Es ist halt nicht "irgendeine Behauptung", sondern ein breiter Konsens, dass die Agenda 2010 zwar nicht ausschließlich für die Senkung der Arbeitslosigkeit und Sozialkosten zuständig war, aber doch wesentlich daztu beigetragen hat. Das weisst du so gut wie ich, ergo ist die Frage nach Quellen dazu einfach nur ein Versuch, dem Gegenüber in der Diskussion unbotmäßig Aufwand aufzuhalsen.
Wenn wir über den Klimawandel reden verlangt man ja auch vernünftigerweise nicht alle Nase lang nochmal die Quellen, sondern diskutiert auf dem Konsens.
Wenn es kein "Appeal to Authority" gewesen sein soll, dann hättest du ja auch einfach schreiben können "Quellen plz". Hast du aber nicht, sondern eben den Appeal to Authority eingebracht.
Und schon wird wieder kräftig zurückgerudert. Nur um dir nochmal in Erinnerung zu Rufen, was du geschrieben hast:
Ausschlaggebend für unsere Recovery vom "kranken Mann Europas" war die Agenda 2010 von Schröder.
Diesen Konsens gibt es nicht. Du kannst dich auf nichts berufen, er ist schlicht und ergreifend nicht existent. Die meisten Leute gehen davon aus, dass die Agenda 2010 zu zusätzlicher Lohnzurückhaltung geführt hat, die relativ niedrige Erwartungen der Tarifpartner zementiert hatten, selbst als sich das große Rad im Süden der EU aufhörte zu drehen. Das ist, worüber es Konsens gibt. Wie groß der Aufschwung (!) ohne Agenda 2010 gewesen wäre, ist dagegen Teil einer lebhaften Debatte. Ich anbetracht der Tatsache, dass die Lohnzurückhaltung (vulgo: "Wettbewergsfähigkeit") aufgrund von (drohenden und tatsächlichen) Verlagerungen der Produktionskapazität Richtung Osteuropa hoch war ist es keineswegs klar, was für einen zusätzlichen Effekt die Agenda 2010 hatte. Weil sie nun mal überall in Deutschland galt ist es im Nachhinein kaum möglich, sinnvoll den Effekt zu isolieren. Aber ich kenne ehrlich gesagt keine seriöse Forschungsarbeit, die ernsthaft damit gerechnet hat, dass der Aufschwung nicht auch ohne Agenda 2010 stark gewesen wäre. Insofern: Beruf dich nicht auf einen Konsens, der nicht existiert.
Und mein Appeal to Authority zielte darauf, dass ich dir sage, du redest hier mit jemandem dem solche Arbeiten nicht einfach durch die Lappen gingen, gäbe es sie denn. Ich sage nicht dass du mir einfach das Gegenteil glauben sollst, weil ich es schon besser weiß. Ich sage dir dass ich dir DEINE Behauptung nicht abnehme, weil ich es besser weiß, insofern Quellen plz. Da kam natürlich Quatsch, ganz wie erwartet:
Wenn es kein "Appeal to Authority" gewesen sein soll, dann hättest du ja auch einfach schreiben können "Quellen plz". Hast du aber nicht, sondern eben den Appeal to Authority eingebracht.
Aber bitte, für Drittleser nochmal Quellen:
Primärquelle:
https://www.uni-mainz.de/presse/73959.php
Sekundärquelle:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitsmarktreformen-die-agenda-2010-im-check-1.3398698
Quelle:
https://www.tagesschau.de/inland/agendazwanzigzehn-hintergrund100.html
Du hast dir PRESSEMITTEILUNGEN UND ZEITUNGSARTIKEL zu beliebigen Studien zusammengegoogelt, die du nicht mal richtig verstehst (sonst hättest du wohl nicht ausgerechnet Launov und Wälde genommen, die selbst behaupten die Effekte der Hartz-Reform auf die Arbeitslosigkeit sind bei 25% der Reduktion, was am unteren Ende dessen ist, was gemeinhin geschätzt wurde). Es geht nur insofern um Arbeitslosigkeit, als dass sie für die Wohlstandseffekte der Reformen als proxy taugt. Was wir aber sehen ist eben eine
Entkopplung dieser Konzepte seit Hartz IV. Die Wohlstandsgewinne kamen erst in nennenswertem Umfang zustande, als wir auf einmal mit einer viel wettbewerbsfähigeren Ökonomie dastanden als der große Rest Europas. Nun ist eine Reduktion der Arbeitslosigkeit ebenfalls eine gute Sache, aber nicht "ausschlaggebend" der Grund, warum Deutschland nicht mehr der kranke Mann Europas ist. Soweit ich weiß behauptet das auch niemand. Sie hat ihren Teil beigetragen, aber der ist irgendwo zwischen 15% und 45% bzgl. Reduktion der Arbeitslosigkeit und mutmaßlich deutlich niedriger bei den Wohlfahrtsgewinnen.
Es ist schlicht falsch, dass die "Refugee Crisis" in der Brexit-Kampagne und der Bewertung des "Warum war die Kampagne erfolgreich" keine Rolle gespielt haben soll.
Man schaue sich allein an, wie groß der Effekt der Refugee Crisis generell auf Zustimmungswerte zur EU war:
Primärquelle:
http://www.pewglobal.org/2016/06/07/euroskepticism-beyond-brexit/
Sekundärquelle:
https://www.theguardian.com/world/2016/jun/10/brexit-domino-effect-europe-eu-referendum-uk
Schon da sollte jedem klar werden, dass der Effekt auch in Großbritannien sicher 2%+ gewesen sein kann.
Ok, das schießt den Vogel ab. Du postest einen einzigen Link zu einer (!) Pew-Umfrage, die dazu auch noch keinerlei Anstalten macht, den Brexit in irgendeiner Form mit der Flüchtlingsproblematik in Verbindung zu bringen. Das einzige, wo Flüchtlinge überhaupt vorkommen, ist EIN Absatz in der Mitte, der nicht mal mit Zustimmung zur EU korreliert, weshalb der Artikel nicht mal irgendeinen Versuch unternimmt, Brexit und die Flüchtlingskrise in irgendeinen Bezug zu stellen. Man muss schon ein extremer Ideologe sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass eine
minimale Verschiebung bzgl. der Meinung zur EU vor/nach der Flüchtlingskrise*,
welche während der Referendumskampagne stattfand, sich damit erklären lässt dass Angela Merkel die Grenzen nicht geschlossen hat. Es gibt haufenweise Literatur aus der Politikwissenschaft die zeigt, dass die örtliche Migrationsquote einen beträchtlichen Einfluss gespielt hat, dagegen gibt es, zumindest meines Wissens, keine einzige Studie, die gezeigt hat, dass die Flüchtlingskrise insgesamt überhaupt eine Rolle gespielt hätte. Das ist eine PURE
*welche, wie bereits angemerkt wurde, den UK nicht mal betraf
Es gibt aber konkretere Studien:
Quelle:
https://www.kbc.com/en/economics/pu...nderlying-factors-behind-the-brexit-vote.html
Auch dass der Migration Fear Index zur Refugee Crisis in UK hochgeschnellt ist ist wahrscheinlich reiner Zufall, gell?
Siehe oben.
Du hast dir das Policy Paper nicht mal genau angeschaut, richtig? Oder wie erklärst du dir sonst, dass eine Studie, welche die Gründe für den Brexit aufschlüsseln will, deine Behauptung überhaupt nur unter ferner liefen erwähnt?
Mal ganz nebenbei: Dein "Migration Fear Index" ist etwas, wovon ich noch nie gehört habe, was mich schon mal skeptisch macht. Kurzes Googeln ergab dann, dass es sich um die in der Sozialwissenschaft extrem schlecht beleumundete Economist Intelligence Unit handelt. Das kann man als Nicht-Sozialwissenschaftler jetzt nicht unbedingt wissen, aber: Hättest du dir die minimale Arbeit gemacht, mal nachzuschauen, wie der konstruiert wird, hättest du gesehen, dass es so ist. Siehe:
- Migration (M): "border control", Schengen, "open borders", migrant, migration, asylum, refugee, immigrant, immigration, assimilation, "human trafficking"
- Fear (F): anxiety, panic, bomb, fear, crime, terror, worry, concern, violent
To construct our Migration Fear Index, we count the number of newspaper articles with at least one term from each of the M and F term sets, and then divide by the total count of newspaper articles (in the same calendar quarter and country).
We obtain counts from Le Monde for France, Frankfurter Allgemeine Zeitung and Handelsblatt for Germany, the Financial Times and the Times of London for the United Kingdom, and US newspapers indexed by the Access World News Newsbank database for the United States
Das misst in keiner Weise die Einstellung der Bevölkerung, sondern lediglich Nachrichtenmeldungen zwei Zeitungen, von denen eine auch noch dezidiert konservativ ist. Und whoa, siehe da: Zu einer Zeit, in der Immigration AUS EINEM GANZ ANDEREN GRUND heftig diskutiert wird, geht diese Zahl nach oben. Wer hätte es gedacht? Und siehe da: Wenn man die USA neben den UK plottet (
Daten hier), dann sieht man dass dort der "Migration Fear Index" im selben Zeitraum sogar schneller steigt, obwohl die mit der "refugee crisis" nun so gar nichts am Hut hatten. Ergo: Völliger Mumpitz.
Es ist einfach eine Unart, bei soliden Hypothesen ohne Quellenbeleg in einem Forum (keine wissenschaftliche Arbeit) direkt von "dummdreiste Spekulation" zu reden. Wenn du etwas behauptest, tue ich das auch nicht, sondern argumentiere oder bringe eben Quellen.
Man kann ja gerne bevorzugen, dass mit Quellen und Daten argumentiert wird. Und wenn man mit einer argumentativen Debatte sich nicht einig wird, ist es sogar sehr sinnvoll, Daten zu bringen.
Aber die stetige Unterstellung, dass, nur weil man jetzt gerade keine Quelle bringt, das ganze nur "dummdreiste Spekulation" sei ist einfach ganz, ganz übler Diskussionsstil. Man sollte dem Gegenüber nicht das Schlimmste unterstellen, um ihn zu diskreditiere. Sondern erstmal vermuten, dass er Gründe für seine Aussagen hat.
Oh, ich glaube dir dass du Gründe für deine Aussagen hast: Du bist die Art Mensch, die glaubt, man könne sich die Antworten zu hochkomplexen gesellschaftlichen Fragen schon irgendwie anhand von unregelmäßiger Zeitungslektüre und den eigenen Vorurteilen zusammenreimen. Nur arbeite ich halt beruflich genau zu diesen Dingen, insofern weiß ich, dass das häufig nicht der Fall ist, weshalb mich deine Spekulationen ja auch so nerven. Dir ist vielleicht aufgefallen, dass ich das bei vielen Leuten nicht so mache, du fällst mir bloß wiederholt damit auf und leider scheint bei dir die Sicherheit bzgl. des eigenen Standpunkts damit zu korrelieren, wie verankert deine Vorurteile bzgl. bestimmter Sachverhalte sind. Damit bist du beileibe nicht alleine, aber besser macht es das halt nicht.
Ach, ist das so?
2005 | 1490 Milliarden | 65,1 |
2010 | 2012 Milliarden | 78,4 |
2015 | 2021 Milliarden | 66,7 |
2019 | 1899 Milliarden | 55,1 |
Quelle:
https://www.wiwo.de/politik/deutsch...n-deutschland-und-der-welt-2020/26683850.html
Wir haben also, selbst wenn man hier nicht den Beginn der Ära Merkel nimmt, sondern den Peak der Verschuldung, einen Abbau der Schulden um aufgerundet €250 Milliarden.
Ab dem Moment, wo du mit der Zahl links (absolute Höhe der Schulden) diskutierst, obwohl du genau weißt (oder zumindest wissen müsstest) dass die Zahl links völlig irrelevant ist, wenn man die Zahl rechts (Schulden als Prozent BIP) kennt, erübrigt sich der Rest der Diskussion eigentlich, weil du offensichtlich nicht gewillt bist, sie ernsthaft zu führen. Schuldenabbau von 78,4% des BIP auf 55,1% des BIP entspricht einem hohen dreistelligen Milliardenbetrag.
Allein die Kosten der letzten Rentenreform kostet 2020-2025 €177 Milliarden.
Quelle:
https://www.focus.de/finanzen/alter...ostet-uns-die-rente-bis-2025_id_12389425.html
Dazu bezuschusst der Steuerzahler die Renten mit €100 Mrd im Jahr, weil notwendige Reformen hinausgeschoben werden.
Das Problem ist ja nicht nur die Mehrkosten durch neue Rentengeschenke, sondern auch die nicht erfolgten Ersparnisse, weil man sich nicht an die Rentendauer etc. herantraut.
Selbst mit minimalem Nachdenken müsste man eigentlich darauf kommen, dass diese Milchmädchenrechnung hinten und vorne nicht stimmen kann, wie so häufig beim Bundesrechnungshof. Und genau so ist es natürlich auch: Die "Kosten" kommen daher, dass lediglich Mehrausgaben aufsummiert werden, ohne darauf zu achten, wie diese finanziert werden*. Dann wäre nämlich klar, dass ein Großteil dieser "Kosten" innerhalb des Rentensystems selbst finanziert werden, nämlich durch Änderung der Rentenanpassung und Erhöhung des Rentenbeitrags und nur zu einem kleinen Teil durch Steuerfinanzierung. Ein intellektuell ehrlicher Vergleich sähe so aus, dass du dir die
Änderung des Zuschusses aus dem Bundeshaushalt anschaust. Und siehe da: Dein Punkt löst sich in Wohlgefallen auf. Und wenn wir ganz genau sein wollen, würde ein realistischer Vergleich auch noch eine Korrektur vornehmen, dass sich das demografische Profil seitdem verschoben hat, d.h. ein Teil dieser Steigerung ist schlicht und ergreifend mechanisch.
*nach derselben Rechnung hätte ich, wenn ich erst bestimmte, dass in Zukunft die heutigen Rentenausgaben komplett an Frauen ausgezahlt werden und das dann am nächsten Tag wieder zurücknehme und sage, ok, schlechte Idee, lassen wir doch alles beim alten, die "Kosten" der Rente um 100% erhöht
Die Kosten der "Flüchtlingskrise" aka Armutsmigration sind noch höher:
Quelle:
https://www.augsburger-allgemeine.d...as-kostet-die-Krise-den-Staat-id58009026.html
Und wir wissen ja, dass die Arbeitsmarktintegration keineswegs besser gelingt als erhofft/erwartet, die Realität dürfte hier also weit näher an Raffelhüschen als an der älteren Prognose von Bonin liegen.
Was soll das Argument sein? Es gibt keine neue Prognose von Raffelhüschen, er macht immer noch denselben generational accounting Kram den er immer macht. Bisher war die Voraussage von Bonin sehr viel näher an der Wirklichkeit als die von Raffelhüschen, daran hat sich auch nichts geändert, weil wir anscheinend relativ genau auf Bonins "mittlere Qualifikation" Szenario zusteuern. Wieder: Keinerlei Quantifikation, pure Meinung.
Erstens gilt auch das nur für einen Teil der Migranten, da sich eben durch die offenen Grenzen auch ganz massiv Nicht-Flüchtlinge auf den Weg gemacht haben.
Zweitens herrschten schon in der Türkei eben keine unmenschlichen Beziehungen mehr. So dass die Öffnung der Balkanroute eben nicht mit "unmenschlichen Bedingungen" rechtfertigbar war.
Bullshit.
In der Türkei gab es keine so krasse humanitäre Katastrophe, welche eine Grenzöffnung alternativlos gemacht hätte.
Umgekehrt wurden durch die Grenzöffnung viele Migranten erst auf die gefährliche Route, inkl. aufs Mittelmeer, gelockt.
Und viele sind dabei gestorben.
Hör also auf mit dieser ekelhaften Moralkeule, die man genausogut umdrehen könnte.
Ach bitte. Du weißt genauso gut wie wir alle, dass es viel leichter ist, Migranten erst gar nicht ins Land zu lassen, anstatt sie danach wieder loszuwerden. Wir schaffen es ja nicht mal, zuverlässig die Schwerkriminellen abzuschieben.
Exakt, und gerade deswegen war es ja so ein großer Fehler, die Leute nach Europa und dann nach Deutschland zu locken. Weil die Medien eben irrational reagieren und das Leid auf europäischen Boden und dann auf deutschem Boden jeweils um den Faktor 10 wichtiger werden als vorher. Mit Humanismus und pragmatischer Hilfe hat das nichts zu tun.
Zu dem Teil ist imho alles gesagt.
Auch wenn ich die Diskussion interessant finde, frag ich mich was das jetzt bringen soll. Ich verzettelt euch total und irgendwann verliert man den Überblick und jeder geht seines Weges und denkt er hat Recht. Besonders sinnvoll wird es, wenn man versucht die Hypothesen jeweils ins Extreme zu verzerren.
Da ist was dran, aber stehen lassen will ich das schlicht und ergreifend so auch nicht. Vielleicht liest das ja tatsächlich jemand und denkt "ok, klingt stimmig."