Ich verstehe nicht mal, wie das in Europa funktionieren soll. Australien hat viel längere Seewege, auch zur Hochzeit einen Bruchteil der Migranten bzw. potenziellen Migranten (dazu mit geringerem Leidensdruck) und eins der ärmsten Länder der Welt um die Ecke, das allerdings politisch stabil und (zumindest prinzipiell) bereit ist, solche Lager zu betreiben. Da ich stark bezweifle, dass irgendein Land der EU eine Mittelmeerinsel als schwimmende Verwahrungskolonie zur Verfügung stellen möchte, hat Europa nichts davon. Wenn man unbedingt verhindern will, dass über die Mittelmeerroute weiter Leute kommen, wäre doch die viel offensichtlichere Lösung, die Schiffe wieder in Libyen an Land zu bringen.
1. Erstens spielt die Länge der Seewege kaum eine Rolle, da man zur Überwachung technische Mittel (Radar, Satelliten, Sonar) einsetzen kann, die - bei entsprechener finanzieller Ausstattung - quasi jedes Schiff rechtzeitig melden kann um es nicht unkontrolliert an der Küste ankommen zu lassen. Dass man nichts "100%ig" zu bekommt, geschenkt, darum geht es auch gar nicht. Reduktion um 90% ist völlig ausreichend.
2. Der Kernpunkt des australischen Systems ist das Prinzip, dass niemand unberechtigt ins Land gelassen wird. Die Lager auf Papua sind dann lediglich die - in meinen Augen sehr schlechte - praktische Ausgestaltung. Dass man diese in einem europäischen Modell nicht übernehmen sollte, ist nun mehrfach genannt worden. Keine Ahnung warum darauf immer noch herumgeritten wird. Da herrscht bereits Konsens drüber.
3. Natürlich wäre es sinnvoller, die Schiffe bzw. die Menschen in Lybien wieder an Land zu bringen. Das muss aber organisiert werden, entweder über ein UN-Mandat (aka man entschließt sich, Zonen in Lybien so lange durch die UN "zwangsverwalten" zu lassen, bis Lybien wieder ein politisch stabiles und funktionierendes Land ist) oder die Europäer nehmen das in die eigenen Hände über entweder militärische Absicherung der Rückführungsaktionen, denen Lybien wirklich gar nichts entgegenzusetzen hätte oder temporäre, geschlossene Unterbrigungseinrichtungen auf europäischem Boden, Nahe der Außengrenze. Aber: Nur Leute erhalten Bewegungsfreiheit und Versorgung in Europa, deren Asylantrag in einem solchen Erstaufnahmelager positiv beschieden wurde. Alle anderen werden entweder rückgeführt oder müssen dauerhaft dort bleiben wenn sie die Mitarbeit verweigern oder ihre Herkunftsländer sich querstellen.
Das ist im Übrigen eine Lösung, mit der ich prinzipiell gar kein Problem hätte. Nur halt nicht unter der Prämisse von vor 2015: Ok, Leidensdruck ist (dann) wieder gering genug, ist dementsprechend nicht mehr unser Problem. Das finde ich (neben den Zuständen in den Lagern) nämlich auch das eigentliche problematische an der australischen Lösung: Nicht, dass es sie gibt, sondern dass sie nur mit einem lächerlichen Zuwachs an legalen Resettlement-Plätzen verbunden wurde.
Dem kann ich voll zustimmen. Grenzkontrolle und entsprechende Unterbringung in Aufnahmelagern darf natürlich nicht das Ende der Maßnahmen sein, gemäß dem Motto "kommt keiner mehr hier an, Problem erledigt". Parallel dazu muss selbstverständlich massiv investiert werden, um den Wanderungsdruck an sich zu senken und die Heimatregionen zu stärken. Und die Leute die tatsächlich asylberechtigt wären bzw. bei denen absehbar ist, dass sie viele Jahre oder für immer bleiben werden, müssen bestmögliche Integrationshilfen bekommen, durch Bildung, Ausbildung und natürlich eine entsprechend hohe Zahl von angemessenen Wohnmöglichkeiten.
Es geht explizit nicht darum, den demografischen Überschuss Afrikas aufzufangen, sondern den tatsächlichen (!) Anstieg an Menschen in den letzten 6 Jahren, denen nach GFK Asyl zustünde. Solange man dahingehend entsprechend der begrenzten Möglichkeiten des eigenen Landes aktiv (!) tätig wird, wäre gegen so eine Lösung nichts zu sagen und vermutlich würden es auch die wenigsten.
Dagegen ist nichts einzuwenden.
Nur die Verbindung "möglichst jede Route nach Mitteleuropa sperren" und gleichzeitig hoffen, dass so wenig tatsächlich Asylberechtigte (!) es ins eigene Land schaffen wie möglich, oder irgendeine wahllos gewählte Obergrenze (Provenienz: Horst Seehofers Arsch) ohne jegliches empirisches Korrelat damit, was wir leisten können und wie viele Leute tatsächlich Hilfe brauchen, oder sich hinter absurdem Legalismus ("Asylrecht wieder nur nach Art. 16a", "nach Dublin sind wir für KEINEN dieser Flüchtlinge zuständig") verstecken, sowas ist halt moralisch schäbig ohne Ende.
Dagegen ist auch nichts einzuwenden und ich glaube die Leute die ein System von kontrollierten Grenzen und geschlossenen Erstaufnahmelagern in denen die Asylverfahren laufen favorisieren, hegen nur zu einem wirklich unglaublich winzigen Anteil diese moralisch schäbige Hoffnung.