein Land erwischt, dass die ganze Welt mit Krieg überziehen wollte und nebenbei Millionen Menschen in Vernichtungslagern getötet hat.

Die Hamas hat aus dem Gaza Streifen einen grausamen Terroranschlag verübt und dabei viele Israelis getötet. Die Hamas hat zu keinem Zeitpunkt die Existenz Israels bedroht. Und wenn du behauptest, dass zum eigenen gefühlten Eigenschutz jegliches Mittel, auch die absolute Diskontierung ausländischen Lebens, legitim ist, kann ich an dich eine Reihe an "streng genommen" Positionen richten:
  1. Streng genommen fühlt Russland sich von der Nato-Osterweiterung bedroht. Wie groß die tatsächliche, objektive Bedrohungslage ist, spielt dafür erstmal keine Rolle. Streng genommen finde ich es nicht gut, aber nachvollziehbar, dass die Russen das Leben der Ukrainer in ihrem Kalkül, sich selbst zu schützen, discounten.
  2. Die Atombomben auf Japan in WK2 waren streng genommen absolut gerechtfertigt. Dass die USA 200k tote Japaner in Kauf nahmen, um dafür 1k eigene Soldaten zu retten ist nachvollziehbar. Ich finde es nicht gut, aber nachvollziehbar, dass die USA das Leben von Japanern stark discounted haben nach dem, was in Pearl Harbor passiert ist.
  3. Streng genommen fühlen sich die Palästinenser in Gaza von Israel verständlicherweise in ihrer Existenz bedroht. Ich finde den Angriff am 07.10. natürlich nicht gut, aber nachvollziehbar, dass die Hamas Leben von Israelis stark discounted bei ihrem Kalkül, sich zur Wehr zu setzen.
Jetzt wirst du wieder versuchen aufzuzeigen, wo die Unterschiede zu den Beispielen liegen (die selbstverständlich vorhanden sind). Der Punkt ist: Ich habe zu einem gewissen grad Verständnis, wenn ein Bruder den Mörder seiner Schwester umbringt. Ich weiß nicht, wie sauer ich in so einer Situation wäre und wie ich, hätte ich entsprechende Möglichkeiten, reagieren würde. Ich finde es nicht gut, aber schon irgendwo nachvollziehbar. Ich würde aber nie auf die Idee kommen, das Verhalten moralisch zu legitimieren und Selbstjustiz zu Notwehr zu erklären.
Und anders als bei den USA mit ihren Massakern im Irak und Afghanistan habe ich bei Israel nichtmal das Gefühl, dass es um "righteous anger" geht. Die Amis haben die Irakis nicht ganz offiziell als Tiere bezeichnet oder die Leichen in Paraden rumgefahren. Und doch haben sogar sie so Abscheulichkeiten wie Abu Ghraib verübt. Was für mich nur bedeutet, dass mikano höchstwahrscheinlich mit vielem von dem, was er so über die Israelis schreibt, recht haben wird. Das fühlt sich absolut fies an, aber ist leider sehr naheliegend. Und das sage ich nicht aufgrund von Aussagen der UNRWA, sondern einzig und alleine aufgrund dem, was IDF und Minister so von sich geben.
Ich bin daher auch bei Gustavo: Das alles so dauerhaft zu ignorieren, Israel die carte blanche auszustellen und darauf höchstens mal lapidar mit "jo die IDF macht auch nicht alles richtig" zu antworten ist für mich auch höchst unmoralisch. Ich muss dann immer schmunzeln, wie du dich über SPD oder BSW Politiker echauffierst; du bist für mich auf der gleichen Stufe.
 

Scorn4

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Es geht mir darum, dass ich als Starting Point das Grundprinzip "Mit Terroristen verhandelt man nicht" für besser halte als "wir tun alles, um Menschenleben zu retten, auch wenn wir maximal von Terroristen erpresst werden".
Wie man dann im Einzelfall entscheidet ist was anderes.
[...]
Ich finde da nach wie vor die Analogie zu den Bombenangriffen auf deutsche Städte gut.
Die waren grundsätzlich gerechtfertigt - aber irgendwann war auch da der Punkt erriecht, an dem man (insb bei einzelnen Angriffe) hinterfragen könnte, ob sie es dann noch waren (weil Krieg eh vorbei).
Und dennoch ist nachvollziehbar, dass die Allierten dann halt lieber 10k tote Deutsche Zivilisten in Kauf nahmen, wenn sie das Gefühl hatten, dafür 1k eigene Soldaten zu retten. (Beispielzahlen).
Ähnlich finde ich es nicht gut, aber nachvollziehbar, dass Israel die Leben von Gaza-Bewohnern mittlerweile stark discounted bei ihrem Kalkül, sich selbst zu schützen & die Terrorgruppen zu zerschlagen.
Also ersteinmal war mir schon so völlig klar, dass du hier die Standpunkte 1.) nicht verhandeln und 2.) Bombenangriffe auf Gaza a la WW2 rechtfertigen kannst. Und hatte das nur noch nicht so deutlich ausformuliert. Vor allem beides in Combo.

Welchen Sinn hatte noch gleich die Bombardierung deutscher Städte?
Demoralisierung der Bevölkerung? Funktioniert nachweislich nicht.
Zerstörung der Industrie? Sowas hat Gaza nicht.
Sollen die Bewohner von Gaza etwa die Hamas stürzen? Fände Israel bestimmt easy, wenn die Leute von Gaza morgen bewaffnet auf die Straße gehen.
 
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  1. Streng genommen fühlt Russland sich von der Nato-Osterweiterung bedroht. Wie groß die tatsächliche, objektive Bedrohungslage ist, spielt dafür erstmal keine Rolle. Streng genommen finde ich es nicht gut, aber nachvollziehbar, dass die Russen das Leben der Ukrainer in ihrem Kalkül, sich selbst zu schützen, discounten.
Bullshit-Vergleich.
Der Angriffskrieg Deutschlands war objektive Realität.
Die Angriffe der Hamas vor und am 7. Oktober, und ihr erklärtes Ziel, Israel zu vernichten, sind real.
Die Bedrohung durch NATO-Osterweiterung ist vollständiger Quark & vorgeschobenes Argument.
  1. Die Atombomben auf Japan in WK2 waren streng genommen absolut gerechtfertigt. Dass die USA 200k tote Japaner in Kauf nahmen, um dafür 1k eigene Soldaten zu retten ist nachvollziehbar. Ich finde es nicht gut, aber nachvollziehbar, dass die USA das Leben von Japanern stark discounted haben nach dem, was in Pearl Harbor passiert ist.
Die Atombomben auf Japan sind in der Tat defensibel.
Das heißt bei Weitem nicht, dass man sie gut finden muss - von daher keine so schlechte Parallele zu Gaza.
  1. Streng genommen fühlen sich die Palästinenser in Gaza von Israel verständlicherweise in ihrer Existenz bedroht. Ich finde den Angriff am 07.10. natürlich nicht gut, aber nachvollziehbar, dass die Hamas Leben von Israelis stark discounted bei ihrem Kalkül, sich zur Wehr zu setzen.
Bullshit, siehe Russland.
Du kannst nicht tatsächliche Bedrohungen mit erfundenem Quatsch vergleichen.

Und anders als bei den USA mit ihren Massakern im Irak und Afghanistan habe ich bei Israel nichtmal das Gefühl, dass es um "righteous anger" geht. Die Amis haben die Irakis nicht ganz offiziell als Tiere bezeichnet oder die Leichen in Paraden rumgefahren.
Vergleichst du hier die Hamas mit den USA?
Denn die Hamas sind es, die Opfer des 7. Otokber herumparadiert haben, darunter auch eine deutsche Staatsbürgerin.
Und doch haben sogar sie so Abscheulichkeiten wie Abu Ghraib verübt. Was für mich nur bedeutet, dass mikano höchstwahrscheinlich mit vielem von dem, was er so über die Israelis schreibt, recht haben wird.
Das fühlt sich absolut fies an, aber ist leider sehr naheliegend. Und das sage ich nicht aufgrund von Aussagen der UNRWA, sondern einzig und alleine aufgrund dem, was IDF und Minister so von sich geben.
Ich bin daher auch bei Gustavo: Das alles so dauerhaft zu ignorieren, Israel die carte blanche auszustellen und darauf höchstens mal lapidar mit "jo die IDF macht auch nicht alles richtig" zu antworten ist für mich auch höchst unmoralisch. Ich muss dann immer schmunzeln, wie du dich über SPD oder BSW Politiker echauffierst; du bist für mich auf der gleichen Stufe.
"Was mikano schreibt wird schon stimmen" -> "also dürfen wir das nicht ignorieren."
???

Also ersteinmal war mir schon so völlig klar, dass du hier die Standpunkte 1.) nicht verhandeln und 2.) Bombenangriffe auf Gaza a la WW2 rechtfertigen kannst. Und hatte das nur noch nicht so deutlich ausformuliert. Vor allem beides in Combo.

Welchen Sinn hatte noch gleich die Bombardierung deutscher Städte?
Demoralisierung der Bevölkerung? Funktioniert nachweislich nicht.
Zerstörung der Industrie? Sowas hat Gaza nicht.
Sollen die Bewohner von Gaza etwa die Hamas stürzen? Fände Israel bestimmt easy, wenn die Leute von Gaza morgen bewaffnet auf die Straße gehen.
Damals wusste man nicht unbedingt, was funktioniert und was nicht.
Das war probieren - und bestimmt je nach Akteur auch eine Portion Revanchismus.

Bei Gaza ist das Ziel, die Hamas zu vernichten.
Das ist ein sehr legitimes Ziel.
Du kannst natürlich sagen, es sei unmöglich und/oder die Kollateralschäden seien zu hoch - dass das Ziel legitim ist, ist aber nicht bestreitbar.
 

Scorn4

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Damals wusste man nicht unbedingt, was funktioniert und was nicht.
Das war probieren - und bestimmt je nach Akteur auch eine Portion Revanchismus.

Bei Gaza ist das Ziel, die Hamas zu vernichten.
Das ist ein sehr legitimes Ziel.
Du kannst natürlich sagen, es sei unmöglich und/oder die Kollateralschäden seien zu hoch - dass das Ziel legitim ist, ist aber nicht bestreitbar.
Es geht bei der Analogie Bombardierung Gaza - Bombardierung deutscher Städte WW2 gar nicht darum, ob letzteres gerechtfertigt ist, sondern ersteres.
Denn: welches Ziel soll das bitteschön erfüllen?

Zitat von oben:
Demoralisierung der Bevölkerung? Funktioniert nachweislich nicht.
Zerstörung der Industrie? Sowas hat Gaza nicht.
Sollen die Bewohner von Gaza etwa die Hamas stürzen? Fände Israel bestimmt easy, wenn die Leute von Gaza morgen bewaffnet auf die Straße gehen.
Und der Bonus:
Zerstörung der Hamas? Sind die nicht in Tunneln oder so?!
 
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