KLEINE CORONA-RUNDSCHAU (10)
meiner Europapolitischen Beraterin
Falls Sie sich selbst politisch eigentlich immer irgendwo verortet haben, angesichts des derzeitigen Versagens der wissenschaftlichen Dialektik aber langsam Ihre kritische Urteilsfähigkeit zu verlieren drohen, hier mal eine kleine Orientierungshilfe. Ein unvollständiger Blick über den Rand Ihres deutschen Tellers hinaus, der sich ausschließlich aus den Nachrichten der letzten Tage speist.
Es ist nämlich so: Während die (geimpfte) Mehrheit in DEUTSCHLAND sich in der wort- & emotionsreichen Bekämpfung einer „Pandemie der Ungeimpften“ gefällt, gibt es auf den Schulhöfen BULGARIENS für die (geimpfte) Minderheit einfach zuverlässig & wortlos auf’s Maul.
In KATALONIEN hält man jede mit Zwangsmaßnahmen verbundene Diskriminierung für "sehr gefährlich“, weswegen man nicht im Traum daran denkt, den Zugang zum öffentlichen Raum mit irgendeinem Impfstatus zu verknüpfen.
SCHWEIZER (und BAYERN) stellen verblüfft fest, dass die von ihren Gesundheitsbehörden veröffentlichten Zahlen irgendwie irreführend waren, da die Hälfte der gezählten Corona-Patienten gar nicht an Covid, sondern irgendeiner anderen Behandlungsbedürftigkeit litt: retardiertes Reaktionsvermögen, Hals- und Beinbruch (Ski), Käsefondue- oder Weißbiervergiftung (Après-Ski).
Die traditionell kapitalfreundliche Regierung der USA beschenkt ihre größeren Finanzkonzerne mit der grandiosen Gelegenheit, sich aus Gründen des Gesundheitsschutzes ihrer überschüssigen Mitarbeiterschaften zu entledigen; Bloomberg zufolge wird allein die Citigroup bis Ende der Woche 7000 (ungeimpfte) Mitarbeiter abfindungsfrei ihrem Schicksal überlassen haben - unter dem Jubel ihrer (geimpften) Kollegen und einer Leuchtschrift mit den Lettern „Solidarität“.
Und während die Regierung ITALIENS mit einem nur noch peripher an Grundsätzen von Epidemiologie & Logik orientierten Maßnahmenpaket durchkommt, das die 3G-Regel für die Arbeit aus dem Homeoffice (Hä?) verpflichtend macht, erinnern Intellektuelle an Giorgio Agamben und seinen Befund, demzufolge der moderne Staat zu einer immer systematischeren Nutzung des Strukturelements des „Ausnahmezustands“ neige, ergänzt um eine beispiellose Ausweitung des „Sicherheitsparadigmas“ als normaler Technik des Regierens, wodurch am Ende „gouvernementale Systeme“ ohne klare Differenz zwischen Demokratie und Diktatur entstünden.
Zur plastischen Veranschaulichung dieser These verlängert FRANKREICH den Ausnahmezustand der ubiquitären Präsenz eines digitalen Passierscheins („pass sanitaire“) von Monat zu Monat und Quartal zu Quartal, wohingegen das Abendprogramm Professoren der Sorbonne vorstellt, die das Ende der liberalen Demokratie heraufziehen sehen und darauf hinweisen, dass an den philosophischen Zutrittspforten zur Republik ihres Wissens noch nie „santé, égalité, fraternité“ gestanden habe. (Touché.) Gesundheit sei überhaupt kein WERT, sondern ein GUT, und eine Gesellschaft befinde sich auf schnurgeradem Weg in den bestürzendsten Nihilismus, wenn sie anstelle der Freiheit nun die Gesundheit zu ihrem höchsten Wert (valeur suprême) erkläre.
Derweil verzeichnet nach einer Berechnung des „Economist“ ausgerechnet das vielfach gescholtene SCHWEDEN (für das vergangene Jahr) nun die insgesamt geringste Übersterblichkeit in ganz Europa.
Auch in der EUROPÄISCHEN Politik scheint der konzertierte Krisenkurs allmählich Geschichte zu werden. Während die industriezugewandte CDU mit Kommissionspräsidentin vonderLeyen die Impfpflicht EU-weit durchzusetzen versucht, lehnen IRISCHE Linke der Parteien Sinn Fein & People Before Profit (cooler Name übrigens) jede Form der Impfpflicht entschieden ab und raten der europäischen Politik, nicht (länger) auf die Bürger, sondern (besser) auf globale Pharmariesen Druck auszuüben - beziehungsweise auf eine EU, die es für ein gebotenes Mittel ihrer „Pandemiebekämpfung“ hält, dem pharmaindustriellen Patentrecht einen höheren Rang einzuräumen als verfassungsverankerten Grundrechten.
Die Rechtsnationalisten der UNGARISCHEN Fidesz sind sich mit den CEOs von Biontech/Pfizer und Moderna in der Notwendigkeit der Verabreichung einer vierten Impfung einig. Derweil gehen sowohl der liberal-autoritäre FRANZÖSISCHE Hybridpräsident Emmanuel Macron (LREM) als auch die (zu gleichen Teilen) von Korruption & faschistoidem Gedankengut durchdrungene ÖSTERREICHISCHE ÖVP (mit grüner Unterstützung) zu totaler Kontrolle des öffentlichen Raums und individueller Überwachung über - einem Wirklichkeit gewordenen Szenarium, das von den dystopischen Entwürfen der literarischen Moderne nicht mehr sinnvoll zu unterscheiden ist.
Der Kontrast zu SPANISCHEN Sozialisten (PSOE) und Linken (Unidas Podemos) hingegen könnte kaum schärfer sein - jedenfalls in Anbetracht einer von ihnen jüngst formulierten Idee, die zweifellos das Zeug hat, den Zuschnitt der europäischen Pandemiepolitik insgesamt zu revolutionieren. Spanien will das Coronavirus künftig nämlich nicht mehr anders behandeln als eine „gewöhnliche Grippe“. Die Regierung arbeite seit Wochen an entsprechenden Plänen und habe alle Vorkehrungen getroffen, um Corona „nicht mehr als Pandemie, sondern als endemische Krankheit“ einzustufen. Ein Ansinnen, das Ministerpräsident Sanchez und Gesundheitsministerin Carolina Darias durchaus auf die europäische Ebene zu transponieren trachten. Die EU, so die Forderung Spaniens, solle mit dem Coronavirus nicht anders umgehen als „mit jeder anderen Atemwegserkrankung auch“. Bäm. Bzw. Olé!
Die Mortalität, führt Sanchez aus, sei von 13% zu Pandemiebeginn auf nunmehr 1% gesunken. Zudem werde mit Omikron wegen seiner starken Verbreitung und seines harmlosen Verlaufs jedes Bemühen um eine lückenlose Kontaktrückverfolgung zunehmend sinnlos. Die spanischen Gesundheitsbehörden würden daher Schritt für Schritt vom System des detaillierten Infektions-Monitorings abrücken, um zur „Normalisierung von Covid“ überzugehen und fortan nur mehr dieselbe Sentinel-Überwachung zu installieren wie bei jeder anderen respiratorischen Erkrankung auch.
Der spanische Ministerpräsident stützt sich dabei nicht auf abwegige Theorien abtrünniger Wissenschaftler, sondern auf seine nationalen Gesundheitsbehörden. Und auf den Virologen Adolfo García-Sastre, seines Zeichens Direktor des Institute for Global Health and Emerging Pathogens am New Yorker Mount Sinai Hospital, der es für höchst unwahrscheinlich hält, dass kommende Virusmutationen noch irgendein Katastrophenszenario werden auslösen können. Vielmehr habe sich Sars-Cov-2 zu einem „saisonalen Virus“ transformiert, womit sich nun ein ähnliches „Equilibrium“ eingestellt habe wie beim Grippevirus hundert Jahre zuvor (1920/21). Tendenziell müsse man nun auch stärker auf natürliche Immunisierung setzen.
EU-Diplomaten sehen das offenbar nicht anders. Einer vor ihnen erklärt (Euractiv gegenüber), dass ein spezielles Omikron-Vakzin nun wahrlich nicht erforderlich sei. Diese Variante sei derart ansteckend, dass jeder sich bis zum Vorliegen eines angepassten Impfstoffs ohnehin bereits infiziert haben werde. Auf Grundlage der vorliegenden wissenschaftlichen Gutachten sei „das wahrscheinlichste Szenario für die nahe Zukunft, dass Covid zu einem endemischen Virus“ werde, „ähnlich wie die Grippe“. Wir halten Sie auf dem Laufenden!