Nagut, ich habe mir tatsächlich mal den Spaß gemacht und ein bisschen ins Blaue in Ausführungen zum Polizeirecht geblättert. Nach kurzem Rumscrolle bin ich weiterhin nicht eurer Ansicht.
Einleitend:
Im
§ 63 Abs. 2 PolG NRW (Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch) heißt es, dass Schusswaffen gegen Personen gebraucht werden dürfen, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen.
Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.
So weit so klar.
Aber:
63.21 VVPolG zu § 63
Um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen, ist, wenn die Umstände es zulassen, auf die Beine zu zielen, vor allem bei Fliehenden.
Auf die Beine schießen klingt schlauer als Unterarm.
Fluchtunfähig:] Damit ist die Unfähigkeit der Person gemeint, auf die geschossen wird, sich nicht wegrennen zu können, bzw. sich nicht mehr dem polizeilichen Zugriff entziehen zu können. In der Regel ist dieses Ziel erreicht, wenn Arme oder Beine getroffen wurden. Deshalb ist es auch mit der gesetzlichen Forderung, die Fluchtunfähigkeit des polizeilichen Gegenübers herbeizuführen nicht vereinbar - Ausnahme finaler Rettungsschuss - wenn gezielt auf so genannte »zentrale Bereiche des Menschen« geschossen wird. Wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit sind somit gezielte Schüsse auf Rumpf oder Kopf der fliehenden Person, gegen die sich der Schusswaffengebrauch richtet, unzulässig.
In dem Urteil des BGH vom 25.03.1999 - 1 -StR 26/99 (LG Stuttgart) heißt es diesbezüglich:
Gezielte Schüsse auf zentrale Bereiche des Menschen zum Zweck der Festnahme sind [...] wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar; sie sind unzulässig und damit nicht gerechtfertigt (zitiert nach NJW 1999, Heft 34, S. 25).
[Angriffsunfähigkeit:] Dieser Begriff ist weiter auszulegen als der der Fluchtunfähigkeit. Er schließt im Extremfall den möglichen, in Extremfällen auch den gewollten Tod der Person ein, auf die geschossen wird. Der Begriff setzt aber voraus, dass der Schusswaffengebrauch erfolgt, um einen noch möglichen bzw. zu erwartenden Angriff des Störers abzuwehren.
[Beispiel:] Ein bewaffneter Rechtsbrecher, der während der Flucht auf ihn verfolgende Polizeibeamte geschossen hat, wird von einer Polizeikugel am Bein getroffen. Der Mann fällt zu Boden, es gelingt ihm aber, sich in Deckung bringen zu können. Beim Zugriff der Polizei schießt der Mann erneut auf die Polizeibeamten. In dieser Situation macht ein Beamter von seiner Schusswaffe Gebrauch. Der Rechtsbrecher wird tödlich getroffen. Rechtslage?
Das Beispiel macht deutlich, dass es polizeiliche Einsatzlagen gibt, in denen Polizeibeamte auf der Grundlage geltenden Rechts auch bei der Festnahme eines Rechtsbrechers in begründeten Einzelfällen von der Schusswaffe so Gebrauch machen können und auch dürfen, dass dabei der Tod des polizeilichen Gegenübers sozusagen billigend in Kauf genommen wird.
Besonders letzter Absatz. “in begründeten Einzelfällen von der Schusswaffe so Gebrauch machen können und auch dürfen, dass dabei der Tod des polizeilichen Gegenübers sozusagen billigend in Kauf genommen wird.“ Am beispiel eines Verbrechers, der verwundet und mit der Pistole bewaffnet aus der Deckung schießt. Ist natürlich immer eine Einzelfallsache, aber im Tenor der Ausführungen lese ich die grobe Orientierung dazu, wann der (tödliche) Schusswaffengebrauch das adäquate Mittel ist immer noch ziemlich anders als ihr.
P.s. klarstellung: den Teil [Fluchtunfähigkeit] poste ich der Vollständigkeit halber, die duskutierte Notwehr/Nothilfe wird im Punkt Angriffsunfähigkeit besprochen.
Quelle:
https://www.rodorf.de/01_polg/55b.htm#09.11