Inwiefern soll denn die FDP das "Spiegelbild" der Linkspartei sein?
Das Spiegelbild der Linkspartei wäre eher:
- Mindestlohn abschaffen
- Spitzensteuersatz runter
- Unternehmenssteuern runter auf Niveau von Irland (wäre übrigens mein Favorit)
- ..
Die FDP möchte überhaupt nicht von unserem Sozialstaat weg, und ist übrigens die einzige Partei, welche die größte Ungerechtigkeit zum Thema gemacht hat: Die hohe (>80%) Grenzebelastung aus Hartz IV heraus nach den ersten €100 Freibetrag. Was dafür sorgt, dass die alleinerziehende Mutter in Teilzeit quasi nichts mehr hast als wenn sie einfach nichts macht etc.
Deine Kategorien sind erstens ein bisschen arbiträr und zweitens ist die FDP davon gar nicht so weit weg. Nun wird der Mindestlohn nicht mehr abgeschafft werden, weil er populär ist, aber die FDP war vehement dagegen, ihn überhaupt einzuführen. "Spitzensteuer" ist wieder nur diese sinnlose Vereinfachung von Gesamtverteilungseffekten auf einen winzigen Ausschnitt des Steuersystems*; wenn du dir die gesamte Verteilungswirkung der geforderten Reformen anschaust, wie sie in den Parteiprogramm stehen, siehst du exakt das was ich beschrieben habe, nämlich dass die FDP ungefähr so viel weniger umverteilen möchte, wie die Linke mehr umverteilen möchte. Und dass die FDP die Unternehmenssteuer senken will, ist ja nun ebenfalls eine Tatsache, genau wie die Linkspartei ja nicht Sozialisierung der Produktionsmittel im Wahlprogramm stehen hat, sondern die Körperschaftssteuer auf 25% anzuheben. Dass die Linke sich sicher auch mehr vorstellen könnte als das, was im Wahlprogramm steht, ist geschenkt, aber selbiges gilt für die FDP ja durchaus auch. Zu behaupten, "die FDP möchte überhaupt nicht von unserem Sozialstaat weg" ist jedenfalls als Behauptung ziemlich unhaltbar. Die FDP würde zweifellos sehr gerne vom Sozialstaat weg, muss sich aber, wie alle liberalen Parteien in allen Demokratien, mit der Vorbedingung abfinden, dass der Sozialstaat nun mal sehr populär ist und dementsprechend schwierig zusammenzustreichen. Summa summarum sehe ich jedenfalls kein tragfähiges Argument gegen meine Behauptung von einer Wesensverwandheit Linke <--> FDP auf der ökonomischen Achse.
*ähnlich wie die ANDAUERNDE Behauptung von Deutschland als "Höchststeuerland" oder "Steuerweltmeister", welche völliger Blödsinn ist, weil sie sich nur auf eine bestimmte Art von Steuern bezieht, nämlich die auf Erwerbseinkommen, was aber eben nur ein Teil der Gesamtsteuerlast ist
Edit:
Sie direkt offen gesagt, dass das Ergebnis nicht so pralle war wie es vielleicht möglich gewesen wäre und direkt zugegeben, dass das auch auf ihre Fehler in ihrer Funktion als Spitzenkandidatin zurückzuführen ist. Ob man sie jetzt dafür loben muss weiß ich nicht, aber umgekehrt muss man sie auch nicht mit Schimpf und Schande vom Platz jagen. Es ist immer noch das beste Ergebnis aller Zeiten bei einer Bundestagswahl. Aber beim nächsten mal darf halt jetzt jemand anderes ran.
Stimmt schon, hat sie. Allerdings war das auch nicht wirklich zu leugnen und ist halt auch wirklich der absolute Standard bei Wahlen. Ich bin ja sonst eigentlich eher der Meinung, dass manchen Spitzenkandidaten aller Parteien (vor allem den Herausforderern) Unrecht getan wird, weil man sie am Erfolg ihrer Partei misst, obwohl wir eigentlich ziemlich genau wissen, dass die Leute sich kaum um Herausforderer scheren und die Personalkomponente fast nur für den Amtsinhaber eine Rolle spielt. Aber bei ACAB kann man es ja nun wirklich nicht bestreiten, zumal sie noch das Glück hatte, in einer Wahl ohne populären Amtsinhaber anzutreten. Ob man dafür jetzt schon Fleißsternchen vergeben muss, weiß ja nicht.
Edit: Das ist mir btw generell aufgefallen an ACAB, ganz bei booty: So richtig von den anderen abgesetzt durch die Qualitäten, die ihr zugeschrieben wurden, hat sie sich jetzt eigentlich überhaupt nicht. Will nicht sagen dass sie nicht vielleicht wirklich extrem viel Detailwissen hat, aber bei den öffentlichen Auftritten hat man davon jetzt nichts gesehen. Das ist schon ein bisschen soft bigotry of low expectations, so zu tun als wäre Baerbock an anderen gescheitert. Ich gebe zu, sie hatte nicht die beste Ausgangsposition einfach weil man ihr besonders genau auf die Finger geschaut hat, aber ihre Fehler waren halt nun auch einfach SEHR vermeidbar. Wenn am Ende 6% der Wähler der Grünen sagen, wegen ACAB grün gewählt zu haben, aber fast 50% der SPD-Wähler dasselbe über Scholz/SPD, dann ist da schon viel schief gelaufen.