Ich will hier an der Stelle Flaßpöhler nicht verteidigen, ich stimme mit Ihrer Freiheits-Argumentation nicht überein. Aber ich fand in der Runde Plassberg um einiges schlimmer als sie. Er hat sie imo nämlich auch ziemlich schnell in die Corona-Leugner Ecke gestellt, dabei habe ich von ihr keine Verharmlosung oder gar Verneinung von Corona gehört; lediglich eine komische Definition des Freiheitsbegriffs und eine Überhöhung des Risikos der Impfung, mit dem ich nicht übereinstimme.
Aber keiner der anderen Gäste, die ihr alle selbstverständlich widersprochen haben, ist sie so angegangen wie Plassberg. Das würde ich auch an der Diskussionskultur kritisieren: Es geht nicht darum, Menschen mit doofen Meinungen nicht zu widersprechen. Wie gesagt, ich bin auch für ne Impfpflicht. Aber trotzdem sollte es erlaubt sein, in unserer pluralistischen Gesellschaft gegen eine Impfpflicht zu argumentieren, ohne direkt mit Coronaleugnern auf eine Stufe gestellt zu werden.
Ich höre mir grad einige ihrer Wortbeiträge zum zweiten Mal an und kann diese Apologie wirklich nicht nachvollziehen. Sie desavouiert sich doch selbst durch das, was sie sagt, zumindest aber durch die Folgen, die es hat, wenn man das, was sie sagt, konsequent zuende denkt.
Ihr Einstieg (~14:30) geht so
1. Sie findet es blöd, dass Ungeimpfte "kriminalisiert" werden, obwohl sie doch bloß ihr gutes Recht gebrauchen. Später wird sie sagen, dass sie auch absolut gegen eine Impfpflicht ist. Mit anderen Worten: Sie ist absolut dafür, dass viele Leute sich einfach gegen die Impfung entscheiden dürfen, ungeachtet der Konsequenzen, die das hat. Das lässt ja nur den Schluss zu, dass sie entweder diese Konsequenzen grob verharmlost (nähe zum Querdenkertum gegeben) oder dass sie sie billigend in Kauf nimmt (menschenverachtendes Arschloch). Es kann eigentlich nur eins von beiden stimmen und wenn sie nicht für das Erste gehalten werden will, dann möge sie sich doch bitte klar zum Zweiten bekennen.
2. Sie findet vielmehr, dass nicht diese Ungeimpften das Problem seien, sondern die Politik hier versagt habe, indem sie die Impfzentren geschlossen, Tests kostenpflichtig gemacht und den Pflegenotstand nicht beseitigt habe.
Der erste Punkt ist schon mal interessant: Die Ungeimpften wollen und brauchen die Impfzentren offensichtlich nicht. Mit anderen Worten: Die Lösung besteht darin, dass sich die Geimpften sofort boostern lassen, um die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Dafür kann man ja sein - bin ich auch -, aber es verschiebt offensichtlich das Problem der Ungeimpften nur in die Zukunft, statt es zu lösen.
Der zweite Punkt setzt dann noch einen drauf: Nicht nur sollen die Geimpften sich mal schön weiter impfen lassen, damit die Ungeimpften weiterhin auf ihr Recht pochen können, sie sollen auch noch an den Kosten beteiligt werden, um die Ungeimpften dauerhaft durchzutesten - eine Impfung kostet die Allgemeinheit afaik so vel wie 2 bis 3 Tests. Dass die Ungeimpften stattdessen halt nochmal in den Lockdown müssen, weil sie sich nicht daran beteiligen, ihn zu verhindern, wird sie noch als unzumutbar bezeichnen.
Der dritte Punkt setzt dem dann die Krone auf, indem sie einerseits suggeriert, dass die Intensivstationen überhaupt ein probates Mittel seien, um das Problem zu lösen und als könne darüber hinaus die Politik einfach verfügen, dass sich doch bitte schön alle potentiell geeigneten Pflegekräfte zu den größtenteils Ungeimpften ans Bett stellen und weitere Monate lang um deren Leben kämpfen sollen. Mal davon abgesehen, dass das Feedback, das wir kriegen, imo nicht darauf schließen lässt, dass angemessene Bezahlung, so angezeigt sie wäre, am Schwund in der Intensivpflege groß was ändern könnte - diese Leute gehen afaik nicht, weil sie sich nicht hinreichend entlohnt sehen, sondern weil sie zum Teil körperlich und seelisch nicht mehr können: Es hat für mich schon eine gehörige Frivolität zu fordern, man möge diese abgekämpften und erschöpften Leute halt dafür bestechen, dass sie sich weiter dem aussetzen, was sie kaputt macht (und meiner persönlichen Ansicht nach deutlich entwürdigender ist als sich einfach zwei, drei Spritzen geben zu lassen), weil ungeimpft sein ja ein Menschenrecht ist.
3. Dann malt sie noch das Bild des ganz und gar nicht unvernünftigen, sondern einfach nur selbstbestimmten Ungeimpften, der sich in rationaler Abwägung gegen das Impfrisiko einer Herzmuskelentzündung entscheidet - obwohl wir wissen, dass dieses Risiko bei der Infektion höher ist. Hier tut sie eins von zwei Dingen: Entweder überhöht sie das Risiko der Impfung im Vergleich zur Infektion - bewusst oder aus Unkenntnis. Oder sie bestreitet, dass es unvernünftig sei, ein höheres Risiko gegenüber einem niedrigeren Risiko vorzuziehen.
4. Im Nebensatz deutet sie dann noch an, dass sie nicht nur gegen eine Impfpflicht ist, sondern sogar dagegen die Ungeimpften "wegzusperren". Nicht nur darf man die Ungeimpften nicht zur Impfung zwingen, man muss sie sogar noch ihre Freiheit in weiten Teilen ausleben lassen - die Zeche zahlen dann alle.
Ich will an dieser Stelle nicht weitermachen, das zu sezieren. Mein Punkt ist: Outet sie sich hier klar als Querdenkerin? Nein, so weit würde ich nicht gehen. Aber sie verkörpert einen Typus, der die öffentliche Debatte seit letztem Herbst heimsucht, ob nun in Form von Svenja Flaßpöhler, Thea Dorn, Wolfgang Kubicki, Heribert Prantl, Hendrick Streeck oder sonstwem: Man kann nicht einerseits bestreiten, dass man die Pandemie verharmlost, wenn man sämtliche geeigneten Maßnahmen, um sie zu bekämpfen, als übertriebene Zumutung brandmarkt.
Das ist genau der Duktus, in dem die FDP sich seit über einem Jahr geriert und der in letzter Konsequenz natürlich eine fatale Missinformation ist: Er suggeriert, dass es einen Weg aus dieser Pandemie gebe, der uns deutlich weniger abverlangt, als die Pandemie uns tatsächlich abverlangt. Und das ist dann in der Summe für mich nicht weniger wissenschaftsfeindlich, weniger ignorant, weniger schädlich als wenn man sich einfach hinstellt und konkrete wissenschaftlich etablierte Fakten verleugnet - und es ist ja nicht so, als würden diese Leute letzteres nicht auch immer dann tun, wenn sie hoffen damit irgendwie durchzukommen: Stichwort "Es gibt keine Evidenz für Maßnahmen"-Kubicki usw.