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den text verlinkte sonnebr0n
bzgl whataboutismPutin hat die westliche Friedensordnung angegriffen, heißt es nun allenthalben. Ein Angriff ist diese Aggression zweifellos, aber ebenso zweifellos hat es eine "westliche Friedensordnung" nie gegeben. Es macht ungehalten auf das doch Offensichtliche verweisen zu müssen, nämlich, mit welch entlastender Geschichtsvergessenheit darüber hinweggegangen wird, wie seit dem Zweiten Weltkrieg die USA, ohne oder mit einer "Koalition der Willigen", eigenhändig oder durch das Aufrüsten der Konfliktparteien, ganze Regionen dieser Welt in Schutt und Asche gelegt oder zumindest nachhaltig destabilisiert haben.
Mit Opferzahlen, die angefangen in Korea, Kambodscha, und Vietnam, über Mittelamerika bis in den heutigen Nahen Osten in die Millionen gehen. Ist selbst das jüngste Afghanistan-Debakel nicht mehr präsent genug, um im Westen mit Friedensbehauptungen umsichtiger und selbstkritischer umzugehen?
Die vermeintliche westliche Friedensordnung zeigt sich als eine Welt, in der der Profit aus der Rüstungsindustrie größer ist als das Einkommen der Hälfte der Weltbevölkerung. Ja, Autokraten setzen jetzt mühsam errungene, internationale Regeln außer Kraft. Aber zuvor haben Demokraten ebendiese Regeln außer Kraft gesetzt.
Gegen derartige Schlüsse wurde schon immer ein Denkverbot aufgeboten, wonach sich "Äquidistanz" nicht schicke. Ein Verbot, das neuerdings mit dem hippen, aber nicht weniger opportunistischen Whataboutismus ins Feld zieht. Die antiimperialistische Linke solle gefälligst aufhören, die Verbrechen der Autokraten durch die reflexhafte Frage abzumildern: What about die Vergehen der USA und der Nato?
Dabei geht es doch erwiesenermaßen nicht um Relativieren oder gar Rechtfertigen, sondern um die Verteidigung kausalen Denkens. Kein vorsätzlich gleichmacherischer Abstand, sondern Kontextualisierung, die zu seriöser Geschichtsschreibung gehört.
Wer Opfern helfen will, sollte die Genesis von Kriegen und Krisen zur Kenntnis nehmen, damit Geschichte sich nicht permanent wiederholt. Dabei wäre selbstkritisch anzumerken, dass der Fokus der deutschen Linken auf dem hochmütigen, ja demütigenden Verhalten des Westens gegenüber Russland lag, während das Zerriebenwerden der Ukraine zwischen den Großmächten weitgehend aus dem Blickfeld geriet.
Frieden muss gestiftet werden
Das Ende der Gewissheiten ist kein Ende der Orientierung an Normen
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