Die Einschusslöcher wurden ja auch von der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft untersucht. Diese konnte aber keine Hinweise auf Schützen aus Maidanrichtung finden. Was denken Sie über deren Ermittlungen?
Ivan Katchanovski: Die Belege meiner Studie zeigen, dass die Generalstaatsanwaltschaft und andere Regierungsstellen die Ermittlungen zum Massaker absichtlich verfälscht haben. Der Generalstaatsanwalt sagt, er habe keine Beweise für Schützen im Hotel Ukraina und anderen vom Maidan kontrollierten Gebäuden. Mitglieder einer speziellen Berkut-Einheit hätten fast alle der Demonstranten mit AKM-Gewehren (Kalaschnikows) und Jagdmunition getötet. Bis auf einige Videos, die mit AKMs schießende Berkut-Leute zeigten, wurden jedoch keine Beweise veröffentlicht. Ein Reuters-Bericht enthüllte erst vor kurzem, dass die Anklage gegen drei Berkut-Mitglieder lediglich auf solchen Videos beruht.
In meinen Nachforschungen habe ich entdeckt, dass die meisten Tötungsfälle von Maidandemonstranten eher auf Schützen aus dem Maidanspektrum hinweisen. In den restlichen Fällen ist die Analyse nicht eindeutig, weil entweder Beweise fehlen oder Berkut und Maidanschützen gleichzeitig schossen. Zahlreiche entscheidende Beweisquellen, die auf Schützen von Maidanseite deuten, werden von der ukrainischen Regierung bislang ignoriert.
Welche Belege haben Sie dafür, dass die Generalstaatsanwaltschaft und die ukrainische Regierung die Ermittlungen verfälschen?
Ivan Katchanovski: Zum einen hat die Regierung die tödlichen und alle anderen Schüsse auf Polizisten am 20. Februar und in den beiden Tagen davor bis heute nicht untersucht. Zum anderen habe ich in meiner Analyse zahlreiche Beweise für Schüsse aus mindestens zwölf vom Maidan kontrollierten Gebäuden aufgelistet. Trotzdem leugnet das Büro des Generalstaatsanwalts weiter, dass es in diesen Gebäuden Schützen gab. In der aktualisierten Auflage meiner Studie wird es einen Video-Anhang geben. Darin werden auch Bildbeweise für Schüsse aus Maidangebäuden enthalten sein. Ein erstes dieser Videos ist nun
verfügbar.
Erst vor kurzem habe ich Live-Übertragungen aus dem Hotel entdeckt. Diese kaum bekannten Aufnahmen enthalten nicht nur direkte Beweise, dass Maidankämpfer das Hotel Ukraina während des Massakers kontrollierten, sondern auch, dass sie mit Kalaschnikow-Sturmgewehren (Kaliber 7,62 Millimeter), Jagdwaffen und anderen Gewehren bewaffnet waren und mit scharfer Munition während des Massakers aus den oberen Etagen des Hotels schossen. Das stimmt wiederum mit den Waffentypen und Munitionskalibern überein, die sowohl gegen unbewaffnete Demonstranten als auch gegen Polizisten eingesetzt wurde. Und die Schusswunden der Demonstranten sowie die Richtung der Einschusslöcher passen auch dazu.