Wenn es ernsthafte Sanktionen gibt stimme ich zu, das hatte ich ja schon geschrieben. Aber hälst du das für eine gute Lösung, was schlägst du da konkret zur Umsetzung vor? Wie sollen die Sanktionen aussehen und welche Hürde zum Nachweis?
Ich finde das keine gute Lösung, denn um zu wirken müssen es auch ernste Sanktionen sein, und die Nachweishürde muss niedrig genug sein dass man es auch "nachweisen" kann wenn es keine echten Beweise gibt. Denn das jemand mündlich Andeutungen gemacht hat wird man nie echt nachweisen, und auch dass die Nichtbeförderung, die schlechte Note oder sonstwas, genau daran lag, wird man auch nie wirklich nachweisen können. Aber solche harten Regeln sind natürlich auch wieder missbräuchlich, schaffen viel Risiko und Unsicherheit und viel Aufwand. Und da ist das gender Thema einfach zu unwichtig um so ein Monstrum zu erschaffen, das erzeugt viel viel mehr Probleme als ein einfaches Verbot.
Wie gesagt: Ich glaube unsere Differenz ist eine völlig unterschiedliche Wahrnehmung der Wirklichkeit, nicht so sehr eine unterschiedliche moralische Bewertungen. Ich bin grundsätzlich auch gegen Zwang, wenn der Nutzen nicht deutlich den Schaden überwiegt. Das sehe ich hier nur nicht, respektive du schafft vllt. sogar mehr Zwang.
Wenn ich über das Thema nachdenke, denke ich an ein Spektrum von Leuten, die in irgendeiner Weise entweder weisungsberechtigt sind (etwa Vorgesetzte in einer Amtsstube) oder auf irgendeine andere Weise subtilen Druck aufbauen können (etwa jemand, der dich in irgendeiner Form bewertet oder dein Fortkommen anderweitig befördern oder behindern kann), von
1. Leute die Gendern jetzt schon ablehnen und das auch kommunizieren
2. Leute die Gendern ablehnen, es aber jedem selbst überlassen würden
3. Leuten denen Gendern egal ist
4. Leute die das Gendern befürworten, es aber jetzt schon jedem selbst überlassen würden
5. Leute die das Gendern befürworten und bei einer Kann-Regel weiter subtil Druck machen würden, bei einem Verbot aber nicht
6. Leute die das Gendern befürworten und sowohl bei einer Kann-Regel als auch bei einem Verbot weiterhin subtilen Druck machen würden
Fälle #1 bis #4 sind für ein Gesetz ohne Belang (#1 und #2 könnte man natürlich noch ausziselieren, spielt in dem asymmetrischen Fall in dem nur über ein Gender-Verbot nachgedacht wird keine Rolle), dort würde niemand gegen seinen Willen zum Gendern angehalten. #6 ist auch nicht wirklich von Belang, denn wir wissen ja vom AGG relativ klar, dass man Benachteiligung auch anderweitig rechtfertigen kann als durch den (verbotenen) tatsächlichen Grund. Klar betroffen wären diejenigen in #5. Ich glaube dass unter #5 nur eine sehr, sehr kleine Zahl von Leuten fällt, du offensichtlich nicht. Die Sanktionen, die es aktuell schon gibt, verhindern in meinen Augen viel offensichtlichere und gewichtigere Probleme in staatlichen Strukturen in Deutschland sehr gut (etwa Vorteilsnahme etc.), ich kann ehrlich gesagt überhaupt kein Argument dafür erkennen warum das bei einem solchen Thema so sehr anders sein soll. Das Beispiel von Booty, auf das du verwiesen hast, würde in meinen Augen auch gut durch eine Kann-Regelung gelöst: Ein Problem wären wildgewordene Gleichstellungsbeauftragte dann ja nicht mehr, denn denen würde die gesetzliche Grundlage fehlen und für dein akademisches Fortkommen sind sie nicht verantwortlich. Diejenigen, die sich nach Booty jetzt "wegducken" bräuchten das dann ja nicht mehr, weil sie eine klare gesetzliche Vorgabe haben; wer sich jetzt "wegduckt" weil er Gleichstellungsbeauftragte fürchtet wird wohl kaum in den bürokratischen Infight gehen, um gegen eine explizite gesetzliche Regelung zu verstoßen.
Ja. Ich behaupte nicht dass ein Verbot perfekt ist. Weder löst das Verbot alle Probleme, noch erzeugt es keine. Ich stimme da schon überall zu. Aber ich halte die Probleme die es erzeugt für klein, und sehe insbesondere keine bessere Alternative. Besser als der aktuelle Zustand der hier schon sehr oft berichtet wurde ist es auf jeden Fall.
Ich sehe ehrlich gesagt nicht, warum du dich immer auf den "aktuellen Zustand" hier im Thread stützt, als wäre der nicht mit einer Kann-Regel genauso gut abgedeckt. Wie viele Beispiele gab es hier, die durch eine Kann-Regel nicht gelöst würden? Bitte im Hinterkopf behalten: Das Verbot gilt so oder so nur für staatliche Stellen, nicht für die freie Wirtschaft.
Und trotz dieses Gewichts ist die aktuelle Realität das sich die Minderheit durchsetzt und an allen mögichen Stellen das gendern durchdrückt. Weil eben das Zahlenverhältnis nicht das einzige ist, sondern auch wie stark der Wille ist sich dafür einzusetzen, wie sehr man bereit ist andere dafür anzugreifen. Ohne scharfe Regeln (wo drin ich eben ein größeres Problem sehe) wird sich an dem Zustand nichts ändern.
Dass die Salienz eine große Rolle spielt glaube ich auch. Ich glaube nur du überschätzt auch die Quote derjenigen, die prinzipiell fürs Gender sind und dann auch noch so sehr dass sie kein Problem damit haben, es anderen aufzuzwingen, ziemlich massiv (bei einer insgesamt schon nicht sehr großen Untergruppe von Gender-Befürwortern). Kannst du dir wirklich so problemlos so viele Stellen vorstellen, wo das normal ist? Ich gehe jetzt mal davon aus wir denken beide nicht nur an die WiMis an Gender Studies-Lehrstühlen, wo die Quote derjenigen die Gendern sowieso im sehr hohen zweistelligen Bereich liegen dürfte. Die Bereiche, die mir am ehesten einfallen würden (sowas wie Journalismus oder Unternehmenskommunikation) sind alles Bereiche, auf die Verbote nicht anwendbar sind, weil freie Wirtschaft.