ad 1: Jepp. Das ist die Segnung des schnellen Informationsaustauschs. Wer eine Meinung hat macht sich angreifbar. Wer keine Meinung hat und stattdessen wolkig-unpräzise-emotionale Wohlfühlparolen von sich gibt ist nicht angreifbar und wird viel eher geliebt.
ad 2: Jaein. Ich würde mir ja wünschen, dass Du recht behältst, aber das sind nicht die gleichen Grünen. Die Grünenbasis ist voll von so vielen wahnwitzigem intellektuellem Dünnschiss, dass es mir graut. Nicht, dass ich nicht auch prinzipiell gut ins Raster des typischen Grünen-Wählers passen würde, aber … sie widerstreben mir ähnlich stark wie jede andere im BT vertretene Partei. Auch weil mir der Glaube fehlt, dass sich die Realos durchsetzen. Ich glaube zwar, dass sie durchaus einen Haufen sinnvoller Dinge anschieben könnten, aber ich würde befürchten, dass es an anderer Stelle ziemlich vogelwild werden könnte.
N.B.: Ich glaube auch, dass eine weitere Groko oder eine Schwarz-Gelbe Regierung noch schlimmer wäre. Mit Schwarz-Grün kann ich am Ende wahrscheinlich leben auch wenn ich vermutlich trotzdem mindestens die Hälfte von dem was sie tun werden scheiße finden werde. Eine GRR-Regierung würde uns meiner Einschätzung nach vor allem eins bringen: Nach vier Jahren einen Regierungswechsel und dann nochmal mindestens 8 Jahre Stillstand à la Kohl/Merkel.
Das ist mE die eigentliche Frage: Wer hat gegen wen die besseren Chancen? Habeck gegen Laschet? Baerbock gegen Söder?
Ad 1: Jein. Die Grünen die ich kenne sind alle ziemlich radikal und wenig konsensorientiert. Gut, sie sind meistens halt in unserem Alter. Aber allgemein sind es Menschen die (in der Tendenz) ihre Meinung und Emotionen vornan stellen und Menschen die nicht mindestens SPD wählen unter "Faschos" ablegen. Das ist meiner Erfahrung nach aktuell der einflussreiche Teil der grünen Basis. Das ist auch der Grund warum ich da sehr skeptisch bin … nur weil es die eigene (grundsätzliche) Meinung ist, macht es das Regieren nach Meinung und Überzeugung noch nicht zur richtigen Vorgehensweise. Für mich fehlt eine Option die wirklich faktenorientiert vorgeht und die eigene Meinung korrigiert wenn die Fakten das nahelegen. Da machen gerade alle Parteien eine schlechte Figur. Zugegeben, die Grünen vermutlich noch die am wenigsten schlechte, aber trotzdem :/
Ad 2: /thread.
Ad 3: Guter Punkt. Was ist denn "links"? Jeder Depp nennt sich links weil aktuell ein Bekenntnis zum Konservatismus in bunt gemischter gleichaltriger Gesellschaft ungefähr so sexy ist wie zu sagen, dass Hitler eigentlich ein dufte Typ war. Gleichzeitig scheinen die meisten unter "links" nur eine schlecht definierte Menge von "mehr Gemeinschaft und Solidarität, mehr Umverteilung, mehr alles für alle, mehr die Reichen zahlen lassen, früher in Rente, weniger arbeiten, Manna fällt vom Himmel" zu verstehen. Leistungsgerechtigkeit und Orientierung an der Mehrheit der Arbeitenden ist völlig aus dem Blick geraten. Das Thema Identitätspolitik will ich da erst gar nicht aufmachen weil das nochmal etwas anderes ist.
Es gibt gerade im linken Spektrum so viele bescheuerte Ideen mit denen suggeriert wird, dass der Staat einfach jedes Problem lösen kann indem er Schulden aufnimmt. Das ist imo auch ein Defizit in der aktuellen Debatte. Auch weil es keine Partei mit einem vernünftigen wirtschaftskompetenten Profil gibt … und damit meine ich nicht "Industrienutte" sondern einfach … verstehen wie eine Ökonomie funktioniert. SPD, Grüne, Linke überbieten sich in "einfach Ausgaben steigern und Deutschland zahlen lassen gg" und FDP und Union sagen … meistens nichts schlaues.
- Zum demographischen Wandel gibt es zwar einzelne die das offensichtliche Aussprechen, nämlich, dass die Rente mit 63 Unfug war und dass es eher in Richtung Rente mit 70 gehen muss, aber vor dieser Aufgabe scheuen alle zurück. Die "linke" Lösung (SPD/Linke) wäre einfach alle möglichst schnell zu verrenten, die Grünen sind da vermutlich etwas realistischer.
- Eine große Reform der Besteuerung von Energie … was wäre da eine linke Herangehensweise?
- Eine große Reform der Einkommensteuer? Eine reine Umverteilungsreform mit einer größeren Belastung der "Reichen" würde ich als blanken Hohn empfinden … weil ich in Steuerklasse I ohnehin schon jeden Monat sehe, dass ich der Depp der Nation bin.
- Eine große Reform des Staatsbürgerwesens und der Immigration? Da wäre eigentlich gerade für eine linke Partei viel zu holen, gerade auch wegen des demographischen Wandels, aber ich sehe nicht, dass irgendeine Partei hier die Eier hätte eine sinnvolle Regelung umzusetzen. Meiner Erfahrung aus Diskussionen nach würden diejenigen die sich als Linke bezeichnen selbst ein sehr liberales Immigrationsregime wie das Punktesystem von Kanada in Deutschland als schlimmer als der Holocaust bezeichnen. :/
- Eine große Reform des Bafög … eigentlich ein Selbstläufer für eine linke Regierung. Die Grünen haben hier einen passenden Punkt im Wahlprogramm, aber wiederum so schwammig, dass es mir graut. Da schreiben sie zwei Seiten vorher "berufliche und akademische Bildung sind gleich viel wert" … und im Abschnitt darunter folgt nicht wirklich etwas dazu. Immerhin steht da weiter unter "Forschung" nichts allzu dummes, aber es bleibt viel "einfach mehr Geld ausgeben" und wenig Konkretes.
- Eine Idee für eine nicht-naive Außenpolitik: Da gibt es offenbar nichts zwischen Falken (konservativ, aufrüsten) und Tauben (links, BW auflösen + no war plox). Gerade in den letzten Jahren ist imo deutlich geworden, dass die EU sich vielleicht mal etwas selbstbewusster positionieren sollte … was nicht zwingend gleich Angriffskrieg bedeuten muss.
Ich denke … es gäbe einiges zu klären was das Verständnis Nation vs. EU angeht, was Solidarität vs. Eigenverantwortung angeht und sicherlich noch vieles andere. Denn wenn ich eine große Kritik am aktuellen Diskurs im linken Spektrum hätte, dann wäre es wohl, dass Eigenverantwortung für das eigene Schicksal recht selten wichtig ist und stattdessen sehr häufig der Staat bemüht wird, um gefühlter Ungerechtigkeit entgegenzuwirken. Ich halte das für eine Sichtweise die auf lange Sicht den Einzelnen entmündigt. Meine Sicht wäre eher, dass der einzelne Mensch dazu befähigt werden soll sein Schicksal selbst zu bestimmen anstatt als Subjekt betrachtet zu werden, das des korrigierenden Eingriffs als Hilfestellung bedarf.