An solchen grammatikalischen Merkmalen kann man also gewisse Absichten des Sprechers erkennen – und Absichten sind genau das, was bei Donald Trump immer noch Rätsel aufwirft. Könnten sich im Stil der Twittersprache Hinweise darauf verstecken, wie dieser erratische, impulsive und immer noch mächtigste Mann der Welt tickt?
Um das herauszufinden, sammelten die britischen Linguisten Isobell Clarke und Jack Grieve alle direkten Tweets von @realDonaldTrump zwischen 2009 und 2018. Sie untersuchten sprachliche Variationen und folgten der zeitlichen Entwicklung der Tweets. Vier Stildimensionen konnten sie ausmachen.
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Alle vier Stildimensionen zeigen ein klares zeitliches Muster – es könnte also sein, dass sich hinter den Tweets eine ausgeklügelte Kommunikationsstrategie verbirgt. Trumps Plauderton während der Vorwahlen könnte dazu gedient haben, gezielt seine von der Arbeiterklasse geprägte Wählerbasis anzusprechen, während er mit einem formelleren Ton kurz vor den Wahlen offenbar ein breiteres Publikum zu erreichen versuchte. Sein Wahlkampfstil schließlich ähnelt eher der Vermarktung eines Filmstars als den sonst üblichen politischen Kampagnen.
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Barbara Pfetsch, Kommunikationstheorikerin an der FU Berlin, stimmt den Linguisten zu, was Trumps Twitterstile angeht, allerdings rät sie im Hinblick auf die Interpretation zur Vorsicht. Ihr fehlt hier die theoretische Grundlage, die Rückschlüsse auf Trumps Motivation erlauben. Kommunikationsforscher Klaus Kamps von der Hochschule für Medien in Stuttgart ist nicht überrascht, dass Trump mit Kalkül tweetet – Experten, die sich mit der Kommunikation des Präsidenten eingehend beschäftigen, seien sich einig, dass Trump die Plattform durchaus differenziert nutzt: „Trump will, nicht nur zufällig oder weil er bauernschlau ist, die demokratischen Institutionen aushöhlen. Und das macht er mal offen im Schrei-Stil, mal durch die Hintertür.“
In der Öffentlichkeit entsteht trotzdem leicht das Bild eines impulsiven Präsidenten, der sich und seine tägliche Twitterei nicht im Zaum halten kann. Die sprachliche Analyse hingegen zeigt: Trump mag sich als einfachen Menschen inszenieren, der sich seine Gefühle von der Seele schreibt, ihn als Kindskopf zu deuten wäre jedoch verharmlosend. Auch Clarke und Grieve beklagen den Fokus der Medien auf üble Pöbeleien. Eine Analyse werde dem Phänomen Trump nur gerecht, wenn sie sich nicht darauf beschränkt, den Sinn hinter dem „Geschnatter im Netz“ zu suchen.