In meinen Augen sind beides ziemliche, wenn auch habwegs subtile, hit pieces. Allein der Einstieg im Tagesspiegel:
Wie genau Graichen da etwas bewegte und welcher Mittel er sich bediente – dazu bleibt Habecks Ministerium bisher Antworten schuldig.
Letztlich basiert dann der ganze "exklusive" (lol) Artikel auf Mutmaßungen darüber, was sein könnte, worüber man aber leider doch nichts weiß.
Der einzige valide Punkt ist imo, dass er offenbar auch innerhalb der Kommission seine Freundschaft zu Schäfer nicht bekannt gemacht hat. Andererseits ist das auch etwas arbiträr, denn wäre es jetzt besser, wenn er posaunt hätte, dass das sein Homie ist und er den unbedingt für den Job will? Die Erklärung, dass er das nicht an die große Glocke hängen wollte, um die anderen Kommissionsmitglieder nicht voreinzunehmen, wirkt auf mich jedenfalls nicht weniger plausibel.
Aus dem Spiegel:
Die Medienleute interessiert ein sehr spezifischer Aspekt am Thema Chancengleichheit im Berufsleben: Dürfen Menschen in Machtpositionen ihre Vertrauten mit wichtigen Posten versorgen?
Graichen verhalf seinem Trauzeugen zu einem gut bezahlten Chefposten bei der staatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena).
Ist Graichens Einsatz für Michael Schäfer als Dena-Chef mit persönlichem Fehlverhalten erklärt? Oder ist er Ausdruck eines systemischen Problems im Grünen-Biotop?
Klassischer Spiegelstil: Wir suggerieren, äh fragen doch nur.
Unterm Strich deutet für mich nach allem, was man weiß, sehr wenig darauf hin, dass es Graichen hier primär darum ging, einen guten Freund mit einer gut dotierten Position zu versorgen. Deutlich wahrscheinlicher scheint mir, dass er Schäfer für so kompetent hielt, dass der Posten von ihm profitiert.
Die eigentlich entscheidende Frage wäre imo, ob er dazu bereit war oder tatsächlich dafür gesorgt hat, dass eigentlich geeignetere Kandidaten deshalb außen vor blieben. Genau darauf fehlt nach wie vor jeder Hinweis - das anscheinend einstimmige Votum der Kommission zu Schäfers Gunsten macht es jedenfalls nicht wahrscheinlich.
Ein beamtenrechtlicher (?) und politischer Fehler, den er tunlichst hätte vermeiden sollen, ist es natürlich trotzdem, weil es ja auch um den bloßen Anschein von Befangenheit geht. Trotzdem wird man dem Fall imo nicht gerecht, wenn man die Diskussion allein daran aufhängt und so tut, als spiele es keine Rolle, ob es allein beim Anschein geblieben ist.
Interessant finde ich das im Vergleich zu Lindner und der Kreditgeschichte, wo der Anschein der Vorteilsnahme ja auch im Raum stand bzw. sogar bejaht werden konnte, aber halt rauskam, dass es keine gab und die Sache damit erledigt war.
Bemerkenswert finde ich auch, wie der Spiegel-Artikel oben noch vollmundig über ein "systemtischen Problem im Grünen-Biotop" spekuliert und dann weiter unten relativ klar schließt, dass die Grünen es schlimmstenfalls so machen, wie andere Parteien auch - aber damit ja trotzdem besondere Schuld auf sich laden, weil sie ja die Grünen sind und gefälligst moralisch makelloser sein sollen, denn halten sie sich dafür nicht auch?
Man kann für die Grünen hier eigentlich nur noch hoffen, dass sie von Betonolaf gelernt haben und sich nicht selbst zu sehr in Rage debattieren und dem Thema damit mehr Aufmerksamkeit einräumen, als es eigentlich verdient - imo bereits deutlich zu viel.