Da Claw wohl gerade beschäftigt ist antworte ich mal. Bitte denk daran, dass Claw und ich und vielen Punkten nicht gleicher Meinung sind und ich nicht für ihn spreche
Natürlich gibt es keine Objektivität. Der Begriff "Objektivitmus" ist auch meiner Meinung nach etwas ungünstig gewählt. Letztendlich geht er von einem Axiom aus, nämlich "Die Gesellschaft sollte frei (im Sinne von gewaltfrei) sein". Als Grundlegende Annahme können wir dies natürlich nicht objektiv begründen. Was wir allerdings tun können ist eine wunderschöne Gesellschaft aus diesem einen Grundsatz abzuleiten. Es ist fast schon wie in der Mathematik: Aus einem einzelnen als wahr angenommenen Axion ergeben sich unzählige faszinierende und objektive Folgerungen.
Wenn wir also diesen Grundsatz (wie gesagt als Axiom, unbewiesen) als wahr annehmen dann gibt es nur ein mögliches Gesetz, nämlich das von Claw beschriebene. Basierend auf unserem Grundsatz ist es dann objektiv richtig.
Zudem müssen wir zwischen theoretischem Ideal und praktisch erreichbarem Ergebnis unterscheiden. Theoretisch ist die Sache ganz einfach: Wir haben einen Grundsatz und alles andere muss diesem eben weichen.
Praktisch stehen dem einige Probleme im Weg. Eine vollkommen gewaltfreie Gesellschaft ist wohl auf absehbare Zeit unmöglich. Das ist schade, ist aber nunmal so. Eigentlich ist jedes Ideal unerreichbar - was uns aber nicht davon abhalten sollte, zu versuchen, diesem Ideal näher zu kommen. Du stellst viele Fragen der Art "wie kann das vollkommen ohne Gewalt funktionieren", d.h. du erwartest eine perfekte Umsetzung des theoretischen Ideals in der Praxis, dabei wäre die korrekte Frage "wie können wir unser heutiges System modifizieren um Gewalt daraus zu entfernen".
Dieses Problem will ich anhand eines Beispiels anschaulicher machen:
Nehmen wir mal an, wir sehen "gleiche und freie Wahl der Regierung" als eine Grundregel, die wir umsetzen wollen. Dann frage ich "Wie willst du denn bitte sicherstellen, dass alle Stimmen exakt gleich viel wert sind? Das Land ist doch in Wahlkreise eingeteilt, das kann garnicht funktionieren!". Das ist durchaus korrekt so, es ist aber nicht relevant. Auch wenn die Stimmen nicht wirklich exakt gleich viel wert sind ist es dennoch ein erstrebenswertes Ideal, sie möglichst gleichwertig zu haben. Deshalb versuchen wir, die Wahlkreise in etwa gleich groß zu halten. Ja, wir werden die Perfektion niemals erreichen. Aber solange wir darauf hinarbeiten und uns nicht bewusst in Richtung ungleicher Stimmen entwickeln ist alles in Ordnung.
Gleiches gilt für die Gewaltfreiheit: Dass die Perfektion (wie bei allem) unerreichbar ist sollte kein Grund sein, nicht nach ihr zu streben.
Deshalb:
1. Im theoretischen Ideal kann die Polizei den Bürger nur dann belangen, wenn er entweder selbst gewalttätig wurde (was sein Recht auf Gewaltfreiheit aufhebt) oder wenn er freiwillig einem Vertrag zugestimmt hat, der Gewaltanwendung gegen ihn vorsieht. Damit initiiert die libertäre Polizei niemals Gewalt.
(wo ist 2.?
)
3. Es ist relativ einfach, Schusswaffen herzustellen. Deshalb wird niemals lange ein Monopol halten können - insbesondere nicht, wenn es wie in "meinem" Liberalismus kein geistiges Eigentum gibt (wobei Claw das anders sieht) und damit die Markteintrittsbarriere quasi nicht vorhanden ist. Theoretisch ist die Waffenproduktion irrelevant da Gewaltanwendung ja verboten ist und sofort zu einer Strafe führt.
Praktisch muss es eine Instanz geben, die diese Strafe auch durchführen kann. Die praktische Umsetzung ohne dass der Staat selbst Gewalt initiiert ist ein sehr interessantes Problem und mir fällt hier direkt keine gute Lösung ein. Wie aber weiter oben schon geschrieben: Nur weil der Perfekte Zustand in der Praxis nicht erreichbar ist müssen wir ihn nicht komplett ignorieren. Wir können nach praktischen Lösungen suchen, die die staatliche Gewalt in diesem Punkt minimieren.
4a. Die Bürger, über Spenden und Nutzungsgebühren von öffentlichen Dienstleistungen.
4b. Das gleiche wie heute auch?
5. Ich bin sehr unglücklich mit Claws rationalen Egoisten. Menschen sind keine rationalen Egoisten (sie sind irrationale Egoisten) und ich will keinen neuen Menschentyp schaffen. Ich will Menschen einfach frei leben lassen, egal was dabei herauskommt. Entsprechend: Wenn niemand für den Rest sorgen möchte dann ist das nicht relevant. Der Rest kann für sich selbst sorgen. Wenn er das nicht kann muss er eben betteln. Es ist eben nicht meine Entscheidung. Wenn es genug Mitglieder in der Gesellschaft gibt die spenden, um arme Menschen von der Straße zu helfen dann ist das schön. Wenn aber niemand bereit ist so etwas zu tun - dann ist das nunmal so. Übrigens ein meiner Meinung nach sehr unwahrscheinliches Szenario da gerade unter reichen Bürgern Spenden und soziales Engagement als Aushängeschild genutzt wird. Bei extrem niedrigen (bzw. nicht vorhandenen) Steuern würde sich dieser Effekt enorm verstärken. Rein praktisch würde ich allerdings die Steuern nicht sofort komplett abschaffen sondern sie eben schrittweise senken und versuchen, langsam Ersatz in Form von Spenden zu finden. Langsam in kleinen Schritten hin zum Ideal.
6. Zahlt ein Bürger das Zwangsgeld nicht kann er von der Nutzung öffentlicher Leistungen ausgeschlossen werden. Nutzt er sie dennoch ohne Erlaubnis so hat er Gewalt gegen öffentliches Eigentum begangen und verliert damit sein Recht auf Gewaltfreiheit, d.h. er darf bestraft werden.
7a. Wieso sollten wir das verhindern? Die Armen sind frei, Handel unter sich zu treiben, Fabriken zu bauen etc. Niemand hält sie auf. Der Sinn dieser ganzen Sache ist es doch gerade, Menschen vollkommen frei miteinander wechselwirken zu lassen. Ob das Resultat dieser Freiheit nun eine Gesellschaft von absolut gleichen Mittelschichtern oder eine 2-Klassen-Gesellschaft ist spielt dabei einfach keine Rolle.
7b. Er sollte darauf hoffen, dass die anderen Mitglieder der Gesellschaft ihm
freiwillig helfen.
8a. Nein. Aber es gibt (wie gesagt: in meiner Version, Claw sieht das anders) auch keine künstlichen Markteintrittsbarrieren.
8b. Nein. Aber verschiedene Handyanbieten bieten verschiedene Verträge und ich habe mir den herausgesucht, der mir am besten gefällt.
8c. Ja. Wieso auch nicht?
9. Sind auf freiwillige Hilfe angewiesen. Es würde ja weiterhin spendenfinanzierte Katastrophenhilfe etc. geben. Rein praktisch wie vorher auch: Schrittweise Steuersenkung und Spendenaufrufe, langsamer Übergang zur Spendenfinanzierung so dass keine Finanzierungslücken entstehen.
10. Siehe 9.
Letztendlich sind das aber wie gesagt die falschen Fragen. Es sind Fragen der praktischen Umsetzung, sie erfassen das Problem nicht grundsätzlich.
Die zentrale Frage ist: Akzeptieren wir das Axiom? Wollen wir eine gewaltfreie Gesellschaft?
Wenn wir diese Frage mit "ja" beantworten dann ist der Objektivismus wirklich objektiv, dann gibt es keine Alternative und wir müssen versuchen, all diese praktischen Probleme in den Griff zu kriegen um dem theoretischen Ideal möglichst nahe zu kommen.
Wenn wir allerdings das Axiom ablehnen, wenn wir sagen "Nein, wir wollen keine gewaltfreie Gesellschaft" - dann brauchen wir eine bessere Alternative. Was wäre eine bessere Grundlage zur Konstruktion einer Gesellschaft? Welches Axiom würde ein Objektivismus-Gegner vorschlagen? Mir fällt keins ein, das auch nur annähernd so fundamental wichtig und gleichzeitig klar definierbar ist wie die Gewaltfreiheit.