Schaue auch grade, eine Strategie höre ich bei Laschet oder Scholz nicht raus. Ich glaube, es gibt nicht "den" Plan, man versucht halt irgendwie die Ausbreitung zu drosseln. Vor den harten Schritten schreckt man zurück, weil die natürlich deutlich negativere Folgen haben, wenn es doch nicht so schlimm werden sollte.
Kekulé sagt immer das Entscheidende: Wir stehen ganz am Anfang der Ausbreitung, nicht irgendwo in der Mitte. Ich möchte nicht in der Haut der Regierung stecken.
Die naheliegende Vermutung ist für mich, dass man versucht, zum Status quo ante zurückzukommen: Wenige Fälle, nachvollziehbare Infektionsketten, Isolation aller Risikokontakte. Kekulé scheint das aktuelle politische Vorgehen auch so zu interpretieren.
Dann ist die erste Frage, die sich anschließt: Wie soll das gehen? Wir dürften mittlerweile einige zehntausend Infizierte haben. Kekulé selbst hat bei Markus Lanz kürzlich gesagt, es sei mathematisch gut abgesichert, dass Tracking and Isolation nur bis zu einer Zahl von etwa 200(!) Infizierten funktioniere. Es scheint mir völlig unrealistisch, da wieder hinzukommen.
Und selbst wenn wir das durch ein Wunder deutscher Effizienz schaffen würden - der gesamte Rest Europas wird es mit Sicherheit nicht schaffen, ganz zu schweigen vom Rest der Welt. Ein pandemisches Virus wird immer wieder eingetragen werden und auch da scheint es wieder unrealistisch, dass man langfristig alle Einreisenden so engmaschig überwachen kann, dass da keine unentdeckten Fälle durchkommen.
Mit anderen Worten: Wir würden innerhalb kürzester Zeit wieder genau da stehen, wo wir vor Kurzem noch standen.
Ich habe eigentlich den Eindruck gewonnen, dass quasi alle Experten davon ausgehen, dass sich eine Pandemie nicht eindämmen lässt, sondern sie nur verzögert werden kann - bis Herdenimmunität erreicht ist oder ein Impfstoff zur Verfügung steht. Die Strategie, die wir jetzt anscheinend fahren, scheint mir nicht ganz zu dieser Annahme zu passen.
Denn man verzögert einen Prozess, der sich über mindestens 18 Monate zieht, sicherlich nicht am effizientesten, indem man eine Maßnahme für 4 Wochen ergreift.
Mir ist jetzt allerdings zum erstenmal Kekulés Standpunkt so richtig klargeworden, als er das Beispiel des Kindes nannte, das aus dem Italienurlaub zurückkehrt und nach acht Wochen 3000 Menschen angesteckt hat. Er scheint auf dem Standpunkt zu stehen, dass man einen größeren Ausbruch mit einem proaktiveren Ansatz hätte vermeiden können. Auch das scheint mir wiederum nicht realistisch.
Was ich zudem an seinem Argument bezüglich der Schulen bemängeln muss: Bisher gibt es meines Wissens überhaupt keine Hinweise darauf, dass Schulen bzw. das bisherige Fehlen von Schulschließungen eine bedeutende Rolle beim Antrieb des Ausbruchs hatten. Kinder und Jugendliche sind afaik bei den bisherigen Fällen stark unterrepräsentiert, während Erwachsene deutlich überrepräsentiert sind. Darum finde ich die Behauptung, dass es sehr viel gebracht hätte, die Schulen früher zu schließen, ziemlich gewagt.