Gustavo, kannst du die Beschlüsse kommentieren?
Merkel wollte mehr bei Schulen und Ausgangssperren, afaik aber nicht am Arbeitsplatz - beim HO blockt meines Wissens die Union insgesamt.
Aber mal ehrlich: Das Argument, sie müsse ja noch weiter mit den MPs arbeiten und daher diplomatisch bleiben, ist doch verbraucht. Das hier ist die letzte Schlacht und wir haben grad die weiße Flagge gehisst.
Mir ist unbegreiflich, wie sie diese Beschlüsse mittragen kann.
Es ist wieder mal alles "too little, too late". Es wird weiterhin hauptsächlich darüber geredet, ob man nicht doch irgendwelche Lockerungen beibehalten kann, anstatt zu tun was notwendig ist, nämlich *deutlich* zu verschärfen. Ich habe gerade Kai Nagels Bericht zur Modellierung für B1.1.7 gelesen und es scheint mir offensichtlich, dass es noch zwei Stellschrauben gibt, an denen man kräftig drehen könnte:
- Die Unternehmen VIEL stärker in die Pflicht nehmen. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass es immer noch keine HO-Pflicht gibt. Alternativ scheint es mir zumindest möglich, eine allgemeine und vollständige FFP2-Maskenpflicht zu erlassen. Ich verstehe einfach nicht, wie man sowas wie Second-Hand-Smoke (imho durchaus zu recht) in Restaurants auf Rücksicht auf die Bedienungen unter Strafandrohung verbietet, aber Arbeitgebern keine Pflicht auferlegt dafür zu sorgen, dass zu jeder Zeit FFP2-Masken zu tragen sind. Von mir aus könnten das auch gerne die Mitarbeiter gegenseitig kontrollieren und ihre Arbeitgeber verpfeifen, wenn das nicht durchgesetzt wird.
- Private Treffen so weit wie möglich einschränken. Letztendlich ist das der maximale Hebel: Private Treffen im Innenraum ohne Maske sind DAS Problem. Nun lässt sich das unmöglich dekretieren, aber zumindest sollte die Politik extrem darauf erpicht sein, das so deutlich wie möglich zu machen.
(Der folgende Absatz ist generell und nicht speziell als Antwort auf deinen Post gedacht)
Nachdem ich den Bericht von Nagel gelesen habe, muss ich allerdings nochmal insistieren: Diese Entwicklung der Bundesregierung in die Schuhe zu schieben ist einfach himmelsschreiend dämlich. Leider ist unklar, wie hoch die Gefahr ist, sich anzustecken, wenn man auf Arbeit selbst eine FFP2-Maske im Innenraum trägt, die anderen Mitarbeiter aber nicht, aber bis auf die Problematik in den Betrieben hat die Politik es eigentlich ganz gut geschafft, die Risikofaktoren auszuschalten, denen man sich als Privatperson nicht entziehen kann*. Was jetzt übrig bleibt sind die fakultativen Risikofaktoren, auf die sich Menschen bewusst einlassen. Ich sage nicht dass das die Politik von der Pflicht entbindet, die auch so weit es geht auszuschließen, einfach weil mein Bild von Politik nun mal ist, das Maximum aus dem zu machen, womit man eben arbeiten kann. Aber ich sage durchaus, dass auch die moralische Schuld an der Pandemie bei der Politik zu suchen mittlerweile halt einfach nicht mehr zieht: Die Übertragungswege, die laut Nagel jetzt noch wirklich aktiv sind, sind alles Dinge vor denen die Politik aktiv gewarnt hat, die sie aber realistischerweise nicht mal verbieten könnte selbst wenn sie wollte. Moralisch ist das Problem nicht dass die Politik nicht noch Ausgangssperren verhängt (wenn sie das denn könnte), sondern dass zu große Teile der Bevölkerung sich einfach nicht so verhalten, wie sie müssten.
Nach allem, was ich über die MPK weiß (und das ist immer noch alles noch mit großen Unsicherheiten behaftet) verfolgt Merkel die vernünftigste Strategie von allen Teilnehmern: Grundsätzlich immer vorsichtiger als die aktuellen Maßnahmen und auf Sicht fahren. Es ist einfach absurd dass hier so getan wird als wäre Merkel ein Vorwurf zu machen, weil sie eventuell, vielleicht, wir wissen es halt nicht, wenn sie diktatorische Befugnisse hätte trotzdem nicht genug tun würde, während ansonsten so ziemlich alle anderen Akteure im politischen Prozess zumindest teilweise versagen:
- Mir scheint ein großer Teil wenn nicht gar alle MPs sind weniger vorsichtig als Merkel
- Die Opposition, insbesondere die AfD und mittlerweile leider auch zu großen Teilen die FDP, verhalten sich völlig unverantwortlich indem sie die ganze Zeit so tun als gäbe es irgendwelche gangbaren Optionen die einfach nicht existieren✝
- Mittlerweile scheint großen Teilen der Presse langweilig zu sein, weshalb vom Staatsversagen und von der Unzulänglichkeit der Beschlüsse bzgl. "kreativer Öffnungsmöglichkeiten" gesprochen wird, siehe bspw.
hier von heute in der FAZ, ohne sich in irgendeiner Weise zu fragen ob die Situation das jetzt noch hergibt
- Selbst die Bevölkerung, die lange Zeit wirklich sehr erfreulich einen vorsichtigen Kurs unterstützt hat, selbst als Teile der Opposition schon längst unverantwortliche Lockerungsforderungen gestellt haben, ziehen jetzt nicht mehr mit, obwohl die Lage jetzt DRINGENDER Lockerungen erfordert statt weniger dringend
Aber die Bundesregierung ist Schuld, weil Merkel sich nicht vor die Presse stellt und sagt "ich hätte es ganz anders gemacht, konnte mich aber nicht durchsetzen"? Einfach absurd.
*zumindest ohne horrende Kosten für die eigene Lebensgestaltung; klar könnte man auch, wenn der eigene Betrieb partout keine Maskenpflicht einführen will, einfach kündigen aber das kann man gerade in einer Pandemie natürlich niemandem zumuten
✝super geil ist die gebetsmühlenartige Wiederholung, man müsse auch "andere Werte als nur die Inzidenz" beachten, was effektiv immer daraus hinausläuft die Pandemie noch weiter außer Kontrolle geraten zu lassen
Woher soll denn der geneigte bw.de Leser ein Produktionskonzept für Impfstoffe herzaubern, falls er nicht zufällig als CEO in genau dieser Branche arbeitet?
Mach mal halblang und dreh die Beweislast einfach um [...]
Könnt ihr nicht, ganz recht. Ich kann natürlich auch nicht belegen, dass das nicht möglich gewesen wäre. Aber weil wir halt alle nichts Genaueres wissen, muss man sich halt anschauen, ob andere es besser hingekriegt haben oder nicht, weil positive Beispiele eben ein guter Hinweis darauf wären, dass die EU das auch hätte hinbekommen können. Das seid ihr hier alle schuldig geblieben, was ich für einen starken Hinweis darauf halte, dass das eben bei weitem nicht so einfach ist wie ihr euch das vorstellt. Dementsprechend drehen wir hier die Beweislast mal eher nicht um, sondern die Beweislast bleibt bei euch, die ihr ja ach so sicher seid, dass die EU versagt hat: Wie hätte man es konkret besser machen können? Warum weiß der geneigte bw.de-Leser so genau, dass die EU versagt hat?
Weder andere große Industrienationen wie Japan oder Australien, noch der UK mit einem eigenen staatlichen Impfstoffentwickler, nicht mal die USA mit ihren riesigen Möglichkeiten bzgl. Pharma, haben es geschafft, die Impfstoffproduktion von einem Impfstoff so hochzufahren wie ihr das von der EU verlangt. Wenn ihr recht hättet und das alles nur am fehlenden Willen der EU liegt, müsste es für andere Staaten doch möglich sein sich auf (mindestens) einen Impfstoffhersteller zu fokussieren, von dem wir wissen dass sein Produkt wirkt? Was hat Australien oder Japan oder Südkorea daran gehindert, ein Werk für Pfizer aus dem Boden zu stampfen? Warum braucht der UK Exporte von Pfizer UND AZ aus der EU, wenn sie doch einfach selbst noch ein paar Werke für AZ hätten bauen können? Warum hat selbst fucking Russland, wo der Staat in Eigenregie einen Impfstoff hat entwickeln lassen, eine Impfquote die nur halb so hoch ist wie die in der EU? Durch die Bank alles Versager?
Die USA hat doppelt soviel Impfstoff, aber die EU hat alles richtig gemacht.
Lies. Die. Letzten. Paar. Seiten. Des. Threads.