Ich habe überhaupt nicht über die israelischen Zahlen gesprochen - ich gebe in diesem Konflikt nichts auf die israelischen Opferangaben außerhalb ihrer eigenen Grenzen. Ich habe von der Kritik dieses spezifischen Wissenschaftlers geredet, die im übrigen nicht nur den "linearen" Anstieg der Totenzahlen umfasst. Dazu sagt auch dein Blogartikel nichts (bzw. erwähnt der Author in den Kommentaren, das er dazu nichts weiter sagen kann). Ich finde wenn man sich auf die Angaben einer Kriegspartei stützt, kann man schonmal solchen Hinweisen nachgehen. Die Aussage, dass es keinen Grund gäbe, den palästinensischen Angaben nicht zu trauen, kann ich da einfach nicht teilen. Den Grund gibt es für jede Kriegspartei, egal ob es sich nun um Palis, Israel oder die Ukraine handelt.
Du hast nichts über die Opfer der Israelis gesagt, aber du hast insinuiert der Grund warum sein Artikel nicht breiter besprochen wird könnte ein Bias sein, dass "der Hamas" einfach so geglaubt wird, während Wyner als Jude per se verdächtig ist (mutmaßlich der Parteilichkeit gegenüber Israel). Das ist in meinen Augen aber eine extrem steile These: In den meisten Medien werden die Zahlen als Zahlen einer durch die Hamas kontrollierten Behörde getaggt (und da zumindest am Anfang häufig ohne Hinweis, dass sich ihre Zahlen bisher als belastbar erwiesen haben, wobei ich ihn in letzter Zeit häufiger gesehen habe). Generell wird der Hamas eine große Skepsis entgegen gebracht, die mir
prinzipiell gerechtfertigt erscheint aber bei der Frage der Opferzahlen wohl
nicht gerechtfertigt ist, während der israelischen Seite bei weitem nicht dieselbe Skepsis entgegen gebracht wird, obwohl man mittlerweile alleine aus diesem Krieg dutzende von breit rezipierten (!) Aussagen der israelischen Regierung oder der IDF rauskramen könnte, die sich bei näherer Betrachtung als nicht korrekt erwiesen haben und so leid es mir tut das zu sagen, da war tatsächlich auch schon alles dabei von einseitiger Darstellung (für welche ich sowieso immer diskontiere, wobei ich weiß dass das keineswegs alle tun) bis hin zu offensichtlichen Lügen, teilweise von bekannten Fabulisten, wie man sie von demokratischen Staaten so einfach nicht gewohnt ist. In diesem Umfeld erscheint mir die These, dass man Wyner prinzipiell verschweigt, weil er parteiisch ist, während man laufend (wobei auch das zugegebenermaßen besser geworden ist) die IDF zitierte, als wäre sie eine neutrale, objektive Quelle, extrem schwer vorstellbar.
Worüber du tatsächlich etwas gesagt hast ist die Zahl der Opfer und der Tablet-Post (den ich tatsächlich auch schon verlinkt gesehen habe), aber dessen Argumentation bzgl. der falschen Gesamtzahl setzt primär auf die Linearität bzw. die fehlende Varianz in den Daten, obwohl das Argument offensichtlich an den Haaren herbeigezogen ist und ich ehrlich gesagt auch erwarten würde, dass jemand der an der Wharton School eine Statistik-Professur besetzt so einen offensichtlichen Fehler nicht unabsichtlich macht*. Das, der arbiträre Zeithorizont, die generelle Reputation der Gesundheitsbehörde die die Zahlen veröffentlicht bei Leuten mit subject expertise und die Tatsache, dass eine veröffentlichte Studie (immerhin im Lancet) bzgl. eines größeren Zeitraums zu komplett gegensätzlichen Schlüssen kommen dürfte sehr viel eher der Grund sein, warum darüber in den deutschen Medien wenig berichtet wird (wobei ich gesehen habe dass mittlerweile die rechten Medien in den USA den Ball aufgreifen, insofern vllt. auch bald in deutschen Medien; die NZZ hat den Artikel jedenfalls direkt übersetzt und unkommentiert so gebracht).
Im Übrigen ergibt die These auch wenig Sinn: Die Einwohner von Gaza sind registriert, haben ID-Nummern und sind den israelischen Behörden bekannt. Die Namen bis zum 26. Oktober wurden am 27. Oktober veröffentlicht, damals stiegen die Zahlen in einem deutlich höheren Tempo als mittlerweile (was natürlich Sinn ergibt). Hätte die Gesundheitsbehörde tatsächlich Namen erfunden hätte sie entweder just zu dem Zeitpunkt damit anfangen müssen, als die Kurve der Opferzahlen ihren ersten Knick erhalten hat oder sie hätte die Namen von eigentlich noch lebenden Opfern rausgegeben. Sollte Letzteres der Fall sein würde ich davon ausgehen, dass das auf Dauer den Geheimdiensten nicht verborgen bleibt. Der obige Link scheint aber eher auf das Gegenteil hinzudeuten: Die Israelis scheinen die Zahlen zu glauben, auch wenn sie sie leugnen und die Amerikaner sagen sie können sie nicht "unabhängig verifizieren", was in der Außenkommunikation der Amerikaner zu diesem Konflikt ungefähr bedeutet "wir glauben das auch, aber wir wollen es nicht sagen."
*fun fact: Ein Freund von mir hat als Professor an derselben Uni angefangen, an der ich Postdoc war und ist mittlerweile an der Wharton und ich habe ihn mal gefragt was er über Wyner weiß und das erste was ihm eingefallen ist dass Wyner Auftragsarbeiten für Klimaskeptiker macht
Aber am Ende ist mir garnicht mal so wichtig, ob der Typ mit seiner These nun recht hat. Wenn nicht, sollte das natürlich entsprechend veröffentlicht und diskutiert werden (wie etwa in dem von dir verlinktem Blog z.T. geschehen). Ich finde es aber einfach ... "pikant", dass Mikanos Kinderzahlen hier und auch in diversen Medien sofort wieder breit getreten werden, aber Argumente der "Gegenseite" nicht. Wieso ist das so? Hältst du die Tote-Kinder-Rechnung für plausibler, als dass man der den Palis gefälschte Opferzahlen nachweisen könnte? Im Ernst?
Wenn ich ganz ehrlich bin halte ich diese Diskussion für schweinedumm. Weder bin ich dafür, Kinder als Opfer irgendwie gegenüber anderen unschuldigen (erwachsenen) Opfern zu privilegieren, noch halte ich es für relevant, ob es jetzt mehr oder weniger Kinder waren als in anderen Konflikten, schon gar nicht relevant ob in allen anderen Konflikten. Was für einen Unterschied soll das machen außer vielleicht für Leute, die jeglichen rationalen Bezug zu diesem Thema verloren haben und die Frage nur noch als politischen Spielball betrachten?
Zu der Behauptung, "Argumente" der Gegenseite würden nicht beachtet siehe oben und noch eine Sache: Ich lese wirklich aufmerksam deutsche und amerikanische Medien. Mittlerweile komme ich um Nachrichten zu diesem Krieg auch nicht mehr so gut herum wie zu früheren Konflikten (über die ich mich lieber ex post informiert habe, als die Propagandawolken nicht mehr ganz so dicht waren), einfach weil die Drastik so eine andere ist diesmal. Wenn du wirklich findest, die israelische Seite würde mit ihren Behauptungen zu wenig Gehör bekommen leben wir wirklich in völlig unterschiedlichen Realitäten.
@mikano: Ich fände es btw auch gut, wenn du dich ein bisschen am Riemen reißen könntest. Du machst es zu leicht deine Posts wegzuwischen, obwohl sie eigentlich Informationen beinhalten, mit denen man sich auseinander setzen sollte.
Was die UNRWA-Geschichte angeht, das ist eine Hilfsorganisation explizit für Palis mit 30.000 (!) Mitarbeitern. Ich glaube niemand wird so naiv sein, bei einer derart großen und tief in die palästinensische Gesellschaft integrierte Organisation davon ausgehen, dass es keine Hamas-Akteure dadrin gibt, oder? Ich meine Peter Hansen hat das halt 2004 bereits gesagt, und der war Chef in dem Laden. Ansonsten, wenn von "garkeine Beweise" geredet wird, muss ich mich schon wundern, wo es doch laut wiki
mindestens ein Video gibt, bei dem auch ein unabhängiger Gesichtsabgleich durchgeführt wurde. Die Zahl, die wohl am ehesten Zweifel nach sich zieht, dürften die "10% sind Hamas" sein. Ob diese (sicherlich nur grobe Schätzung) stimmt kann ich nicht beurteilen, aber ich lehne mich glaube ich nicht weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass es bei 12.000 Mitarbeitern alleine in Gaza vermutlich schon mehr als die 12 explizit von Israel genannten sein werden.
@mikano Ich habe mir hier vor Monaten ziemlich viel Mühe und Zeit genommen, um auf deine Posts einzugehen. Den Fehler mache ich nicht nochmal.
Dem Teil stimme ich zu, habe ich hier auch schon mal so geschrieben.
Noch eine andere Anmerkung zu etwas, was hier (weiß nicht mehr ob in diesem Thread oder wo anders, aber ich glaube du hattest es auch erwähnt?) bemerkt wurde: Die Umfrage, die angeblich zutage gefördert hat, dass 20% der 18 bis 29-jährigen in den USA der Aussage "The Holocaust is a myth" zustimmen war eine
opt-in Umfrage. In einem validierten Panel sahen die Zahlen dann so aus: