Das beantwortet jetzt nicht wirklich meine Frage welche Konsequenzen du auf welcher Zeitskala fürchtest.
Auserdem:
Du gehst hier nur auf Senat und Unterhaus ein und definierst den Vorteil der Republikaner als ungerechtfertigt und baust darauf deine Argumentation auf. Wieso ist er das auf einmal, ich dachte du hälst die Methode dass kleinere Länder/Staaten überproportional Gewicht haben für fair?
Zum ersten Absatz: Das ist imho keine Frage, die man exakt beantworten kann oder die ich exakt beantworten sollte, weil dafür zu viele Dinge eine Rolle spielen, von denen man nicht sinnvoll voraussagen kann, wie sie sich entwickeln. Wie gesagt: Ich vermute dass es sich deutlich verschlimmert, sollte Trump als Präsident die Agenda der Republikaner abarbeiten. Ich denke es liegt nahe zu vermuten, dass Trump überhaupt erst durch diesen Effekt möglich geworden ist, weil Leute "das Establishment" abstrafen wollten, ohne wirklich zu differenzieren, wer oder was "das Establishment" ist und was es tatsächlich tut oder tun kann.
Zum zweiten Absatz: Ich habe gesagt dass Abweichungen vom reinen Prinzip "die Mehrheit entscheidet" legitim sind und in den USA gemacht werden. Das heißt nicht, dass ich es für legitim halte, wie es momentan (!) in den USA gemacht wird, was eben viel damit zu tun hat, dass das System für ein anderes Land und ein anderes Parteiengefüge gemacht wurde. Als die USA gegründet wurden war der größte Staat (Virginia) ungefähr 10x so groß wie der kleinste (Delaware), d.h. Stimmen aus Delaware hatten für den Senat 10x so viel Gewicht. Aktuell hat der größte Staat (Kalifornien) 66x so viele Einwohner wie der kleinste (Wyoming). Die 22 kleinsten Staaten haben zusammen weniger Einwohner als Kalifornien, aber 44 Senatoren (gegen 2 aus Kalifornien). Wenn zumindest ein Präsident, dessen Amt und Befugnisse man nicht sinnvollerweise weiter trennen oder delegieren kann, immer eine Pluralität hinter sich hätte, könnte man über den Rest zumindest diskutieren, weil er mit seinem Veto verhindern kann, dass seine Mehrheit überstimmt wird.
Ich dachte dein Problem ist speziell damit dass der Präsident, also das singuläre Staatsoberhaupt mit ungleicher Stimmengewichtung gewählt wird? Darauf gehst du gar nicht ein.
Und so vielen Wählern wie möglich die Wahl schwer zu machen würde den Republikanern gar nichts nutzen... das ändert ja das Verhältnis nicht. Sie müssten bestimmten Gruppen die Wahl so schwer wie möglich machen (z.B. Städtern die Wahl erschweren, oder bestimmten Minderheiten). Das hat jetzt aber nichts mit der Stimmengewichtung zu tun, das müssten sie sonst auch. Und die Demokraten müssten das auch (z.B. die Abstimmung auf dem Land erschweren).
Natürlich sind die Republikaner durch das System in einer besseren Situation das zu tun... aber mit dem anderen System wären es eben die Demokraten, ich sehe da keinen prinzipiellen Unterschied. Ich sehe hier nur wie du die Situation mit dem Republikanern als besonders schlimm darstellst weil du deren Macht einfach als ungerechtfertigt definierst. Aber das hat keine Begründung, wenn du davon ausgehen willst müsstest du einen Schritt zurück gehen und die ungleiche Stimmengewichtung generell als falsch erklären. Gibt sicher Argumente dafür, aber das wäre dann eben erstmal zu klären. Und selbstverständlich wäre dann auch das System in Europa als falsch anzusehen.
Zu der Frage mit den Wählern: Ich bin davon ausgegangen, dass Minderheiten überproportional viele Wähler stellen, die sich durch höhere Hürden eher abschrecken lassen würde, was ja mittlerweile die Parteiräson der Republikaner ist. Das ist der Unterschied zwischen den beiden Parteien: Es kann in einer Demokratie nicht legitim sein, zu versuchen zu gewinnen, indem man die Wählerzahl reduziert. Die Demokraten machen das nicht, die Republikaner schon. Beispiele gibt es haufenweise: Von den Voter ID Laws über die Klage gegen den Voting Rights Act mit anschließender Reduzierung der Wahlmöglichkeiten in Gebieten die überwiegend demokratisch wählen bis hin zur dauerhaften Aberkennung des Wahlrechts nach einer Verurteilung und Versuchen, gezielt vermutete Demokraten von Wahllisten zu streichen (bspw. durch caging).
Zum Rest: Dann hast du den Post nicht richtig verstanden, was allerdings auch stark daran liegen könnte, wie unstrukturiert mein Post war. Ich vereinfache mal ein wenig: Stell dir vor die policy eines Landes lässt sich in einer Dimension darstellen. Jede neue Regierung übernimmt an dem Punkt auf der Linie, wo die letzte Regierung übergeben hat und versucht, den Punkt (je nach Ideologie) nach links oder nach rechts zu verschieben. Bis dahin würde ich sagen, dass das so ziemlich jedes demokratische System der Welt ungefähr beschreibt.
Prinzipiell stelle ich mir ein legitimes System so vor: Die Höhe der Wahlsiege ist der entscheidende Faktor dafür, wie weit jede einzelne Regierung den Punkt verschieben kann. Wenn man möchte, dass Minderheiten überrepräsentiert sind (prinzipiell legitim), dann bremst man quasi je nach Wunsch stark oder weniger stark, wie weit man einem wie hohen Wahlgewinn den Punkt verschieben kann, im drastischsten Fall sogar auf nahe 0. Bis hierhin haben wir ungefähr das System, das wir in den USA bis vor kurzem tatsächlich vorgefunden haben: Große Wahlsiege haben die Politik entscheidend verschoben (FDR und LBJ nach links, Reagan in etwas geringerem Maße nach rechts), kleine oder unvollständige (ohne Mehrheiten in einer der beiden Kammern) deutlich geringer (bspw. Carter, Bush I, Clinton). Man kann sich jetzt darüber streiten, wie starkes Ausbremsen der Mehrheit noch legitim ist; ich würde bspw. argumentieren, dass auf nahe 0 ebenfalls ein Problem darstellt, weil damit der Wählerwille unterlaufen wird.
Jetzt haben wir es aber mit einem Fall zu tun, wo eine Minderheit nicht nur ausbremst, sondern aktiv die Politik gestalten kann und zwar mit viel mehr Freiheiten als die Mehrheiten sie davor hatten. Das erscheint mir illegitim und da ist auch der Vergleich mit anderen föderalen Systemen nicht mehr korrekt: In föderalen Systemen gibt es so gut wie immer eine Sperrminorität, aber eben auch einen Mechanismus der verhindert, dass eine Minderheit dann damit die Mehrheit überstimmt. Unser Bundesrat ist ungleich verteilt, aber im Bundestag entscheidet die Koalition mit der Mehrheit der (Wähler-)Stimmen hinter sich. Im Rat der EU braucht man eine Mehrheit der Länder UND der Bevölkerung, in der Schweiz ein Ständemehr UND ein Volksmehr.
Selbst das wäre aber irgendwo noch verschmerzbar, wenn solche Begünstigungen durch Zufall auftreten würden und prinzipiell beide große Parteien treffen könnten (wie bspw. in Großbritannien im 20. Jahrhundert der Fall). Aber das ist hier auch nicht mehr der Fall: Mittlerweile reden wir von einem systematischen Vorteil der Republikaner. Wenn der Vorteil so auch bei den Demokraten auftreten könnte, ok. Aber es ist nicht dasselbe, wenn er nur bei einer Partei auftritt. Damit kommt beides zusammen: Die Republikaner können extrem ausbremsen, wenn sie verlieren, aber die Demokraten sind jetzt trotz Wählermehrheit bei Präsident und Senatoren komplett auf das Wohlwollen der Republikaner angewiesen; wenn die Republikaner den Filibuster abschaffen, können sie durchregieren. Das ist kein System, das ich auf Dauer als legitim bezeichnen würde und ich wette dass das so gut wie niemand tun würde, wenn er nicht vorher selbst weiß, dass er in der privilegierten Minderheit ist.