Ich sehe in keinem dieser Fälle eine Strafwürdigkeit gegeben. Zurecht werden durch den Beleidigungs-Straftatbestand nicht die Gefühle geschützt, sondern der "Ehrträger" in der objektiven Einschätzung Dritter (nicht seiner eigenen). Das halte ich schlicht nicht für schützenswert.
Ich bezweifle, dass das rechtsdogmatisch stimmt. Keine starke Quelle, aber imo glaubhaft genug:
Nach herrschender Meinung zerfällt der Ehrbegriff in die faktische Ehre, welche das subjektive Ehrgefühl und den objektiven guten Ruf einer Person umfasst, und die normative Ehre mit dem Anspruch auf Achtung der Persönlichkeit. Die verschiedenen Delikte befassen sich mit Sonderfällen dieser Situation.
http://www.juraindividuell.de/artikel/die-ehrdelikte/
Mir gehts gar nicht primär um den Künast-Fall, sondern an sich um die Frage, ob Beleidigung strafbar sein sollte. Hier hab ich von dir noch keine schlüssige Begründung gehört, warum das nicht der Fall sein sollte, außer dass dir der Begriff "persönliche Ehre" als schützenswertes Rechtsgut suspekt ist.
Du magst einwenden, dass eher die Strafwürdigkeit als die Straffreiheit einer Begründung bedarf. Ganz so einfach ist es aber nicht, weil ich unterstelle, dass du bestimmtes Verhalten durchaus für strafwürdig hältst. Wenn du Beleidigungen davon ausnimmst, dann interessiert mich, wie du sie von strafwürdigem Verhalten abgrenzt.
Meine Position ist, dass sich Beleidigungen nicht sinnvoll von anderem Verhalten - bzw. Aspekten davon - abgrenzen lassen, das wir völlig selbstverständlich für strafwürdig halten.
Ein Grund dafür ist imo, dass schon in der Analyse sprachlicher Äußerungen ein wesentlicher Bestandteil vergessen wird: Man reduziert Sprache auf die Bedeutung dessen, was ich sage, und die Wirkung, die ich damit erziele. Dabei fehlt aber ein wesentlicher Aspekt, nämlich die eigentliche Handlung, die ich dabei vollziehe (der illokutionäre Akt): Wenn ich jemanden beleidige, dann tue ich damit mehr, als ihm negative Eigenschaft x zuzusprechen oder auszudrücken, dass ich y über ihn denke und damit eine Wirkung bei ihm zu erzielen. Ich mache etwas mit ihm, das darauf ausgelegt ist, ihm als Person zu schaden. Das ist ein Angriff gegen seine Person. Und mir leuchtet überhaupt nicht ein, warum jemand solche Angriffe straffrei über sich ergehen lassen muss, andere dagegen nicht.
Dann kannst du das Internet dicht machen, wenn ab sofort keine geschmacklose Ablästerung über bekannte Personen mehr möglich sein soll.
Für mich ist das ein großer Unterschied, ob irgendwo im Internet irgendwas geredet wird oder ob derjenige aktiv in das Leben des Betroffenen tritt und ihn damit nerven und schaden will.
Der erste Satz sagt ungefähr dasselbe wie: "Nicht mehr vergewaltigen? Dann kannst du Sodom auch gleich einäschern."
Zum zweiten: Diese Unterscheidung mag für die ältere Generation noch einen gewissen Sinn ergeben. Viele junge Leute leben quasi mehr online als offline - ob nun in Beruf oder Privatleben. Da kann man dann kaum mehr davon reden, dass Beleidigungen über Social Media irgendwie eine Randerscheinung seien, der sie sich leicht entziehen könnten.
Es ist imo auch nicht einzusehen, weshalb jemand "dann halt einfach keine Facebook-Kommentare mehr lesen" solle, nur damit andere das Recht haben, sich dort in beliebiger Weise über diese Person auszulassen.