:wave:
Vorab: Es ist immer sehr erfreulich, wenn die Diskussion wieder angemesse Bahnen geht. Entschuldigung für eventuelle Entgleisungen meinerseits... ich denke jeder kann nachvollziehen, dass ich nicht gerne in der rechten Ecke platziert werde.
huhu :wave:
ja ich finde eine unterhaltung in einem zivilisierten ton auch wesentlich angenehmer. leider verleitet das internet allzu oft dazu über die stränge zu schlagen und sich so auszudrücken, wie man es im echten leben wohl nie tun würde, davor bin gerade ich nicht gefeit.
Ich versuche mal, das zu klären.
"Deutscher" ist kein Attribut und keine Staatsbürgerschaft, nichts das man "sein kann" oder "sein darf". Man wird zum Deutschen oder zum Franzosen durch die Assimilation der Gesellschaft, die in 99% der Fälle mit der Erziehung geschieht. Werte, Vorstellungen und Moral werden sozusagen "vererbt", ebenso die Komplexe. Das alles prägt das Individuum sein Leben lang und wird nur von den seltesten Leuten angekratzt.
Wer stellt schon in Frage, dass Pünktlichkeit lobenswert ist? Oder Ehrlichkeit? Wer stellt die Ehe in Frage? Nur die wenigsten, und das sind wohl die intelligentesten. Selbstverständlichkeiten der Gesellschaft, in der man aufwächst, variieren von Gesellschaft zu Gesellschaft, und die Frage nach der "Richtigkeit" ihres zB Frauenbildes würde sich den meisten Arabern (Beispiel) nie und nimmer stellen.
ok, das sind jetzt ziemlich viele punkte.
ich kann nicht ganz nachvollziehen, woher du die überzeugung nimmst, dass diese eigenschaften bei deutschen soviel deckungsgleicher wären als bei ausländern. denkst du etwa ehrlichkeit ist nicht in den meisten zivilisierten längern genauso eine positive eigenschaft wie hilfsbereitschaft oder nächstenliebe?
den punkt mit der ehe kann ich noch weniger nachvollziehen. ich kenne das gegenteil: ich kenne so gut wie niemanden, der die ehe NICHT in frage stellt. jeder zweite ist doch ein scheidungskind, wir sind eine generation von scheidungskindern, es ist doch selbstverständlich, dass das vertrauen in monogamie und die ehe in unserer generation verschwindent gering ist.
ich verstehe schon was du meinst, aber ich denke dein beispiel ist hier schlecht gewählt.
trotzdem beantwortest du irgendwie nicht meine frage. nach deiner ausführung wäre auch jeder russische bildungsbürger ein deutscher. ich wurde genauso zu pünktlichkeit, ehrlichkeit, disziplin, fleiß usw. erzogen wie alle guten eltern dies versuchen. ich sehe nicht was hier besonders deutsch sein soll, bis auf jene komplexe, die du ansprichst, die ich aber auch nur bei sehr wenigen meiner gebürtig-deutschen freunde beobachte. warum bin ich denn nun in deinen augen kein deutscher? ich persönlich sehe mich zu 100% als deutscher, was soll ich denn auch sonst sein? ich habe doch hier fast mein ganzes leben verbracht.
und ich denke das ist ein problem, das viele migranten haben, wenn sie ähnliche ausführungen hören. sie fühlen sich ausgegrenzt und nicht zugehörig und das obwohl sie möglicherweise in bereits in dritter generation hier leben. auch das fördert nicht gerade die integration. ich fände es produktiver zu sagen: wir sind alle in einem boot, wir sind alle eine gemeinschaft. egal wo du geboren wurdest und egal an was du glaubst, solange du redlich bist und ehrliche arbeit verrichtest, bist du mein landsmann und wir sind auf einer stufe.
Die alternative Möglichkeit ist, sich aktiv für das "Deutsch sein" zu entscheiden und nach der Erziehung noch die Werte und die Moral an zu nehmen. Ich glaube aber nicht, dass es da viele gibt.
Wichtig dabei ist halt, dass für erfolgreiche Integration keine 100%ige Übereinstimmung notwendig ist, das wäre ja auch fürchterlich. Aber gewisse Faktoren sind notwendig.
ich denke da unterschätzt du viele türkische mitbürger. ich kenne viele, die darauf bestehen, dass ihre kinder gutes deutsch lernen, dass sie einen guten schulabschluss machen und es in diesem land zu etwas bringen. wie gesagt, es ist notwendig hier zu differenzieren und vorsichtig zu formulieren. etwas, was herr sarrazin leider versäumt.
Ich bin auch hauptsächlich von Leuten meines Alters und Bildungsstandes umgeben, und die sind genauso drauf. Aber, und hier ist der springende Punkt, die Frage ist selbst hier, ob man so drauf ist aus überzeugung oder aus Assimilation.
Meine Freundin zB geht jetzt für nen Monat nach Südkorea. Wenn ich sie frage, warum ausgerechnet Südkorea, heißt es "Ist sicher schön da!". Ja, natürlich ist es schön da. In Irland ist es auch schön. Sogar in Deutschland! Warum nach Südkorea fahren?
Das klingt natürlich bisschen beschränkt, aber genau darum geht es. Der Grund, die Motivation für die eigene Meinung ist ein kleiner, aber alles verändernder Unterschied. Hat man die Meinung aus Überzeung, weil man, nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen ist, dass sie die richtige ist? Oder ist sie nur übernommen weil sie gut aus sieht und man auf die Art sicher ist vor Nazi-Vorwürfen?
Ich würde es nicht für selbstverständlich halten, dass alles so ist, wie es zu sein scheint.
nun, was soll ich dazu sagen, vielleicht urteilst du ein wenig zu schnell? es gibt sicherlich genug menschen, die sich ihre entscheidungen reiflich überlegen. ich zum beispiel gehöre dazu. es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich deutscland für einige jahre - studienbedingt - verlassen werde und ich schließe nicht aus in meinem gastland ( neuseeland ) dauerhaft zu bleiben, falls es mir dort zusagt. das hat ganz verschiedene gründe, aber ich denke du überhöhst einfach die heimatverbundenheit unserer generation oder schließt einfach von dir auf andere.
obwohl deutschland meine heimat ist und ich mich hier zuhause fühle, bedeutet es nicht, dass ich mich nicht in einem anderen land ebenso zuhause fühlen würde.
ich habe in meinem austauschjahr in den usa mich ebenso wohl und zuhause gefühlt. ich habe keinerlei heimatliche gefühle für das land an sich, heimat ist für mich dort, wo meine familie ist, wo meine freunde sind und wo es mir gut geht. und wenn das in afrika ist, dann ist meine heimat dann afrika. und wenns mir dort zu langweilig wird, wird es land xyz.
deine sichtweise ist mir reichlich fremd, aber ich akzeptiere sie natürlich. nur solltest du auch akzeptieren, dass es nicht wenige menschen gibt, die diese einstellung nicht teilen. ihnen pauschal fehlende überlegung zu unterstellen, wär nicht richtig, denke ich.
Für den anderen Post hab ich jetzt grad keine Zeit mehr, aber nur so viel. Dran denken, dass regionalität auch Sprachbarriere bedeutet, dass eine haarkleine Unterscheidung zwischen Dänen und Friesen für das Thema hier irrelevant ist und dass es vielleicht wichtigere Sachen gäbe
die sprachbarriere ist in der tat ein wichtiger anhaltspunkt, deswegen würde ich auch nur in ein land gehen, dessen sprache ich beherrsche oder mir zutraue schnell zu erlernen. ich habe mittlerweile 3-4 freunde, die deutschland verlassen haben und sich in ihren gastländern ( portugal, frankreich und 2x usa ) bereits nach wenigen jahren so zuhause fühlen, dass sie die entscheidung als die beste ihres lebens ansehen würden.
immigration und gelungene integration ist nicht so schwer wie man es aus deinen postings vermuten könnte! und ich bin fest davon überzeugt ( und bin ja selbst ein beispiel dafür ) dass sie in zukunft keine ausnahme, sondern die regel sein wird. in 50 jahren wird kaum ein gut ausgebildeter mensch noch dort sein leben fristen wo er geboren wurde und das finde ich gut.
Ach ja, und Fernau ist mit sicherheit ein stockkonservativer Fortschrittsablehner, aber das macht seine historischen berichte und seine Analysen ja nicht per se wertlos.
habe ich auch nie gesagt, ich finde seine bücher sehr lesenswert, auch wenn ich ihn bei manchen passagen gerne anschreien würde und sagen "wach auf, alter mann, die welt verändert sich, du kannst nicht so tun als würde immer alles so bleiben wie es war" ( ok klingt jetzt vielleicht makaber, ist er nicht schon vor längerem verstorben? =/ )
Ok, das ist jetzt natürlich ein ziemlich heftiger Sprung. In Kurzform: Ich denke, dass eine Integration von Migranten notwendig ist, um die Stabilität des Staates und die Interessen der Migranten selbst zu wahren. Gegen Migration an sich ist nichts ein zu wenden, solange gewährleistet ist, dass der Migrant den (wie auch immer gearteten) Willen hat, Teil der deutschen Gesellschaft zu werden und sich bewusst ist, dass er gewisse Deutsche Werte übernehmen muss (Auch wenns mir wohl wieder die Nazikeule ein bringt: Arbeitsmoral gehört auch dazu). Sprich: er muss sich integrieren wollen und dazu auch individuell in der Lage sein.
Wie ist das zu kontrollieren ist, tja, keine Ahnung. Wenn das ganze einfach wäre, wäre ja vielleicht schon jemand anderes drauf gekommen. Intelligenztests bei der Einreise vorlegen zu müssen klingt zwar nach Holzhammermethode, aber wie oben beschrieben geht es ja dabei nicht darum, die Deppen draußen zu lassen, sondern darum, dass intelligenteren Leuten die Integration leichter fällt. Auch kann man Prüfungen einführen, um zu testen, ob der Migrant Deutsch lernt (oder kann). Mit Sicherheit muss man das Kita- und Vorschul-Angebot erhöhen, aber ich halte eine Verpflichtung für falsch.
Wie denkst du denn darüber?
wieso sollte dir das die nazikeule einbringen? ich sage fast dasselbe in vielen threads, seit vielen jahren.
wir brauchen ein einwanderungsmodell wie in NZ oder kanada: zu uns kann gerne kommen wer a.) eine qulifikation hat, die wir suchen. b) ein jobangebot einer deutscher firma hat oder c.) kapital, welches er investieren möchte oder welches zumindest ausreicht um langfrisitg ohne transferleistungen zu leben.
und diese drei gruppen müssen beworben werden! es läuft schon seit jahrzehnten ein wettbewerb um die besten köpfe auf der welt und deutschland hat die erste halbzeit schon verschlafen. während sich die usa und GB sowie einige reiche ölstaaten und china längst die ballacks und messis des arbeitsmarktes holen, haben wir uns mit kreisligisten eingedeckt, die unter keinen umständen den anforderungen unserer mannschaft und erst gar nicht ihren ambitionen gewachsen sind und wundern uns, dass wir in der tabelle schwierigkeiten haben.