Du sprichst selbst den Wasserkopf an und genau da liegt ja auch mein Problem. Es wirkt so, als habe man sich eben etwas zurückgelehnt und abgewartet was im Herbst denn so passiert.
Du musst mir erstmal erklären: Für was? Nicht für "diesen Herbst", sondern für welche Perspektive nach dem Herbst, sobald wieder alles im Normalzustand ist. Davon hängt nämlich enorm viel ab, wenn du jenseits der puren Unmut etwas sehen willst.
Generell kann ich nicht für den Bund sprechen, eher vom Freistaat und teilweise der EU. Generell ist der Wasserkopf tatsächlich erstaunlich schlank, wenn man bedenkt welche Ressorts alle gesteuert werden und welche Detailebene betroffen sein kann, aber nicht muss. Piko schilderte es bereits, es sind ein paar Stufen drin, die sich langsam anhören, aber nicht immer sind.
Bei der Bereitstellung von Materialien für Projekte, beispielsweise so einer digitalen Lernplattform, sind unterschiedlichste Parteien an Bord. Zunächst kommt, jetzt nur für Bayern, in erster Linie wohl das StMAS. Dort wird es in eines von vielen Referaten gelegt, wahrscheinlich in das, das auch die Schulen insgesamt (siehe obige Liste was da alles drunterfällt) rein. Daneben gibt es noch Schnittstellen zum Rechnungshof und/oder dem StMWi (Wirtschaftsministerium) und/oder dem ESF-Bayern und (zwingend) Berlin (BMAS denke ich). Dort wird ausgelotet, wie sich die Finanzen zusammensetzen, ob es jetzt "nur" Freistaat, oder eine Mischung Bund / Freistaat / EU wird. Je nachdem muss das alles eruiert werden und dauert eben, weil es natürlich in einen Vertrag gegossen werden muss, der immer wieder vom jeweiligen Rest in München/Berlin/Brüssel abgenickt werden muss. Es ist Teil des Haushalts. Üblich wäre für ein Projekt der Größenordnung alleine für diesen Schritt ein halbes Jahr. Meiner Einschätzung nach dauert die Juristerei und v.a. die Ausschreibung hier am längsten. Ausschreibungen sind der Tod, speziell wenn wieder jeder andere Vorschriften haben muss. Deren Sinngehalt kann man gerne diskutieren, das meinst du wahrscheinlich mit eingerostet.
Btw.: Das sichert keine Arbeitsplätze, das sichert deine Haftung. Keiner will für ein teures Projekt weggebrannt werden, auch wenn faktisch keiner dafür haften könnte. Sicher ist aber sicher. Wenn ich mir Osteuropa so anschaue, dann ist es auch teilweise ein gutes Instrument Vetternwirtschaft zu unterbinden. Geschenkt, es ufert aber viel zu krass aus mittlerweile, einfacher sollte es schon sein.
Erst danach geht es an die vollständigen Skizzen, beim Ausschreiben selbst hast du meist sehr vage formulierte Ziele. Eigentlich benötigst du schon ein gutes Jahr, wenn nicht länger, um überhaupt die Funktionalitäten sinnvoll zu durchdenken. Jeder Schul- oder Ausbildungstyp sollte da berücksichtigt werden, jeder hat seine Eigenheiten und wird auch ständig in irgendeinem Teil reformiert. Theoretisch hast du das schon, praktisch nicht, weil es einfach ... hinderlich ist sich im Vorfeld einer Ausschreibung festzunageln. Vergisst du etwas, dann hast du den BER und musst ständig nachbessern und verlierst auf Blöd deine Gelder, weil es keiner mehr haben will und dumm wirkt.
Erst jetzt machst du dich an die Technik, die du auch nicht aus dem Boden stampfen willst, wenn es anwendbar sein soll. Je mehr es in der Praxis verbessert werden muss, desto mehr Anwender verlierst du. Und in diesem Bereich kann man den Anwendern nicht zu viel zumuten, weil sie einen Spezialistenjob nebenher haben. Da kann ich die Lehrer völlig verstehen, vor allem die motivierten, hätte auch keinen Bock so einen halbgaren Scheiß zu troubleshooten, während ich sowieso dafür erstmal Konzepte erstellen müsste und auch noch irgendwie meine Klassen zu betreuen habe.
Aber auch hier geschenkt, sinnvoll wären schon Inhalte auf der Plattform. Die kann man sicherlich sammeln, aber auch dafür brauchst du erstmal Leute, die das tun. Die gibt es nicht.
Übrigens, der Prozess bis hier, von der Ausschreibung der Angebote, der Vergleiche, der Berechnung, der Controlling, der Planung, der Bewerbung, der Netzwerk/Pressearbeit und alles was irgendwie dazugehört, sind selten mehr als 5-10 Mann. Die auch ihre Alltagsaufgaben haben. Beispielsweise die Planung und Qualitätssicherung der normalen Abschlussprüfungen, inkl. Logistikverwaltung von Druck zu Schule. Es ist wirklich eine Menge.
Und nun die Eingangsfrage: wozu? Die Frage blendet zunächst mal Corona aus, wenn es Corona nicht gibt, wozu braucht es die Plattform? Warum benötigen das Lehrer vor Corona für Schüler unter 16 Jahren? Bräuchten das Gymnasien?
Diese Lösungen sind primär für die Berufsausbildung und überbetriebliche Bildungsstätten interessant, oder für Aufstiegsweiterbildungen der Kammer. Aber die haben das Problem, dass Sie den obigen Prozess 16 mal synchron und abgestimmt in allen Ländern machen müssten. Und immer noch keine Inhalte hätten, aber zumindest durch den DIHK ein potenzielles Gremium, um die Inhalte hoheitlich prüfen zu können. Gesundheitsberufe und sonstige nochmal ausgeklammert, die Strukturen der HWK sind mir jetzt auch nicht sooo geläufig auf der Ebene.
Aber mal weg davon, der obige Prozess wird durch Corona auch belastet. Mal ab von "Unterstützung von Lehrern": Seit Januar mussten die Referate erstmal die Hygiene generell prüfen und waren nur marginal früher informiert als der Rest. Danach ging es um die Sicherstellung der Abschlussprüfung und alle damit zusammenhängenden Änderungen, biespielsweise Logistik und andere Anforderungen. Selbst dann musst du erstmal jedem alles nochmal erklären, das hängt nicht nur am Kopf. Kenne genügend Direktoren, die alles in einem Telefongespräch 1-1 nochmal von Person xyz im StMAS / Sonstigen Behörden hören mussten. Und dann hatten die teilweise auch erstmal Sommerferien und waren nicht durchgängig erreichbar, bzw. haben generell auf alles geschissen (Nahbereichsempirie aus den Berufsschulen).
Wir sind immer noch nicht auf der Ebene der Schulen, oder überhaupt der Lehrer. Siehst du wo das hinführt? Bislang sehe ich jetzt keine Generalschuld bei Verantwortlichen im Ministerium, insofern, als das das Problem einfach länger ignoriert wurde, was die Infrastruktur angeht.