Hab's mal App genannt weil ich sehr zurückhaltend bin es als Spiel zu bezeichnen. Es gibt schon ein Ende (bzw. sogar wenigstens zwei), aber auf dem Weg dahin kann man eigentlich nicht "verlieren" bzw. eigentlich nichts falsch machen, und auch wenn der Weg wegen des Gameplays unglaublich individuell wirkt, ist er mehr oder minder in Stein gemeißelt und letzendlich linear. Quasi stellt es sich im Nachhinein als Walking Simulator heraus.
Hat auch so ein bisschen was von Inception da man sich ein Headset aufsetzen kann während man schon eins aufhat (und dann in einer subsubvirtuellen Realität landet). Irgendwo nach 30-60 Minuten fällt das Ding komplett auseinander und wird von einer skurillen Konstruktion aus diversen Spielzeugboxen zu einem Adventure, bei dem man sich dann auch zwischendurch erstmal 10+ Headsets nacheinander vom Kopf ziehen muss weil man in einer VR in einer VR in einer VR in einer VR in einer VR in einer VR in einer VR [...] in einer VR ist, bevor man dann einen anderen ähnlich tiefen Pfad einschlägt.
Abgesehen von vielleicht GladOS hab ich auch selten dermaßen gute Charaktere erlebt. Gut, der Zweite den man trifft ist eine AI die sich in einem Batzen Butter manifestiert hat und richtig geil darauf ist, dass man sie mit perfekt getoastetem Toastbrot vollklatscht, und da hat man wohl ein bisschen von Hedonism-Bot gemoppst, war aber trotzdem unglaublich witzig. Danach spricht man unter anderem mit einer melancholischen Stadt oder einem Steppenläufer der auf irgendeinem Spaghettiwestern hängengeblieben ist.
Mein persönliches Highlight war ein sonnenverliebtes Segelboot, das erstmal stinkwütend wird sobald man irgendwie mit der Welt interagiert (also Sachen aufhebt oder sich teleportiert), statt sich den hübschen Sonnenuntergang anzugucken während es einen Monolog über die Schönheit des selbigen hält. Irgendwo in dem Monolog sagt es dann "the sun is so beautiful, it almost looks like you can reach out and touch it", was dann der Punkt ist an dem man realisiert, dass man die Sonne tatsächlich aufheben und bewegen könnte.
Der Charakter ist aber so so selten sympatisch mit dem weltklasse voice-acting und sound-design, dass man erstmal zögert das zu tun. Ist auch so 'nen bisschen ein VR-Ding; Man kuckt mehr oder minder automatisch das Boot an wenn es mit einem redet, alles andere wirkt sehr seltsam, zumal sonst die Stimme von der Seite oder von hinten kommt. Man nimmt das Ding halt absurderweise (ist immerhin ein sprechendes Segelboot) wesentlich ernster als jeden anderen Charakter einem "Pfannkuchenspiel" (sprich Nicht-VR-spiel), insofern löst das dann tatsächlich einen gewissen Zwiespalt in einem aus, weil die Sonne bewegen ist inetwa so verführerisch wie es klingt. Ist definitiv eines der wenigen VR-Spiele die abseits von VR kaum oder überhaupt nicht funktionieren würden.
Die Szene endet dann damit, dass einem das Segelboot klitzeklein vorrechnet, wieviele Sonnenuntergänge man denn wohl im Leben noch wertschätzen wird, wenn man denn so ein dämliches Arschloch ist das die Sonne in der Situation nichtmal ein paar Minuten in Ruhe lassen kann, und stellt dabei so Thesen auf, wie dass ein Sonnenuntergang betrachtet aus einem Auto auf dem Weg nach Hause von der Arbeit maximal (mit gutem Willen) 0,5 richtig wertgeschätzte Sonnenuntergänge wert ist.
Habe auch noch nie so eine Vielfalt an Emotionen in einem Entertainmentprodukt erlebt. Da gehts von Spaß über Stress über Langeweile über Trauer über 'wegen Lachen hinsetzen müssen' über Entäuschungsangst über Melancholie über mehr Spaß über Furcht über mehr Stress zu richtig tiefgründiger Angst und zurück. Es ist einfach richtig gut gemacht und ich hatte nie den Gedanken "na das hätte man ja besser machen können".
Story ist auch ganz gut (letzendlich geht es um Menschen die ihr Bewusstsein in Computer laden und dadurch unsterblich werden, woher dann vermutlich auch die abgefahrenen AIs kommen), wird durch die Art des storytellings und die ausserordentlich genießbaren Charaktere aber auch nochmal eine ganze Ebene höher gehoben.
Ist mit knapp dreieinhalb Stunden (wenn man den Charakteren denn auch zuhört, wird man aber, weil gut) halt relativ kurz, aber für 12 Ocken halte ich das für eine absolut angemessene Länge.
Klar, nicht das allerbeste Erlebnis was ich je an an einem Computer hatte, aber schon das beste VR-Erlebnis, und der beste Walking Simulator sowieso. Allerdings hasse ich das Genre auch normalerweise, spontan ist da 'Stories Untold' das einzige gescheite, was mir in den Sinn kommt.