@Gustavo damit hätte ich grundsätzlich kein Problem.
Ich würde aber den Verdacht verstehen, dass wenn beide Formen erlaubt sind, Aktivisten in Machtpositionen immer noch Druck ausüben könnten.
"Warum nutzt du nicht die Möglichkeit zu gendern? Möchtest du nicht, dass sich alle angesprochen fühlen? Bei meinen Hiwis & wissenschaftlichen Mitarbeitern wäre mir das ja schon nicht unwichtig..."
Na ja, ich würde die Kirche hier vielleicht auch mal im Dorf lassen: In so ziemlich jeder hierarchischen Beziehung gibt es die Gefahr, dass Kriterien jenseits der tatsächlich gefragten Kriterien den Ausschlag geben. Ein Staat kann gegen sowas Gesetze wie etwa das AGG erlassen, aber wenn jemand sich nun partout in den Kopf gesetzt hat, anhand solcher Kriterien zu diskriminieren (oder die Diskriminierung selbst gar nicht erst bemerkt), kann der Staat da meistens nicht viel machen. Ich glaube jetzt eher nicht, dass "Gendern/Nicht-Gendern" da unter den Top X Gründen ist, warum jemand eine bestimmte Stelle bekommt oder nicht bekommt, einerseits weil es wohl kaum so viele Gender-Fanatiker in Machtpositionen gibt, andererseits weil viele der Stellen, bei denen diese Frage der hierarchisch übergeordneten Person so wichtig ist, dass sie darin ein Ausschlusskriterium sieht, eher nicht von Leuten angefragt werden, die große Probleme mit dem Gendern haben.
Nur mal ein Beispiel: Es gibt zig Studien die zeigen, dass attraktive Personen bei allen möglichen Fragen bevorzugt und unattraktive Menschen benachteiligt werden. Das ist so gut erforscht, so kulturübergreifend und so deutlich, dass es unmöglich Zufall sein kann und offensichtlich in allen möglichen Lebensbereichen zum Tragen kommt. Jetzt könnten wir natürlich "Aussehen" als geschützte Klasse ins AGG schreiben, aber ich vermute niemand hier würde ernsthaft glauben, dass dadurch Attraktivität als Auswahlkriterium ein Ende hätte. Hältst du es für die richtige Lösung, dass der Staat dekretiert, dass sämtliche Ausschreibungen in Zukunft ohne Ansehen der Person stattzufinden haben? Ich nicht. Irgendwo ist imho einfach eine Grenze erreicht, wo schlicht Einzelfallgerechtigkeit als Ertrag in keinem Verhältnis mehr zu dem Aufwand steht, den man sich damit macht.
Und nur um dem Einwand vorzugreifen: Der "Aufwand" ist hier die Freiheitseinschränkung, nicht der entgangene Nutzen des Genderns. Wir sind uns mutmaßlich einig, dass der Nutzen dieser Schreibweise im Sinne der Änderung gesellschaftlicher Denkweisen maximal überschaubar ist, aber darum geht es mir auch nicht. Mir geht es darum, dass man Leute ohne echten Grund in ihrer Freiheit einschränkt, so zu schreiben wie sie es für richtig halten.
Außerdem muss man berücksichtigen, wie wir hierher gekommen sind. Es gibt keine zwei sehr großen Gruppen, die man mit deinem Vorschlag beide glücklich machen könnte.
Es gibt eine Minderheit, welche den Quatsch seit Jahren versucht, durchzudrücken & von denen eine weitere radikale Minderheit mit deinem Vorschlag auch überhaupt nicht zufrieden wäre.
Fazit: Ich habe nichts gegen das Gendern. Finde aber ein Pochen auf Rechtschreibung ohne Gendern für Behörden, Schulen, Universitäten nachvollziehbar.
Behörden könnte ich unter Umständen noch nachvollziehen: Da geht es um einen Arbeitgeber, der seinen Arbeitnehmern alles mögliche vorschreiben darf, insofern sehe ich nicht warum die Orthografie da einen großen Unterschied darstellt. Aber Schule ist in keinem nennenswerten Sinn "freiwillig" in Deutschland (und Universitäten auch nur begrenzt, zumindest wenn man einen bestimmten Beruf ergreifen will, der einen Hochschulabschluss voraussetzt), insofern finde ich das schon einen nicht trivialen Eingriff, Leuten die Schreibweise vorzuschreiben, wenn es dafür nicht auch gute Gründe gibt. Und mir scheint einfach, momentan ist der beste Grund, den etwa die CDU in Sachsen vorbringen kann die Tatsache, dass mittlerweile eine nennenswerte Zahl an Leuten für sich selbst ein Recht einfordert, vom Gendern in keiner Form behelligt zu werden und diese politisch in der Mehrheit sind. Da Sprechen und angesprochen werden aber immer zwei Leute voraussetzen, heißt das zwangsläufig, dass man dann jemand anders Vorschriften machen muss.
Die Lösung hat btw auch den ganz praktischen Vorteil, dass sie praktikabel ist, egal wie sich der politische Wind dreht oder nicht dreht: Wenn Gendern wirklich eine Mode ist, die wieder verschwindet, dann müsste man genauso wenig etwas daran ändern wie wenn Gendern mit der Zeit zum allgemein akzeptierten Standard wird. Momentan würden eher die Gender-Befürworter dadurch geschützt aber es könnte ja durchaus sein, dass das irgendwann auf die Gender-Kritiker zutrifft. Dass es Fanatiker auf beiden Seiten gibt, denen das nicht passen wird: Whatever. Die gibt es bei politisch kontroversen Lösungen eh immer. Kann man nur sagen "suck it up".