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„Der Weg ist nicht ohne verfassungsrechtliche Risiken, aber er ist vertretbar.“ Aufgepasst was der Experte mit SPD-Parteibuch sagt. Wenn ein Jurist eine Position als „vertretbar“ bewertet, dann weiß er selbst und räumt ein, dass seine Position auf wackligen Füßen steht.
Andere sehen das dagegen viel kritischer: https://archive.ph/fmZF0
Statt über Parteibücher zu reden, könnte man ja auch mal konstruktiv die Argumente der Herren Experten diskutieren:
In Artikel 115 GG heißt es: „Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen aufgrund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden.“
[...]
Eine solche Notlage müsse ein „schockartiges Ereignis von außen sein, das nicht kontrollierbar ist und die Finanzlage des Bundes erheblich beeinträchtigt“. Die Folgen des Ukrainekriegs könnten zur Begründung herangezogen werden.
„Allerdings liegt der Ausbruch des Krieges schon länger zurück, sodass es mit dem Zeitablauf zunehmend schwerfällt, darzulegen, warum der deutsche Staat gerade jetzt dadurch außergewöhnlich belastet ist“, sagt Korioth.
So sieht es auch Hanno Kube, Experte für Finanz- und Steuerrecht von der Uni Heidelberg: „Die Bundesregierung hatte viel Zeit, um sich darauf einzustellen und entsprechende Prioritäten in der Haushaltsplanung zu setzen – ganz im Sinne der schon früh angekündigten Politik der Zeitenwende.“
Der Krieg stelle sich deshalb heute nicht mehr als plötzlicher, exogener Schock dar, der eine Notlagenkreditaufnahme rechtfertigen würde, meint Kube. „Die Unterstützung der Ukraine und die Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft Deutschlands sind zentrale, essenzielle Staatsaufgaben, die regulär und dauerhaft finanziert werden müssen.“
Was hier erstmal auffällt: Beide Experten fühlen sich offenbar genötigt, ein zusätliches Kriteriem ("schockartig", "plötzlich") einzuführen, das im GG gar nicht vorkommt. Die Kriterien laut GG sind
-außergewöhnliche Notsituation,
-entzieht sich der Kontrolle des Staats,
-beeinträchtigt Staatsfinanzen erheblich.
Der LTO-Artikel weist dagegen explizit auf ein positives Anwendungsbeispiel aus dem Gesetzesentwurf zur Schuldenbremse hin, auf den auch das BVerfG Bezug nimmt:
Auch ein Ereignis von positiver historischer Tragweite, wie die Deutsche Wiedervereinigung, das einen erheblichen
Finanzbedarf auslöst, kann einen Anwendungsfall der Klausel bilden.
Es drängt sich die Frage auf: Sind Herr Korioth und Herr Kube der Meinung, dass es im Sinne des Gesetzgebers der Schuldenbremse wäre, wenn man - gesetzt den Fall, es hätte die Schuldembremse schon gegeben - etwa ab 1992 darauf hätte abstellen müssen, dass die Wiedereinigung jetzt ja kein "schockartiges" Ereignis mehr sei, sondern eine "zentrale, essenzielle Staatsausgabe, die regulär und dauerhaft finanziert werden müsse"? Wollte der Gesetzgeber genau das sagen, als er die Wiedervereinigung als Beispiel in die Erklärung aufnahm?
Die Sinnhaftigkeit dieser Auslegung kann sich jeder selbst überlegen.
Fakt ist, dass der Ukrainekrieg zweifellos das Kriterium einer außergewöhnlichen Notsituation erfüllt, sich offensichtlich der Kontrolle des deutschen Staats entzieht und weiterhin die Staatsfinanzerne erheblich, wenigstens mal in zweistelliger Milliardenhöhe beeinträchtigt - darunter fallen mindestens mal Ausgaben für die unmittelbare Unterstützung der Ukraine und für die Versorgung ukrainischer Flüchtlinge.
Dass man sich jetzt plötzlich darauf beruft, tut dem keinen Abbruch, da es eben nur das Recht, nicht die Pflicht gibt, die Schuldenbremse angesichts außergewöhnlcher Belastungen zu überziehen. Dazu hatte man sich diesen Weg in Form eines Regierungsbeschlusses bereits explizit offen gelassen für den Fall, dass der außerordentliche Finanzbedarf eben nicht mehr aus dem regulären Haushalt zu stemmen sei - ein Beschluss, dem Herr Lindner zugestimmt hatte.
Wenn man gegen diese weitgehend trivialen Zusammenhänge argumentiert, sollte man schon ein bisschen mehr vortragen als die paar Plattitüden aus dem Tagesspiegel-Artikel.
Btw, wie sehr es dem Autor des Artikels um konstruktive Diskussion des Themas geht, wenn er sich beflissen fühlt, Marko Buschmann (!) als Gewährsmann für Lindners Position anzuführen, darf auch jeder für sich selbst entscheiden.
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