BTW 2025

parats'

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Danke für die Feststellung von Nebensächlichkeiten. :deliver:
 

Gustavo

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Werden nicht alle großen Parteien gebashed?


Alle großen Parteien sind (teilweise auch unfairer) Kritik ausgesetzt. Aber wovon ich rede ist wie gesagt strukturell und das "Bashing" ist nur ein Ausfluss davon. Das sind die viel beschriebenen "amerikanischen Verhältnisse", die bei uns noch nicht überhand genommen haben, aber doch in Teilen zu sehen sind.
Wenn man "Bashing" als jede Art von heftiger Kritik sehen will, würde ich sagen sind in Deutschland hauptsächlich die Grünen und die AfD betroffen. Wenn man es eher als heftig und unsachliche Kritik sehen will dann sind hauptsächlich die Grünen betroffen, da die AfD es allen anderen Parteien natürlich sehr leicht macht, sie sowohl aufgrund des Personals als auch der Inhalte heftig zu kritisieren, ohne unsachlich werden zu müssen.


Ob das unfair ist oder nicht ist dann immer eine Frage, wie stark manan von den Motivationen und Äußerungen einzelner auf die Partei schließen kann/darf/sollte.

Das ist der eine Teil. Ich glaube aber auch in den meisten Fällen ist es relativ offensichtlich. Wenn bspw. wieder jemand von der Grünen Jugend irgendwas Dummes gesagt hat, ist nichts unredlich daran, das als dumm darzustellen. Unredlich wird es allerdings, wenn man so tut als spräche derjenige für die Gesamtpartei. "Bashing" ist das Verallgemeinern in Fällen, in denen eigentlich jeder weiß dass es eben nicht redlich ist.
Die andere Art ist das platte Zuschreiben von allgemeinen Problemen bzw. Kritik an politischen Tradeoffs, bei denen man selbst nicht anders gehandelt hätte.



Beispiele:

- frühe AfD, die schon sehr unfair in die rechte Ecke gerückt wurde


Das ist so eine Dolchstoßlegende, die sich im Laufe der Jahre in der "konservativ-liberalen" Sphäre gebildet hat, da ist aber wenig bis nichts dran. Die heutige Führungsriege ist randvoll mit Leuten, die innerhalb der ersten zwei Jahre eingetreten sind (Weidel, Höcke, Brandtner, Gottschalk und die Hälfte der heutigen Landesvorsitzenden sind alle schon 2013 eingetreten). Dass in der Partei ein Haufen zwielichtige Gestalten rumlaufen war von Anfang an klar, viele davon kannte man aus diversen Vorfeldorganisationen (JF, IfS, Hayek-Gesellschaft, im Osten häufig Pegida und Ableger etc.) der rechten Ecke. Nur weil es damals noch gemäßigtere Mitglieder gab heißt das nicht, dass der Weg der Partei nicht von Anfang an vorgezeichnet war: Überall in Europa gab es solche Parteien wie die AfD sie heute ist schon, nur in Deutschland soll sich eine eigene Partei für "enttäuschte CDU-Wähler" etablieren, die aber eine echte Brandmauer zu den Rechtsradikalen aufbaut? Das war nie realistisch.


Aus Sicht der jeweiligen Partei ist hilfreich, wenn man sich weniger darüber beklagt, sondern fragt was man selbst tun kann.

So könnten die vernünftigen in der SPD entschiedener gegen die Russland-Fraktion um Mützenich und Stegner vorgehen anstatt die Schnauze zu halten. Und die CDU könnte in ihren Formulierungen vorsichtiger sein und Leute wie Spahn schassen.

Auch die Grünen liefern genug Angriffsfläche. Gerade in der Jugendorganisation. Oder indem sie voll auf gendern & Open borders gehen anstatt sich auf ihr wichtiges Flagship-Thema zu konzentrieren.


Für die Art von Abneigung, von der ich rede, halte ich das für relativ belanglos. Wenn du erst mal an dem Punkt bist, dass du affective polarization hast, spielt es überhaupt keine Rolle mehr was die andere Seite macht weil es nicht mehr wirklich um Inhalte geht. Ich sehe das am Beispiel der USA seit 20 Jahren: Egal wer bei den Demokraten gerade am Drücker ist, er ist wahlweise ein Kommunist, ein Sozialist, ein Freiheitsfeind oder der Kopf einer riesigen Verschwörung gegen das amerikanische Volk. Genau so lange bis sich ein neuer standard bearer herausgeschält hat, dann ist der letzte eigentlich doch nicht so schlimm gewesen, aber *diesmal* ist es wirklich verheerend. So war es bei (Bill) Clinton, so war es bei Obama, so ist es bei Biden aktuell. Der Unterschied zwischen uns und den USA ist im wesentlichen, dass bei uns in den anderen Parteien (AfD ausgenommen) Leute sitzen, die diese Impulse bedienen, sie aber selbst nicht verinnerlicht haben. Glücklicherweise übernimmt in Deutschland die AfD die Rolle als Sammelbecken für diese Art von Spinner.




Danke für die Ausführung, hätte ich in der Tat mehr auf die Person gemünzt verstanden.
Ich glaube, dass die Grünen einfach mehr Angriffsfläche bieten, weil diese in der Tat deutlich häufiger mit konkreteren Lösungswegen auftreten (ohne das jetzt inhaltlich zu bewerten). Das einschlagen auf einen konkreten Vorschlag zur Zielerreichung ist immer leichter, weil das abstrakte Ziel innerhalb der Parteien wahrscheinlich gar nicht so anders ist und worüber soll man sich sonst aufregen, wenn im Kern doch alle ähnliche Ziele haben. Natürlich machen sich bspw. die Union oder SPD damit einen schlanken Fuß, weil sie einfach nur auf den Konsens aufspringen. Das konnte Merkel aber schon gut bzw. sie hat immer gewusst wann sie den Widerstand aufgibt und sentiment mitnehmen kann. Siehe so banale Beispiele wie die gleichgeschlechtliche Ehe, wo sie den Fraktionszwang ohne eigene Not aufgehoben hat und wusste, dass die Befürwortung im Kern konsens der Gesellschaft ist. Dazu hat sie sogar dagegen gestimmt und danach sauber aufgesammelt, weshalb es dennoch richtig war.
Dazu kommt natürlich, dass wir heute kaum noch die klassische Volkspartei haben und die Union setze ich da mal in Klammern. Damit verteilt sich vor allem die mediale Aufmerksamkeit auf mehrere Parteien und vor allem die Grünen sind zu einer bedeutenderen Größe gewachsen.

Denke da ist viel Wahres dran. In einem so vorsichtigen Land wie Deutschland ist es immer ein Malus, wenn einem der status quo auf irgendeine Weise nicht passt, weil die Leute sich halt an den status quo gewöhnt haben. Und im Gegensatz zu den meisten anderen Parteien gibt es für die Grünen tatsächlich eine Zeitkomponente: Verteilungsfragen waren vor 100 Jahren ein Thema und ich würde jede Wette eingehen sie sind es in 100 Jahren immer noch. Die Klimaziele muss man realistischerweise deutlich früher erreichen und sie lassen sich halt auch nicht wirklich aufschieben, wenn man es ernst meint.
 
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