Du wolltest einen Vergleich ziehen zwischen Beginn des ersten Krieges und der heutigen Situation. Das ist nicht Inhalt des Berichts. Mir ist auch absolut klar, dass du deinen eigenen Ansprüchen nicht genügen kannst, weil so ein Vergleich totaler Schwachsinn wäre. Aber statt es einzugestehen, weichst du wieder aus. "Riesige Investitionsprojekte" ist auch so eine Worthülse - man hat eine Arbeitslosenquote von ca. 80% (2007) auf derzeit etwa 40-45% (2013) statistisch berechnet. Was für Stellen bzw. Industrien das sind, ist absolut unklar. Statistiken aus Tschetschenien (99,76% der Stimmen für Putin bei der Präsidentenwahl, jährlich mind. der 85% Schulabgänger mit einem 1,0 Schnitt in den föderalen Abschlussprüfungen etc..) sind meist nichts wert.
Hätte, hätte, Fahrradkette...wenn dich die chronologischen Entwicklungen tatsächlich interessieren, dann lies das hier:
http://www.hss.de/uploads/tx_ddceventsbrowser/aktuelle_analysen_18_Krieg_in_Tschetschenien.pdf
Tschetschenien hat unter Dudajew mit einer Maximalforderung versucht unabhängig zu werden, seitens Russland wurde damals, im Gegensatz zu anderen Regionen die ebenfalls zu Beginn die Unabhängigkeit angestrebt haben und am Ende den Status einer autonomen Region mit eigener Verfassung erhielten, keine Verhandlungsbereitschaft gezeigt. Zu diesem Zeitpunkt, d.h. vor 93, war die tschetschenische Führung keine homogene Masse von hardcore Islamisten, sondern eine Ansammlung verschiedener politischer Vertreter (unterteilt in Clans und Parteien). D.h. es gab Verhandlungsspielraum für einen Status als autonome Region innerhalb der Föderation, spätestens mit der Handelsblockade 93/94 und der Sperrung der Grenzen seitens Russland, hat Dudaev deutlich gemacht, dass er zu Verhandlungen bereit ist (wenn man denn seine vorherigen Angebote nicht ernst nehmen will). Denn aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russland und den restlichen kaukasischen Objekten wurde deutlich, kam es zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch der tschetschenischen Industrie. Diese konnte aufgrund sinkender Ölförderung im kaspischen Meer ihre Raffinerien und mangels Zulieferer die chemische Industrie nicht mehr auslasten. Stattdessen hat man aber die von dir bevorzugte militärische Option gewählt weil man nur "mit
gesunden Kräften" in Tschetschenien verhandeln wollte (kommt dir das bekannt vor? mit Nazis spricht man nicht und so). Dass die ungesunden Gruppen dadurch nur radikalisiert wurden und aus der Bevölkerung weiteren Zulauf erhielten ist logisch. Das Verhalten Russlands wurde imho zu Recht als imperialistisch Seitens der Tschetschenen in der Bevölkerung vermarktet und zur Erinnerung an die Deportationen genutzt.
Und das spricht für was? Zu diesem Zeitpunkt war vermutlich der Anteil russischer Bevölkerung bei ca. 60%...
Das passt zu der Frage von Ticor. Zunächst ist der Überfall auf Dagestan keine stichhaltige Begründung für den zweiten Krieg. Das war kein Überfall a la Irak auf Kuweit, denn zu dieser Zeit waren die Dschihadisten bereits ausschliesslich auf Guerillataktik beschränkt, d.h. es war kein islamistisch-tschetschenischer Staat der angriff. Zudem gab es bereits davor Anschläge in Zentral- und Südrussland durch tschetschenische Kommandos, die sich aufgrund der Präsenz russischer Truppen an den Grenzen und im Inland dazu gezwungen sahen auf terroristische Taktiken auszuweichen. Man hat durch den ersten Krieg eine Radikalisierung der Gesamtbevölkerung entfacht und somit eine Ursache für den späteren Terror gesetzt.
Russland hätte auch 1991 Kompromissbereitschaft zeigen und jede Gruppe der tschetschenisch-politischen Landschaft als Verhandlungspartner akzeptieren müssen (statt von ungesunden Kräften zu sprechen). Gerade wenn sich jemand wie du gerne auf Scholl-Latour beruft, sollte die Parallele zum Nahen Osten ziehen können. Zur Frage, was die Lösung im Nahen Osten sein solle, antwortet er seit Jahren, dass die einzige Möglichkeit Verhandlungen mit der Hamas und der Hisbollah sind. Jede Terrororganisation (bzw. Partei, je nachdem wie man es sehen will) hat interne gegensätzliche Strömungen, radikale und verhandlungsbereite. Jede militärische Aktion von Israel (oder in dem Fall Russlands) nimmt jedoch den gemäßigten Stimmen das Gewicht und sorgt für weitere Radikalisierung. Die Hamas lebt von der Zustimmung der palästinensischen Bevölkerung und dem Zustrom junger Islamisten. Um den Terror zu bekämpfen genügt es daher auch nicht Waffenembargos zu verhängen. Man muss auch mit Extremisten in Verhandlungen treten und ihnen eine Chance geben an der Meinungsbildung zu partizipieren. Erst wenn die Bevölkerung begreift, dass die Extremisten unfähig sind ihr persönliches Leben zu verbessern bzw. radikal-politische Maßnahmen sich in der tägliche Politik als nutzlos erweisen, wird die Hamas Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Rekruten bekommen. Bis dahin wird Israel, Russland oder die USA für jedes Übel instrumentalisiert und als Begründung von der Gesellschaft aufgenommen.
Im Verlauf des ersten Krieges hat General Lebed den ersten dauerhaften Waffenstillstand mit der tschetschenischen Armeeführung vereinbaren können, weil auf der anderen Seite ehemals sowjetische Offiziere sassen. Daraufhin wurde er von russischen Hardliner, die keine Alternative zum Krieg sahen, des Landesverrats beschuldigt. Selbst der auf den ersten Blick simpelste Konflikt, bei dem sich zwei Seiten gegenüberstehen, ist bei näherer Betrachtung ein Spiel zwischen x-verschiedenen Meinungsströmungen beiderseits. Ob ein Konflikt diplomatisch oder kriegerisch gelöst werden kann, hängt davon ab, welche internen Strömungen innerhalb einer Meinung die Oberhand gewinnen. Der Prozess der Meinungsbildung ist dabei nie alternativlos, sondern abhängig von Willen der jeweiligen Führung. Russland beweist in diesen Fällen leider regelmässig, dass der historische Militarismus herrschend ist. Einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen entsteht daraus aber nicht, genauso wenig in Israel.
Anschließend daran sieht man, dass du dieselbe Logik verfolgst:
Wer Politik nicht als Werkzeug zur Gestaltung, sondern nur zur Verwaltung begreift, kann natürlich zu keinem anderen Ergebnis kommen.
Umso absurder ist es, wenn du behauptest:
und gleichzeitig die USA für ihre kurzsichtige Außenpolitik kritisierst, weil diese in Afghanistan, SaudiArabien etc. zeitweilig nutzvolle Gruppierungen mit Geld und Waffen unterstützen um sie Jahre später zu bekriegen. Woher basiert denn deine Zuversicht? Auf den guten Erfahrungen die die Sowjets in Afghanistan bzw. die Russen in Tschetschenien gemacht haben mit Guerillakriegen? Imho hatte Dudaev nur 13.000 Mann im ersten Krieg, selbst diese hat man nicht platt gekriegt. Stattdessen hat man mal wieder die Jugend radikalisiert und die Kämpfer in die, zuvor relativ ruhigen, Grenzgebiete wie Dagestan getrieben, in denen nunmehr ebenfalls regelmäßig Terroranschläge stattfinden.
Und in Anbetracht dieser sinnlosen Gewalt und volkswirtschaftlichem Totalversagen kommst du nun an und bezeichnest die gesamte Westukraine als Bauerndorf, willst jegliche Diskussionen mit den Rechten verweigern und begrüsst die Annektion (und komm mir jetzt nicht mit der Scheisse, dass eine Separation die Annektion ausschließt, für diesen BS verschwende ich keine Minute) durch militärische Gewalt. Sollten ukrainische Faschisten anfangen Terroranschläge gegen Russen zu betreiben (o.ä.) dann wird das keine Rechtfertigung für den Einmarsch Russlands sein, sondern eine sellfullfilling prophecy so wie es Tschetschenien ebenfalls war. Um es simpel auf den Punkt zu bringen: Gewalt erzeugt Gegengewalt.