Erinnert mich daran, wie letztens so ein Hansel von der AfD ein Video verteidigt hat, in dem zwei Abgeordnete gefilmt werden, die "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" singen. Gemeint hatten die ja eigentlich "Deutschland den Deutschen mit legaler Aufenthaltserlaubnis, illegale Ausländer raus". Nur halt der Einfachheit halber abgekürzt
Ich schaue mir manchmal Videos von Diskussionsrunden an, wo die Neue Rechte unter sich ist und das Ironische ist, dass du dort nie im Leben Widerspruch für das bekommen würdest, was in dem Correctiv-Artikel beschrieben wurde, im Gegenteil: Da wird dauernd gesagt dass "wir noch maximal (hier relativ beliebigen Zeitraum einfügen) Jahre Zeit haben" bis die Veränderung des Landes unumkehrbar würde. Ironisch, weil es einerseits eine sehr treffende Einsicht beinhaltet, die sonst selten jemand ausspricht und andererseits, weil sie einem absoluten Trugschluss unterliegt:
- Der (korrekten) Einsicht, dass es sehr einfach ist gegen eine amorphe Masse zu agitieren, die noch nicht (oder gerade eben) in Deutschland angekommen ist, dass es aber gleichzeitig keinen nennenswerten politischen Willen jenseits der eigenen Lagergrenze gibt, den allergrößten Teil dieser Menschen tatsächlich wieder abzuschieben, wenn sie erst mal eine minimale Verweildauer in Deutschland haben. Sieht man etwa an der Union, die zwar mittlerweile zumindest rhetorisch auf einen deutlich restriktiveren Kurs umgeschwenkt ist, wo aber keiner ernsthaft noch über Abschiebeperspektiven für die Flüchtlinge spricht, die in der Zeit vor dem Corona-Knick nach Deutschland gekommen sind, also schon ein paar Jahre hier sind
- Dem absoluten Trugschluss, Deutschland würde sich durch Einwanderung wandeln und nicht (wie seit Ewigkeiten) durch natürlichen demografischen Verlauf, verbunden mit der handelsüblichen Fehlinterpretation, dass 25-jährige Konservative (von denen es eine Menge gibt!) genau dieselben Vorstellungen haben müssten wie 75-jährige Konservative. Dazu kommen häufig völlig absurde Vorstellungen davon, wie sich die Bevölkerung "mit Migrationshintergrund" zusammensetzt.
Das ist imho exakt die Sollbruchstelle, die zu diesen Demonstrationen führt: Solange man abstrakt über "Flüchtlinge" spricht, kann sich jeder die für ihn saliente Zusammensetzung vorstellen; wer gegen Flüchtlinge ist macht das, was ich neulich auch bei Xantos beobachtet habe, sich Flugzeuge voller Antänzer und zauselbärtiger Koranfanatiker vorzustellen; sobald man allerdings anfängt, davon zu schwadronieren Leute mit Aufenthaltsberechtigung oder gar Staatsbürgerschaft zu "remigrieren" wird bei vielen Leuten aus der Abstraktion schnell eine konkrete Vorstellung und die findet dann deutlich weniger Zustimmung. €dit: Und das ist in meinen Augen auch der Punkt, vor dem beide Seiten ein bisschen die Augen verschließen. Die Linken, dass die Mehrheit der Bevölkerung mit dem abstrakten Konzept "Flüchtling" nur sehr begrenzt Sympathie hat (insbesondere wenn man das Gefühl hat, dass einen selbst diese Sympathie etwas kosten soll); und die Rechte, dass die meisten Leute wenn es ganz konkret um einzelne Personen geht dann doch sehr pragmatisch sind und man auch mit gebrochenem Deutsch und Mindestlohnjob (und eben nicht nur als "Fachkraft" mit MINT-Abschluss) noch auf viel Akzeptanz hoffen kann.