Tagesanbruch - Dritter Tag
Maverick hatte sich Übergeben. Nicht vor Anstrengung, sondern wegen der Vorstellung, die er von ihrem Tot nach dem gestrigen Nachmittag hatte. Er hatte es lange zurückgehalten, aber als sie sicher sein konnten, die einzigen drei Personen an Bord zu sein, die noch wach waren, überkam es ihn. Er hatte sich von den anderen beiden zurückgezogen, sie sollten ihn nicht so sehen. Er hatte schon einiges mit angesehen, er hatte auch Gefangenen schon einiges angetan, aber er befand sich nie in der spürbaren Gefahr, dass ihm selbst so etwas passieren konnte. Dieses Gefühl war neu für ihn. Und es war zuviel für ihn.
Als die anderen zwei ihn schließlich fanden, hatte er sich schon wieder aufgerafft. Flint schien erleichtert, als sie ihn gefunden hatten: „Wo zum Geier hast du gesteckt? Dieser Ursus ist ein Bär von einem Kerl gewesen. Fast hätte er es noch geschafft, dass Schwartz einen Kratzer abkriegt.“ Maverick antwortete so nah an der Wahrheit, wie sein Stolz es erlaubte: „Der Fraß hier an Bord ist einfach nicht zu verkraften. Ich bin aus der Cryokammer gleich auf den Pott. Viel länger macht mein Magen das hier nicht mehr mit, aber es ist ja auch bald geschafft. Ihr habt euch also Ursus geschnappt?“ Schwartz und Flint nickten. Ursus hatte sich beeindruckend schnell aufgerappelt, nachdem er aus der Cryokammer gefallen war. Flint hatte an der Konsole die Notauslösung betätigt und Schwartz hatte an der Cryokammer mit einem Schraubenschlüssel bewaffnet Ursus empfangen. Der erste Schlag hatte dessen Kopf nur leider verfehlt. Und so hatte Ursus Gelegenheit, nach Schwartz auszuholen, der jedoch noch ausweichen konnte. Im nächsten Moment war Flint schon von der Konsole zur Kammer gehastet und hatte Ursus von hinten zu Boden geworfen. Der zweite Schlag mit dem Werkzeug saß, das Spiel für Ursus war aus. „Bär von einem Mann trifft es zu gut. Dieser Irre hat sich an den vier Fingern jeder Hand die vordersten Fingerknochen durch Implantete ersetzen lassen, die aus der Haut herausragen. Rostfreier Stahl, messerscharf. Wenn er Schwartz getroffen hätte, wäre sofort klar gewesen, wem er vor seinem Tot als Letztes begegnet war. Noch so ein Fehler darf nicht passieren.“, merkte Flint an und fuhr fort: „Sollten wir vielleicht wieder dazu übergehen, die Versorgungssysteme der Kammern zu manipulieren?“ Maverick hatte auch schon darüber nachgedacht, war aber zu einem ernüchternden Schluss gekommen: „Keine Chance, die Dosis Morphium, die das System Gecko verpasst hat war so groß, dass die Reserven an Bord nicht mehr ausreichen, um noch jemanden zuverlässig umzunieten. Wir hätten vorsichtiger sein sollen. Allerdings sind wir nunmal offensichtlich einfach keine Computergenies. Wir haben das System außer Kontrolle geraten lassen, und es hat dem Kerl verpasst, was da war. Jetzt besteht die Option nicht mehr. Es waren noch Reste zur manuellen Applikation in der Medizinstation, aber mit denen hat dieser Junkie sich den goldenen Schuss gesetzt.“
Es gab keine andere Möglichkeit, die Sache zu einem für die Wärter guten Ende zu bringen. Jede Nacht ein Mord. Jede Nacht rohe Gewalt. Keine Fehler. Und darum beschlossen sie auch in dieser Nacht, die Zeit, in der sie unbeobachtet waren nicht zu sehr auszunutzen und sich darauf zu konzentrieren, sich am nächsten Morgen wieder ausgeschlafen unter die Häftlinge mischen zu können.