Vereinzelte Fachgesellschaften und Universitäten haben den Forschern ihre Solidarität erklärt, darunter die Deutsche Gesellschaft für Soziologie und die Fachgesellschaft Gender Studies (FG Gender). Deren ehemalige Vorsitzende, die Soziologin Sabine Hark von der Technischen Universität Berlin, spricht von einem „deutlichen Qualitätsunterschied“ gegenüber früheren antifeministischen Angriffen. Sie beobachte seit längerem, wie der Sexismus in sozialen Netzwerken zunimmt, habe aber bislang gedacht, „dass der professorale Status einen gewissen Schutz vor Attacken bietet“. Das sei jetzt widerlegt.
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Diese Verunsicherung ist auch innerhalb der Wissenschaft spürbar. Männliche Kollegen hätten das Gefühl, keine Stellen mehr zu bekommen, weil überall Gender-Studies-Lehrstühle eingerichtet würden, sagt Hark. In der Statistik spiegelt sich das nicht wider: Harks Stelle ist die einzige in Deutschland mit der ausschließlichen Denomination Gender Studies. 160 weitere Professuren haben einen Genderschwerpunkt innerhalb ihrer Disziplin, doch das sind nur 0,4 Prozent aller Professuren. „Dass die Gender Studies etwas erreicht haben, wird schon als Angriff gewertet“, sagt Susanne Völker.
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Diese Reaktion auf Geschlechterthemen ist typisch: Als Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts Zugang zu Hochschulen bekamen, versuchten selbst Geistesgrößen, das zu verhindern. In den 1970er Jahren fühlten sich Wissenschaftler durch feministische Theorien provoziert, etwa in der Linguistik. Die Argumente waren selten sachlich: Man warf den Kolleginnen „fanatisierte Beschäftigung“ mit Sprachtraditionen und Missachtung des sprachlichen „Ökonomie-Faktors“ vor. Dass die Debatte noch nicht beendet ist, hat die Verwendung des generischen Femininums in der Verfassung der Universität Leipzig im vergangenen Jahr gezeigt. Bundesweit gab es in der Öffentlichkeit und von manchen Wissenschaftlern den Vorwurf, die Bezeichnung aller Hochschullehrer als „Professorinnen“ verhunze die Sprache.
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Für Simon zeugt beides von Anti-Intellektualismus. Es gebe saubere kognitionswissenschaftliche und psycholinguistische Studien, die zeigten, wie Sprache auf die Wahrnehmung von Geschlecht wirke. „Es ist ja unser Geschäft als Wissenschaftler, Dinge herauszufinden, auf die man nicht gekommen wäre, wenn man nur unter Nachbarn plaudert.“ Hark glaubt, die Kommentatoren im Netz suchten selten Zugang zu seriösen Medien, geschweige denn zum akademischen Diskurs. Auch Völker geht davon aus, dass Wissenschaftler eher nicht an der Hetzjagd beteiligt sind. Das Internet biete den wenigen Radikalen jedoch die Möglichkeit, ihre Wut „zugespitzt herauszuposaunen“.