Das BKA fand mit A.s Fingerabdrücken heraus, dass er seit 2015 als syrischer Kriegsflüchtling unter dem Namen „David Benjamin“ gemeldet war. Am 30. Dezember 2015 hatte die
Erstaufnahmeeinrichtung in
Gießen ihn als
Asylbewerber registriert und bei
Erding untergebracht. Am 7. November 2016 führte die
BAMF-Außenstelle Zirndorf die obligatorische Anhörung für A. durch.
Ein Bundeswehrsoldat im Beisein einer Dolmetscherin für Arabisch befragten ihn 80 Minuten lang, hauptsächlich auf Französisch.[11] Nach späteren Angaben der Dolmetscherin beantwortete A. einige Fragen auf Deutsch mit französischem Akzent, ohne sie sich vorher übersetzen zu lassen.[12] Er gab an, er heiße David Benjamin und sei
syrischer Christ, geboren 1988 in einer Kleinstadt östlich von
Aleppo als Sohn eines Obsthändlers. Seine Familie stamme aus Frankreich und habe ihn auf ein französisches Gymnasium in
Damaskus geschickt. Darum beherrsche er Französisch besser als Arabisch. Er sei geflohen, weil das
Assad-Regime ihn zum Militärdienst habe einziehen wollen,
Dschihadisten seinen Vater getötet hätten und die Terrormiliz
Islamischer Staat ihn wegen seines jüdisch klingenden Namens bedroht habe. Obwohl keine dieser Angaben zutraf, erhielt er einen vorläufigen Schutzstatus als Kriegsflüchtling.
[11]
Bei der Anhörung wurde er nicht nach seinem Aufenthaltsort gefragt. Dabei hatte das Sozialamt in Baustarring bei
Kirchberg (Oberbayern) das BAMF im Oktober 2016 informiert: „Herr Benjamin kam noch nie nach Baustarring“, wo er anfangs untergebracht worden war.
[13] Ferner fragte die Dolmetscherin A. sofort auf Französisch, noch bevor sie seinen arabischen Akzent feststellen konnte. Der Standort seiner Schule, der 20 km von seiner Angabe entfernt lag, wurde ebenso geprüft und dokumentiert wie seine angeblichen Verletzungen durch
Granatsplitter. Ein schriftlicher Einberufungsbefehl der syrischen Armee wurde nicht verlangt. Auch Nachfragen zum Tod des Vaters, zur Flucht vor dem IS und zu einem angeblichen Cousin und seinem Schicksal unterblieben, obwohl die Befragung nicht unter Zeitdruck erfolgte.
Im Asylbescheid vom 16. Dezember 2016 urteilte der Entscheider, der Antragsteller habe seine religiöse Verfolgung nicht ausreichend begründet, wohl aber die ihm drohende Lebensgefahr als Zivilist. Er erkannte ihn deshalb als Bürgerkriegsflüchtling an und gewährte ihm subsidiären Schutz.[14]
Die Bundesagentur für Arbeit hatte den Entscheider nach einem vierwöchigen Kurzlehrgang an das BAMF ausgeliehen. Er musste zwischen Mai und Dezember 2016 über 435 Asylanträge entscheiden und sagte Kontrolleuren, er könne sich an die Befragung von „David Benjamin“ nicht mehr erinnern.[12] Auch der anhörende Bundeswehrsoldat war nur drei Wochen lang für die Aufgabe geschult worden. Die Dolmetscherin hatte zwar Unstimmigkeiten in A.s Aussagen bemerkt, aber „nichts gegen einen
Israeli“ zu sagen gewagt. Das BAMF erklärte, seine Anerkennung sei Ergebnis „mehrerer eklatanter Fehler, mangelnder Routine und extremer Belastung aller Mitarbeiter“ gewesen.
[15]