Beke Schulmann Wenn wir jetzt zu SARS-CoV-2 kommen, das verfügt über eine ganz besonders wirkungsvolle Methode, um in menschliche Wirtszellen einzudringen. Da wird jetzt diskutiert: Diese Eigenschaft könnte durch genetische Manipulation im Labor entstanden sein. Und da gibt es im Erbgut von SARS-CoV-2 die sogenannte FurinSpaltstelle, die eben Anlass bietet für diese Spekulationen um die Herkunft. Erklären Sie doch bitte noch mal, worum es sich dabei genau handelt. DISKUSSION UM FURIN-SPALTSTELLE Christian Drosten Die Furin-Spaltstelle ist eine Protease-Erkennungsstelle. Und das Protein, das auf der Oberfläche von dem Virus ist, das muss in zwei Teile geschnitten werden, um gut zu funktionieren. Dieses Schneiden in zwei Teile, das könnte zwar das Virus selber erledigen, aber dafür hat es in dem Fall nicht das erforderliche Enzym an Bord. Es gibt Viren – dazu gehört das Influenzavirus, dazu gehören andere Coronaviren –, die sich da ein Enzym der Zelle zunutze machen. Dieses Enzym ist in dem Ausschleusungsweg, welche die Zelle für die Produktion von Viren bietet. Während des Virus da an der Stelle vorbeikommt, wird das Enzym aktiv, ein zelluläres Enzym. Das erkennt diese sogenannte Stand 08.06.2021 NDR.DE/CORONAUPDATE 11/19 Furin-Spaltstelle. Das Enzym heißt Furin. Das schneidet dann das Virusprotein in die passenden Stücke. So wie das Virus das braucht. Das ist eines der vielen Beispiele, wie die Zelle für den Virus Widerwillen den Job erledigt. Das macht das Virus auf vielen Stufen seiner Replikation. Jetzt ist es so, dass SARS-1- Coronavirus und viele andere, ich sage jetzt nicht alle, sondern fast alle anderen bekannten SARS-ähnliche Viren – also die Mitglieder der Spezies SARS-relatedCoronavirus, das ist eine Spezies, eine Art, eine Virusart – diese Artgenossen des SARS-Coronavirus, die haben so eine Spaltstelle nicht. Das bislang am Nächsten verwandte Virus, das man kennt von den Artgenossen des SARS-Virus, das hat die auch nicht. Dieses SARS-2-Virus hat die auf einmal. Und jetzt ist in Medienartikeln argumentiert worden, das muss aus mehreren Gründen künstlich eingeführt worden sein. Erstens, das sind ja gleich mehrere Nukleotide auf einmal, die da reingekommen ist. Das kann also nicht eine schrittweise verändernde Mutation sein, sondern das ist ja gleich eine ganze Reihe von neuen Basen, die hier eingeführt ist. So etwas macht doch die Evolution nicht von selbst in so kurzer Zeit. Man hat ausgerechnet, dieser nächstverwandte Artgenosse und das SARS-Virus, die haben sich vielleicht so im Bereich von vor 50 Jahren voneinander evolutionär getrennt. Da hatten sie ihren letzten gemeinsamen Vorfahren. Das kann doch nicht sein, dass in so kurzer Zeit so viele neue Basen dazukommen. Also auf diesem Niveau wird argumentiert von Journalisten, die wieder von anderen Journalisten abschreiben. Die haben wieder mit Wissenschaftlern gesprochen, die aber eigentlich nicht wirklich im Fach sind. Das ist so meine Auffassung dieser neuen Medienberichterstattung, die im Moment in den USA herrscht. Man muss auch dazusagen, da sind gerade erste Korrekturen im Gange. Also die ersten großen amerikanischen Zeitungen korrigieren sich selbst und entschuldigen sich auch für falsche Berichterstattung. Das ist in Deutschland noch nicht angekommen, diese Korrektur. Ich denke, da wird es aber auch Korrekturmechanismen geben. ZU VIELE NEUE MERKMALE IN KURZER ZEIT Aber um hier wieder zurückzukommen zur Biologie, wir haben hier diese Auffassung, dass diese FurinSpaltstelle deswegen künstlich eingefügt worden sein müsste. Denn so viele neue Merkmale kommen nicht in kurzer Zeit in ein Genom rein, in dieser kurzen Evolutionszeit. Es gibt auch andere Argumente, die viel mehr noch in die Tiefe gehen oder versuchen, in die Tiefe zu gehen. Zum Beispiel ein Argument ist: Wir haben ja, indem wir Aminosäuren codieren in der Genetik, häufig mehrere Möglichkeiten, die gleiche Aminosäure zu buchstabieren in Form von RNA oder DNA. Jetzt ist es so – wir sprechen hier von einem Codon, also das sind drei Nukleotide hintereinander, die eine Aminosäure codieren. Wir haben in verschiedenen Organismen eine verschiedene Präferenz von Codonen für dieselbe Aminosäure. Das Arginin-Codon beispielsweise, das hier in dieser Furin-Spaltstelle vorkommt, zweimal hintereinander, ist CGG. Es wird jetzt argumentiert, dieses Arginin-Codon, das ist eigentlich in Coronaviren total selten, und die Tatsache, dass hier ein Arginin-Codon in dem Virus verwendet wird, dass eher der Präferenz in Säugetieren oder überhaupt Invertebraten (Invertebrata – Wirbellose) entspricht, in Wirbeltieren, das spricht doch dafür, dass das künstlich eingefügt sein müsste. Denn das ist eigentlich der genetische Code einer Furin-Spaltstelle, so wie man die in der menschlichen Zelle finden würde oder auch in anderen Zellen oder auch in Tieren. Wenn das hier atypischer Weise in dem Virus vorkommt, dann ist das doch auch ein Zeichen dafür, dass das künstlich eingefügt worden ist. Denn Genetiker arbeiten mit so tierischen Sequenzen, während das Virus andere Codonen verwenden würde als CGG. Beke Schulmann Das würden Sie aber nicht sagen? Christian Drosten Nein. Ich stimme damit überhaupt nicht überein. Es ist so, dass diese Argumente in der Wissenschaft schon lange bekannt sind von anderen Viren als eigentlich nicht tragfähig. Die wurden speziell für das SARS-2-Virus in der Wissenschaftscommunity, in der Experten-Community auch noch mal geklärt und die dazugehörigen Veröffentlichungen sind erschienen. Also eigentlich ist dieser Zweifel in der Wissenschaft schon im letzten Frühjahr, praktisch ab Januar, Februar, seitdem das Genom rausgekommen ist, diskutiert und geklärt worden. Ich will kurz sagen, es ist normal, dass Viren in der Natur solche Furin-Cleavage-Sites manchmal erwerben. Wir kennen das zu Genüge von aviäre Influenza, also bei der hochpathogenen aviären Influenza wird so eine Furin-Site erworben. Und wir wissen auch von der aviären Influenza, dass die Quelle von dieser Furin-Site eben nicht das einfache gerichtete Driften der Evolution ist, also die Punktmutationen und dann zufälliges Zufügungen von Basen, sondern es sind im Wesentlichen zwei Mechanismen, die dahinterstehen. ZWEI MECHANISMEN FÜR FURIN-SITES Das eine ist ein grundsätzlicher zusätzlicher Fehlermechanismus in den Replikationsenzymen dieser Viren. Also ganz einfach gesagt, diese Enzyme können stottern. Die können manchmal dasselbe zweimal hintereinander einfügen, obwohl das gar nicht in der Vorlage vorgegeben war. Das ist einer der Mechanismen. Der andere Mechanismus, der ist von Influenza hinlänglich bekannt: Die Furin-Spaltstelle kommt in vielen, vielen Proteinen der Zelle vor. Die Zelle braucht Stand 08.06.2021 NDR.DE/CORONAUPDATE 12/19 das für sich selbst, für ihre eigene Proteinproduktion. Viren machen nun mal in ihrer Replikation so raue Mengen, so Riesenzahlen von Genom-Kopien, dass auch seltene Unfälle der Evolution einfach mit einiger Regelmäßigkeit stattfinden und auch ans Tageslicht kommen, wenn sie dem Virus einen Vorteil bringen. Denn wir sehen ja immer nur die Viren, die die Selektionsprozesse überlebt haben. Also wir sehen nur die erfolgreichen Viren. Und es kommt hier eben in der Zelle dann erfahrungsgemäß dazu, dass Stücke von Genen menschlicher Proteine über Rekombinationsschritte in das Virus-Genom eingebaut werden. Das sind Schritte, die in ihrem Mechanismus vollkommen verstanden sind, wie das funktioniert. Nur wir wissen auch, es funktioniert selten. Allerdings wenn ein Virus in vielen Tieren oder in vielen Zellen in rauer Menge repliziert, dann passieren eben auch seltene Dinge. Die kommen ans Tageslicht, wenn sie im Nachhinein betrachtet für das Virus nützlich sind. Wir wissen bei Influenza ganz genau, dass solche Dinge passieren. Wir wissen das auch bei anderen Viren, die im molekularbiologischen Labor untersucht sind. Und die Tatsache, dass hier eben tiertypische Codonen auftauchen in der Furin-Spaltstelle, ist alles andere als überraschend, sondern ist eigentlich erwartungsgemäß, wenn dieses Virus sich über Rekombinationsschritte, diese FurinSite sagen wir mal angeeignet hat. Beke Schulmann Wenn Sie sagen, das alles sind keine Gründe dafür, dass das Virus aus dem Labor kommt, halten Sie es denn aber für möglich, das Forschende im Labor eine Furin-Spaltstelle so in das Coronavirus eingefügt haben? Christian Drosten Möglich ist so eine Sache. Ich glaube, wir müssen eher fragen: Ausgeschlossen oder bewiesen? In diesen Kategorien wird tatsächlich gerade in der Öffentlichkeit diskutiert. Man kann das im Moment aufgrund der vorliegenden Daten weder beweisen noch ausschließen. Technisch ist vieles möglich. Alles Mögliche ist in der Molekularbiologie möglich. Es ist häufig nicht wahrscheinlich, dass jemand das in einer Forschungslinie so gemacht hat, weil es einfach nicht sinnvoll wäre. Darüber müssen wir, glaube ich, reden. Es wird ja spekuliert, gerade in diesen Medienartikeln, dass so die Evidenz zusammenkommt, dass bestimmte Vorgänge darauf hindeuten, dass das wohl ein Laborunfall sein müsste. Also jemand hat eigentlich in gutem Willen Experimente gemacht und dabei ist was entwischt. Oder man hätte sich irgendwie infiziert im Labor. Beke Schulmann Und es dann rausgetragen. Christian Drosten Genau. Da haben wir ja dieses Argument, dass eigentlich ein Einfügen einer Furin-Site in ein Virus ein naheliegendes Experiment ist, um herauszufinden, ob das Virus dadurch stärker übertragbar wird. Das wäre so ein denkbarer Hintergrund für ein solches Experiment. Eine Begründung. Jetzt muss man dazu erst mal wissen: Es ist erst mal nicht unbedingt so, dass wenn man eine Furin-Site in ein Virus einfügt, dass das Virus danach besser oder stärker übertragbar ist, sondern im Gegenteil. Die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass das dem Virus eher nicht viel nützt. Also diese Viren haben nicht immer einen Vorteil davon. Wenn eine Furin-Site in einem Glykoprotein drin ist, dann führt das in vielen Fällen auch dazu, dass dieses Glykoprotein vorzeitig reift, wie wir sagen. Das kommt also vorgereift aus der Zelle. Und da sind dann entscheidende Schritte in ihrem Zeitablauf gestört. Also diese Protein-Prozessierung, dieses Schneiden in Stücke, das muss in einer bestimmten Zeitabfolge passieren. Und wenn man eine Furin-Site einfügt, dann kann das dazu führen, dass die Reifung zu früh passiert und dass das Virus praktisch für Reifungsschritte schon sein Pulver verschossen hat, die später notwendig sind, um einen Eintritt in die nächste zu infizierende Zelle zu ermöglichen. Beke Schulmann Das heißt, es wäre dann unschädlich gemacht? ZEITRAUM FUNKTIONIERT NICHT Christian Drosten Ja, richtig. Dadurch kann man so einen Virus auch beeinträchtigen. Also das erst mal nur vorweggesagt. Klar wäre es ein interessantes Experiment, so einem Virus eine Furin-Site einzuführen und das ist technisch möglich. Nur die Frage ist: Wie würde man es dann machen vom Experiment her? Da würde man ja sagen: Okay, das muss man mit reverser Genetik machen. Dazu braucht man ein Vorlagen-Virus, das man modifizieren will, dem man diese Furin-Site einbauen will. Und dieses Vorlagen-Virus, da würde man ein existierendes reverses Genetik System nehmen, denn der Aufbau eines solchen Systems dauert Jahre. Das ist wirklich eine sehr, sehr aufwendige Angelegenheit. Also stimmt übrigens neuerdings nicht. Es gibt jetzt in letzter Zeit beschleunigende Schritte, aber die waren zu der Zeit, wo man das damals hätte machen müssen, noch nicht verfügbar. Das dauert Jahre. Dazu würde man sich natürlich diese Jahre sparen, sondern man würde einfach ein existierendes System nehmen, beispielsweise ein System für SARS-1-Virus, das vorhanden ist, und würde dort so eine Mutation einfügen. Das ist aber nicht, was man hier bräuchte, um das zu erklären. Um das zu erklären, müsste man zunächst mal verlangen, dass Wissenschaftler aus einem bis dahin noch gar nicht bekannten Virus ein ganz neues reverses Genetik System aufgebaut haben und dann dort eine Furin-Site eingeführt hätten. Also ich hatte da mal in einem Zeitungsinterview das Bild gebraucht Stand 08.06.2021 NDR.DE/CORONAUPDATE 13/19 für Laien, damit man das besser verstehen kann. Das ist, als wollte ich den Klang eines neuen Autoradios testen. Dazu nehme ich nicht mein Auto und baue ein neues Radio ein und höre mal, wie es klingt. Sondern ich baue ein ganz neues Auto von Grund auf. Wenn das fertig ist, dann baue ich da das neue Radio ein. Das ist einfach nicht sinnvoll. Das würde man so nicht machen. Also ich will nicht sagen, dass das nicht denkbar ist, dass jemand so verrückt ist, das zu tun. Natürlich ist auch nicht denkbar, dass es irgendwo eine böse, finstere Macht gibt, die so was unter bösen Kautelen tut. Dann kämen wir aus dem Bereich vom Laborunfall raus in eine noch ganz andere Diskussion. Das ist alles nicht mit rein letzter Option ausschließbar, nur wird in diesen Medienartikeln ja ganz anders argumentiert, auf einer ganz anderen Ebene. Argumentiert wird, man muss nur eins und eins zusammenzählen, dann kommen die Indizien zusammen. So langsam ist doch klar, dass das aus dem Labor kommt. Das ist eben vollkommen falsch, das ist nicht so. Es ist eben nicht eins und eins zusammenzählen, sondern es ist eher genau das Gegenteil. Man muss schon sagen, wenn das jemand so gemacht haben sollte, dann müsste das schon eine ziemlich spezialbegabte Person gewesen sein. Oder das wäre dann doch sehr, sehr umständlich. Also da müssten schon ganz schön viele komische Umstände zusammenkommen, um das zu erklären, warum das so gelaufen sein sollte. Ohne dabei aber jetzt zu sagen, und das ist mir wirklich immer wichtig, wir haben keine letztendliche Evidenz, und seltene Sachen können auch mal passieren, das ist schon klar. Also man muss sich da immer offenhalten. Nur diese Voreingenommenheit in den Medienberichten, die ist einfach nicht akzeptabel für mich als Wissenschaftler. Beke Schulmann Und wenn wir mal keine böse Absicht unterstellen, also wir stellen uns jetzt keinen bösen Wissenschaftler vor, der im Labor steht und sagt: Ich möchte ein gefährliches Virus produzieren. Kann es sein, dass ein Wissenschaftler sich hinstellt und sagt: Ich nehme nicht das Vorlagen-Virus, das schon da ist, sondern ich produziere das ganz aufwendig, um ein anderes Virus herzustellen, weil ich möchte, dass es möglichst natürlich aussieht, damit es nicht entdeckt wird, dass ich das gemacht habe? Christian Drosten Nein, ein Wissenschaftler würde das sicherlich nicht machen. Also sagen wir mal, ein aktiver Wissenschaftler, der so motiviert ist, wie Wissenschaftler das normal sind, denn wir wollen das Ganze veröffentlichen. Also darum geht es ja in der Wissenschaft. Es geht nicht darum, irgendetwas hinterm Berg zu halten und zu verstecken. Warum sollte man jahrelang Arbeit in irgendetwas reinstecken, von dem dann niemand erfährt? Also wenn ich als Wissenschaftler jeden Tag zur Arbeit gehe und mein Chef erfährt eigentlich nie, was ich da so mache im Labor, dann wird wahrscheinlich irgendwann mein Arbeitsvertrag nicht mehr verlängert. Das ist sicherlich nicht das, was Wissenschaftler motiviert. Beke Schulmann Sie haben es schon angerissen, wenn Sie noch mal zusammenfassen, wie kann so eine Furin-Spaltstelle also entstanden sein, wenn nicht im Labor? Christian Drosten Also wir kennen rein molekularbiologisch da viele Möglichkeiten, die passieren in der Zelle und die setzen voraus, dass relativ viel Virus repliziert. Dazu müsste man also Virus entweder relativ lange Zeit in Zellkulturen wir sagen passagieren. Und das ist auch eine Mutmaßung in bestimmten Medienberichten, dass das durch serielle Passage in Zellkulturen entstanden ist. Oder es müsste das Virus beispielsweise in Tieren replizieren, in einer großen Tiergruppe amplifiziert werden, weitergegeben werden. Und irgendwann würde dieser Zufall dann passieren. Beke Schulmann Wie realistisch ist das denn, dass das so entstanden ist? VIREN IN ZELLKULTUREN ISOLIEREN IST SEHR SCHWIERIG BIS UNMÖGLICH Christian Drosten Wir haben selber an SARS-Artgenossen in Europa relativ viel gearbeitet, die kommen in Südosteuropa und Südwesteuropa vor. Wir haben das auch lange versucht, Viren in Zellkulturen zu isolieren. Das ist uns nie gelungen. So geht es vielen Laboren weltweit, die das versucht haben. Zhengli Shi ist eigentlich das einzige Labor damals in Wuhan, die das geschafft hat, mal ausnahmsweise eine Virus zu isolieren. Das scheint selten zu sein, dass das mal klappt. Und um so etwas hinzukriegen, muss man normalerweise Kulturzellen nehmen, die – wir sagen – ganz besonders permissiv sind. Also die ganz besonders bereitwillig erlauben, dass das Virus repliziert. Da gibt es eine Gruppe von Zellkulturen, das sind Vero-Zellen, die erlauben einfach die Replikation fast aller Säugetierviren, wenn sie den reingehen in die Zellen, besonders gut. Die haben also bestimmte Defekte in ihrem Immunsystem. Die benutzt man für solche Passageversuche. Ich weiß, dass Zhengli Shi die in dem Labor auch dafür benutzt hat. Hier muss man sagen: Wenn man das macht, dann ist praktisch das Erste, was beim SARS-2-Virus passiert, dass diese Furin-Site in dem Virus zerstört wird. Wenn wir also aus Patienten SARS-2-Virus in Vero-Zellen isolieren, geht diese Furin-Site sofort weg, weil das ein Selektionsnachteil ist für das Virus in der Zellkultur. Das liegt daran, dass der Zelleintrittsmechanismus in den Kulturzellen ein anderer ist als in den Atemwegen. Für diesen Alternativen Zelleintrittsmechanismus in Stand 08.06.2021 NDR.DE/CORONAUPDATE 14/19 Kulturzellen ist die Furin-Site hinderlich. Und es gilt für viele, viele andere Kulturzellen auch. Also nicht nur für Vero-Zellen, sondern für die überwältigende Mehrheit aller Kulturzellen ist das so, dass die Eintrittswege, die das Virus in den Atemwegen und für die es auch die Furien-Site braucht, in diesen Kulturzellen entweder nur ganz spärlich oder gar nicht vorhanden sind und das Virus in Zellkultur eher über alternative Eintrittswege reingeht in die Zelle und dafür ist die Furin-Site hinderlich. Darum bin ich als in der Sache wirklich erfahrener Virologe ein bisschen skeptisch, ob die Furin-Site wirklich in einer Zelle-zu-Zelle-Passage im Labor entstanden sein kann. Ich will aber dazusagen, bei anderen Viren, die andere Eintrittsmechanismen verwenden, unter anderem im Influenza-Bereich, da ist das so, dass eine serielle Passage dazu führen kann, dass sich eine Furin-Site herausbildet. Beke Schulmann Wenn das in Wuhan dem Team rund um Zhengli Shi schon mal gelungen, kann das nicht sein, dass es auch dieses Mal wieder so war? Christian Drosten Auch das ist wieder so eine Abwägung, da muss man sagen, man kann das alles nicht ausschließen. Ich will das auch alles nicht ausschließen. Ich kann nur von meinen Erfahrungen berichten und da ein bisschen Vorwahrscheinlichkeiten nennen. Also letztendlich, wenn die Wissenschaftscommunity die Fragen stellt, dann werden auch Labore in China auf diese Fragen antworten. Aber bitte auf Augenhöhe. Man macht nicht in Laboren, mit denen man eigentlich auf Augenhöhe arbeiten möchte, so einen Besuch und versucht dann dort, die Schränke durchzuwühlen. Das sind ja Wissenschaftskollegin und -kollegen auf Augenhöhe, die sich in einen wissenschaftlichen Diskussions- und Erörterungsprozess einfügen können und ihre Beiträge liefern und Fragen beantworten.