Was denkt ihr zu Habecks, Thema Verflechtung privater und professioneller Netzwerke? Nur Bad Optics, oder Vetternwirtschaft und Korruption?
Der größte Teil davon ist schlicht eine etwas dümmlich aufgezogene Kampagne ("Clan-Strukturen"). Kann man gut daran sehen, wie mit den Fakten umgegangen wird:
- Das Video nennt die Zahlen von 2021, um die enge Verflechtung des Öko-Instituts mit dem Wirtschaftsministerium zu belegen. Nur war Habeck halt im Jahr 2021 weniger als einen Monat Wirtschaftsminister, den größten Teil des Jahres war das der bekannte Ökoextremist Peter Altmaier. Was der Spiegel-Artikel, den er zeigt, übrigens auch noch erwähnt, das Video aber nicht, ist die Tatsache, dass Graichens Schwester im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung ist. Nur: In den wurde sie ebenfalls von Altmaier berufen.
- Dann verschweigt er, dass das Wirtschaftsministerium für Graichen extra dekretiert hat, dass er an bestimmten Vergabeverfahren nicht beteiligt wird (nämlich an denen, auf die sich Agora, wo er gearbeitet hat; das Öko-Institut, wo seine Geschwister arbeiten und der BUND, wo seine Schwester im Vorstand sitzt, bewerben).
- Graichen und Kellner werden beide als Staatssekretäre bezeichnet und als "zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter". Das ist allerdings PURE Bauernfängerei, denn während der eine (Graichen) ein richtiger Staatssekretär und tatsächlich Habecks wichtigster Mitarbeiter ist, ist der andere (Kellner) parlamentarischer Staatssekretär und auch wenn beide Staatssekretäre heißen, hat ein parlamentarischer Staatssekretär de facto überhaupt keine Befugnisse im Ministerium. Auch dass der ehemaliger Geschäftsführer der Grünen (was in anderen Parteien ein Generalsekretär ist) bei einer Regierungsbeteiligung eine solche Stelle bekommt ist komplett zu erwarten, ob sein Schwager jetzt Staatssekretär ist oder nicht. Das Amt des parlamentarischen Staatssekretärs wurde btw unter der ersten Großen Koalition eingeführt, weil es auf einmal nicht mehr genug gute Positionen für die Union zu verteilen gab, ist aber de facto ein make work job.
- Die ganze Geschichte mit Matthes und Baake ist kompletter Nonsens. Da wird nur noch mit Namen um sich geworden um zu verwirren: Matthes und Günther sind miteinander verheiratet und haben beide ihr Leben lang bei Klima-NGOs gearbeitet. Als die Grünen 2016 in Berlin in den Senat kamen haben sie Günther als (parteilose) Umweltsenatorin nominiert. Ein paar Jahre später ist Günther dann den Grünen beigetreten, nach der Berlin-Wahl 2021 wurde sie dann ausgetauscht. Welchen Vorteil Matthes, der zu dem Zeitpunkt schon genau denselben Job beim Öko-Institut hatte wie heute, davon gehabt haben soll, dass seine Frau zwei Wochen lang Landesumweltministerin war, während Habeck Bundesumweltminister ist, entzieht sich mir völlig. Und was Rainer Baake da zu suchen hat ist noch weniger klar: Dass ein Typ, der mehrfach (auch unter Sigmar Gabriel, obwohl Baake bei den Grünen ist) Staatssekretär war, später die Leitung einer großen Umwelt-NGO bekommt, ist in etwa so überraschend wie das Amen in der Kirche und hat weder mit Habeck noch mit Graichen irgendetwas zu tun. Das ist übrigens auch eine Personalie von 2020.
- Stefan Birkner wird zwar tatsächlich Chef der Autobahn GmbH, aber auf Vorschlag des von der FDP geführten Verkehrsministeriums, nicht des Wirtschaftsministeriums, und mutmaßlich auch nicht, weil er mit Robert Habecks Schwester verheiratet ist, sondern weil er bis vor kurzem der Landesvorsitzende der FDP Niedersachsen und auch mal niedersächsischer Umweltminister für die FDP war. Außerdem ist er dem Vernehmen nach ein guter Buddy von Christian Dürr, der Fraktionschef der FDP ist und zusammen mit ihm im Landtag in Niedersachsen in der FDP-Fraktion saß.
Die einzige Sache, die ohne Einschränkungen scheiße ist, ist die Berufung des Dena-Chef, an der Graichen nicht hätte beteiligt werden dürfen. Der Rest lässt sich darauf reduzieren, dass drei Geschwister alle in demselben Bereich arbeiten (respektive arbeiteten bei Patrick Graichen), nämlich Umwelt-NGOs und einer nun eine sehr herausgehobene staatliche Position bekleidet. Wenn da jetzt die Geschwister irgendwie absurde Karrieren hingelegt hätten, könnte man wohl etwas sagen, selbst wenn nicht gegen Gesetze verstoßen worden wäre. Aber de facto hat noch nicht mal jemand auch nur die Behauptung erhoben, dass da in irgendeinem Fall Vorteilsnahme passiert sein soll und die beiden Geschwister haben es unabhängig von ihrem Bruder schoin in ziemlich herausgehobene Positionen geschafft. Die beiden Geschwister von Graichen arbeiten auch beide seit fast 20 Jahren (bei seinem Bruder mit einer kleinen Unterbrechung bei der GIZ) für das Öko-Institut, d.h. ihre komplette berufliche Expertise ist in diesem Bereich. Sollen die jetzt beide ihren Job kündigen? Und wenn ja, wo sollen sie nach diesen Kriterien denn überhaupt noch arbeiten können? Klimaschutzpolitik in der freien Wirtschaft machen?
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€dit:
Der Bundestag soll nur noch alle fünf statt alle vier Jahre gewählt werden. In der Wahlrechtskommission schloss sich nun auch der Unions-Obmann den Ampelvorschlägen an. Wann die Reform umgesetzt wird, ist aber noch offen.
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Finde ich grundsätzlich sinnvoll. Konsequenterweise sollte man imo auch dafür sorgen, dass nicht fortwährend Landtagswahlen für Unruhe sorgen. Imo sollten möglichst viele Landtagswahlen gemeinsam mit der BTW stattfinden und der Rest an maximal zwei weiteren Terminen während der Legislaturperiode.
Fände weniger gestaffelte Wahltermine zwar auch gut, ließe sich aber natürlich niemals umsetzen, weil die Länder ja ihre köstliche Autonomie über den Wahltag aufgeben müssten. Außerdem würde es zu Problemen führen, wenn eine Regierung auseinanderbricht: Was soll dann passieren, bis an einem der beiden Termine neu gewählt wird? Oder wenn vorzeitige Neuwahlen auf Bundesebene durchgeführt werden müssen?