@Phil
Ich würde zumindest mal erwarten, dass das Kriterium, wann ein Polizist jemanden erschießen darf, sich wenigstens ungefähr am allgemeinen Notwehrrecht orientiert.
Und wir sind uns wohl einig: Wenn du von einem zwielichtigen Typen angegriffen wirst, ihr kurz rangelt und du dann deine Pistole zu greifen kriegst und ihn bedrohst, er aber seine Autotür öffnet und sich hineinlehnt, dass es dann eben keine gebotene Notwehrhandlung ist, ihm sieben Mal in den Rücken zu schießen?
Das ist doch genau, worauf Benrath imo abzielt: Dass es einen völlig anderen Standard gibt, wenn Polizisten sich bedroht fühlen und sie de facto zu Mitteln greifen dürfen, für die jeder Normalbürger eingeknastet würde.
Das ist für mich einfach widersinnig. Denn Polizisten sind im Gegensatz zu Normalbürgern sogar an der Waffe ausgebildet, tragen in der Regel schusssichere Westen und treten (siehe Gustavo) zu mehreren auf. Wenn überhaupt, sollten sie also seltener zu tödlicher Gewalt greifen müssen, statt öfter.
Da ist es schon fast ironisch, dass Heator im anderen Thread grad noch argumentiert hat, der Polizist als Bürger in Uniform dürfe sich genau so(!) verteidigen wie jeder andere auch.
Damit hat hier afaik niemand ein Problem, aber Notwehr heißt nach unseren (imo vernünftigen) Verständnis, dass man einen stattfindenden oder unmittelbar bevorstehenden Angriff abwehrt - nicht einen, der vielleicht, "potentiell" erfolgen könnte.
Um das nochmal konkret auf das Video zu beziehen: Ich sehe hier überhaupt gar keine Notwehrsituation. Der Mann greift die Polizisten in dem Moment, als sie schießen, überhaupt nicht an, sondern bewegt sich von ihnen weg.
Damit sehe ich Notwehr hier überhaupt nicht als einschlägig an - außer es gäbe überwältigende Evidenz dafür, dass er tatsächlich eine Waffe in Auto hat und vorhat, diese einzusetzen. Aber wo soll diese Evidenz herkommen? Nach allem, was wir wissen, existiert sie nicht, sondern beruht auf reiner Spekulation.
Das allgemeine Notwehrprinzip, also eine objektiv gegebene Bedrohung kann den Schusswaffeneinsatz also hier nicht rechtfertigen.
Es bleibt noch die Möglichkeit, dass der Schusswaffeneinsatz als polizeiliche Maßnahme geboten war. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass die Polizisten gute Gründe hatten den Mann zu stoppen und festzunehmen oder zumindest zu überprüfen. Er hat sich auch offensichtlich den Anweisungen der Polizisten widersetzt.
Ich sehe aber überhaupt nicht, dass hier alle milderen Mittel ausgeschöpft sind. Denn wie Gustavo schon sagte: Die Polizisten sind in der Überzahl und der Typ ist offensichtlich körperlich angeschlagen. Es hätte diverse Möglichkeiten gegeben, ihn davon abzuhalten überhaupt bis zu seinem Auto zu kommen, wenn man unter der Prämisse agiert, dass das so gefährlich ist, dass man dann das halbe Magazin in ihn entladen muss.
Man hätte ihn bspw. früher einholen und zu Boden werfen können, nochmal den Taser einsetzen, einen oder mehrere Warnschüsse abgeben, ihn notfalls ins Bein schießen usw.
Wenn man zu dem Schluss kommt, dass man ihn nicht stoppen kann und man den Eigenschutz hier an erste Stelle stellt, bleibt übrigens auch die Möglichkeit sich erstmal etwas zurückzuziehen und auf Verstärkung zu warten.
Für mich sieht das einfach wie dilettantisches Polizeiverhalten aus, das darin endet, dass einem der Beamten (zurecht) die Muffe geht, weil er unmittelbar hinter einem Verdächtigen steht, der "irgendwas" aus seinem Auto holt.
Ich sehe, dass das eine extrem unangenehme Situation für diesen Beamten ist und der wahrscheinlich wirklich große Angst hat. Aber es ist halt eine Situation, in die er sich zu einem guten Teil selbst gebracht hat. Und eine Notwehrsituation liegt weiterhin nicht vor, während der Typ ihm den Rücken zukehrt. Also darf er hier imo nicht schießen - wenigstens nicht so. Warum hat er ihm denn nicht zwei Meter früher sieben Mal in die Beine geschossen?
Ich finde es befremdlich, wie man Leuten, die sich gegenüber der Polizei dämlich verhalten, quasi das Lebensrecht anspricht ("hätte er hält gehorcht"), während man Polizisten jede Dummheit zugesteht, durch die sie sich selbst in Gefahr bringen - notfalls können sie ja immernoch schießen.