"Bisher war bekannt, dass internationale Soldaten im Irak nach 2003 hin und wieder auf alte Senfgas-Geschosse gestoßen waren. Doch das ganze Ausmaß hat nun erst die "New York Times" aufgedeckt. Die USA hatten das Thema zur Geheimsache erklärt. Erst 2009 meldete Washington der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) die Funde; nachträglich trat der Irak nun der OPCW bei. Doch der breiten Öffentlichkeit machten die Amerikaner die Entdeckungen nicht bekannt.
Der "Islamische Staat" hat alte Geschosse erobert
Nun bekommt Saddam Husseins tödliches Erbe neue gefährliche Aktualität. Denn als die Amerikaner 2010 aus dem Irak abzogen, waren noch nicht alle alten Chemiewaffengeschosse gesichert und zerstört. Auch der irakischen Armee ist es in den folgenden Jahren nicht gelungen, sämtliche Munition zu vernichten.
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Waffenexperten gingen damals davon aus, dass diese alten, schwer transportierbaren Überreste kaum eine Gefahr darstellen würden. Auch das US-Außenministerium bezeichnete das Risiko als gering. "Wir glauben nicht, dass der Komplex Chemiewaffenmaterial von militärischem Wert enthielt", sagte Jen Psaki, Sprecherin des US-Außenministeriums. "Es wäre sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, das Material sicher zu entfernen."
Doch der Bericht der New York Times beschreibt zwei Vorfälle, in denen irakische Aufständische - möglicherweise Mitglieder der irakischen al-Qaida, der Vorläuferorganisation des IS - Bomben aus alter Chemiewaffen-Munition hergestellt haben. Die Auswirkungen waren zwar gering, doch ganz harmlos waren die Bomben nicht.
In einem Fall explodierte eine Bombe neben der Patrouille von Sergeant James F. Burns im Südwesten Bagdads. Es war eine kleine Explosion. Niemand wurde verwundet. Sergeant Burns lud die Reste des Geschosses in den Wagen ein, um es im US-Militärstützpunkt unschädlich zu machen. Erst im Fahrzeug fiel Burns der komische Geruch auf, "wie verrottetes Gemüse".
Die Männer bekamen Kopfschmerzen, ihnen wurde schwindelig, ein Soldat bekam immer kleinere Pupillen, bis sie kaum noch zu erkennen waren. In der Klinik dachte das medizinische Personal erst, die zwei Soldaten hätten Drogen genommen. Später wurden ihre medizinischen Berichte als geheim eingestuft."