Zu 1.: Ich finde auch problematisch, dass da alle über einen Kamm geschert werden. Für mich hat ein 35jähriger ein deutlich stärkeres Recht auf eine Impfung zu verzichten als ein 65jähriger, weil letzterer ein vielfach höheres Risiko eingeht damit die knappen Ressourcen des Gesundheitssystems zu belasten. Insofern: Ja, Impfpflicht für diejenigen, die auf der ICU landen, ist deutlich dringender als allgemeine Impfpflicht.
Unterm Strich würde ich den 35jährigen aber nicht ausnehmen, weil am Ende für mich Flaßpöhlers Argument nicht zählt, ob wir durch die Impfung das Risiko irgendwann los werden oder nicht. Es gibt gegenwärtig noch viele, die sich nicht impfen lassen können oder bei denen die Impfung nicht genug wirkt. Ich sehe die Impfpflicht eher als Äquivalent zum Lockdown, den wir letztes Jahr hatten: Sie würde - erfolgreich umgesetzt -, die Welle brechen und uns Zeit geben. Zeit, um noch mehr Menschen zu impfen, um effektive Therapien zu entwickeln, um unser Gesundheitssystem zu schonen. Dabei steht der 35jährige letzlich auch im Fokus, denn der wird zwar persönlich das Gesundheitssystem eher peripher belasten, aber dafür verbreitet er die Infektion statistisch auch deutlich stärker.
Zu 2.: Die Umsetzung sehe ich nicht als das große Problem an. Natürlich müsste es einen Stichtag geben, wo jeder definitiv doppelt geimpft sein muss. Aber sinnvollerweise würde es eine Übergangsfrist geben, wo man bspw. mit bestätigter Erstimpfung noch legal unterwegs ist.
Dass jemand davon eventuell nichts mitbekommen haben will, sehe ich als sehr schwachen Einwand. Wir haben 1000 Gesetze und Verordnungen, die nicht jeder im Einzelnen kennt. Trotzdem kann man sich regelmäßig nicht pauschal damit rausreden, dass man davon nichts mitbekommen habe.
Wie engmaschig man eine Impfpflicht umsetzt, hängt imo auch davon ab, auf wie viel Konfrontation man gehen will. Am effektivsten wäre wohl sowas wie: Man muss den Impfstatus bei der Krankenkasse registrieren und die ist ab Tag x darüber auskunftspflichtig, wer das noch nicht gemacht hat und alle die bekommen dann einen Bußgeldbescheid.
Die schwächste mögliche Ausgestaltung ist halt so, wie die Maßnahmen jetzt kontrolliert werden: zufällig und anlassbezogen und wer dann keinen Impfnachweis vorlegen kann, muss zahlt zahlen.
Den Vorteil der Impfpflicht sehe ich allerdings gar nicht in der lückenlosen Umsetzung, sondern in dem Imperativ, den man damit explizit setzt. Ich glaube nämlich tatsächlich nicht, dass bei einer tatsächlich rechtssicher beschlossenen Impfpflicht sich tatsächlich eine große Mehrheit der Ungeimpften widersetzen würden. Wie man mit den paar Nutcases umgeht, die das trotzdem tun, ist dann ein eher sekundäres Problem, weil die letztlich nicht pandemierelevant sein dürften.
Zu 3.: Der große Unterschied zum Klimawandel ist imo, dass der ein globales Problem ist, zu dessen Lösung wir als Deutschland letztlich nur einen kleinen Beitrag leisten können. Was die Pandemie hier bei uns macht, haben wir de facto aber weitgehend in unserer Hand.
Dazu halte ich das Umsetzungsargument jetzt auch nicht für anstößig: Wir würden nie über eine Impfpflicht diskutieren, wenn die Zustimmung dafür bei sowas wie 30% läge.