Polen hat sein Angebot, 28 MiG-Kampfflugzeuge der amerikanischen Armee zur Verfügung zu stellen, damit sie dann vom Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Deutschland aus der Ukraine übergeben werden können, verteidigt. Jakub Kumoch, der außenpolitische Berater des polnischen Präsidenten
Andrzej Duda, sagte am Mittwoch, dass der erste Anstoß, neben Waffen auch Flugzeuge zu liefern, aus Brüssel kam (womit er auf einen vergangene Woche gemachten Vorschlag des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell anspielte). Darauf hatte Polen zunächst zurückhaltend reagiert, ehe das Land am Dienstag mit dem überraschenden Angebot unter Einbeziehung Amerikas auftrat.
Am Dienstagabend folgte die Reaktion aus Washington. Das Verteidigungsministerium nannte den Vorschlag Warschaus „nicht haltbar“. Der Vorschlag, die
Kampfflugzeuge den Amerikanern an ihren Luftwaffenstützpunkt in Ramstein in Deutschland zu überstellen, bringe „schwierige logistische Herausforderungen“ mit sich, zudem gebe es angesichts der geopolitischen Dimension „ernsthafte Bedenken“, teilte Pentagon-Sprecher John Kirby mit. Victoria Nuland, die Politische Direktorin im State Department, hatte den offenkundig nicht mit Washington abgestimmten Vorstoß in einer Anhörung im Senat als „überraschenden Schritt“.
„Wir haben unser Angebot gemacht und zwar im Klartext“
Warschau begründete sein Vorgehen, das eine so schroffe Ablehnung der Vereinigten Staaten hervorgerufen hatte, mit der Geschichte. „Wir kennen aus der Geschichte solche Momente, wo jemand weit weg etwas unterlassen hat und dann die Rechnung an jene ausgestellt wird, die vor Ort waren“, sagte Präsidentenberater Kumoch in Anspielung auf folgenschwere Unterlassungen der Alliierten in den ersten Jahren des
Zweiten Weltkriegs. In der Ukraine fänden heute „Kriegsverbrechen“ statt, und man müsse handeln. Wenn der Ukraine etwas zustoße, wenn also Russland seinen Machtbereich in der Ukraine bis an Polens Grenze ausdehne, werde nicht das Baltikum, sondern Polen das nächste Ziel russischer Provokationen sein. „Deshalb verteidigen wir die Ukraine, als wären wir selbst Ukrainer.“ Zur Kritik an der Flugzeuglieferung sagte Kumoch: „Jetzt wissen wir also, dass die Vereinigten Staaten das nicht wollen.“ Polen wolle handeln, aber im Rahmen des Bündnisses. „Wir haben unser Angebot gemacht und zwar im Klartext.“
Versöhnlichere Töne kamen am Mittwoch vom polnischen Ministerpräsidenten
Mateusz Morawiecki. Polen werde nicht auf eigene Faust Kampfflugzeugen an die Ukraine liefern, erklärte der Warschauer Regierungschef in Wien, wo er mit dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer zusammentraf. Morawiecki sagte weiter, Polen liefere nur „defensive Waffen“. Sollten Flugzeuge geliefert werden, so komme dafür nur die NATO in Frage, daher habe Polen dem Bündnis seine Vorschläge dafür übermittelt. Als „verantwortungsbewusste Politiker“ gelte es, „ohne zusätzliche Provokation, Schritte, die noch schwierigere Szenarien nach sich ziehen können“ vorzugehen. „Polen ist nicht Partei in diesem Krieg. Eine solche Entscheidung wie die Überstellung der MiG muss die der gesamten NATO sein.“ Daher liege der Vorschlag nun in den Händen der Vereinigten Staaten und des Verteidigungsbündnisses.
Damit liegt Morawiecki im Einklang mit Vertretern der polnischen Opposition. Der frühere Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak von der liberalen Bürgerplattform sagte, er halte das MiG-Angebot als Grundlage für eine gemeinsame Nato-Entscheidung für „richtig“, wobei Polens Sicherheit Priorität haben müsse. Die Expertin Justyna Gotkowska vom Warschauer Zentrum für Oststudien OSW schrieb auf Twitter: “Wenn wir der Ukraine beim Kampf gegen den Aggressor helfen und dabei Risiken auf uns nehmen wollen, sollten wir das als NATO tun und gemeinsam den Preis zahlen. Und nicht einzelne Verbündete in eine riskante Lage bringen, für die sie womöglich doppelt zahlen müssen.”
Die Diskussion über die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine hatte begonnen, als der EU-Außenbeauftragte
Josep Borrell interne Überlegungen dazu öffentlich machte und nahe legte, dies aus EU-Mitteln zu finanzieren. Von ukrainischer Seite hieß es, Polen, Bulgarien und die Slowakei hätten schon zugesagt, Kampfflugzeuge der Typen MiG-29 und Su-25 zu liefern. Angeblich warteten ukrainische Piloten schon in den Ländern darauf, mit den Flugzeugen durchzustarten. Das Kommando der ukrainischen Luftwaffe erklärte, „bei Bedarf“ könnten sie sogar polnische Flugplätze als Ausgangsbasis für Angriffe nutzen.
NATO will keine Truppen in die Ukraine schicken
Das hätte in der Praxis nicht weniger bedeutet als den formalen Eintritt der Allianz in den Krieg, weshalb im NATO-Hauptquartier in Brüssel alle Alarmglocken läuteten. Generalsekretär
Jens Stoltenberg nutzte die erste Gelegenheit, um dieses Feuer auszutreten. Während eines Besuchs auf dem polnischen Luftwaffenstützpunkt Lask sagte er am Dienstag voriger Woche: „Die NATO wird nicht Truppen in die Ukraine schicken oder Flugzeuge in den ukrainischen Luftraum bewegen.“ Das war so weit gefasst, dass es nicht nur regelmäßige Starts und Landungen von Kampfflugzeugen auf NATO-Gebiet ausschloss, sondern allein schon die einmalige Überführung von Maschinen in die Ukraine. Das geht ja nur auf dem Luftweg, und Russland hätte die Flugzeuge als feindliche Jäger einstufen und Polen dafür verantwortlich machen können, sobald sie in den Luftraum über der Ukraine eindringen – selbst wenn die polnischen Hoheitszeichen übermalt worden wären.
Neben Stoltenberg stand der polnische Präsidenten Andrzej Duda. Auch der sagte glasklar: „Wir senden keine Kampfflugzeuge in die Ukraine, weil das zu einer militärischen Einmischung in den Ukraine-Konflikt führen würde“. Damit war die Debatte einstweilen beendet; auch die Slowakei und Bulgarien winkten am selben Tag ab. Als sich die NATO-Außenminister ein paar Tage später, am Freitag in Brüssel trafen, ging es um eine Flugverbotszone, die Kiew gefordert hatte. Das wäre noch eine Eskalationsstufe mehr gewesen, denn dafür müsste die Allianz zunächst die russische Luftabwehr zerstören und auch Stellungen auf russischem und belarussischem Boden angreifen. Die Ausführungen dazu lassen sich aber auch auf den bloßen Transfer von Kampfflugzeugen beziehen.