Finde da machst du es dir einfach, zumal wir nicht ansatzweise konsequent die Alternative ausprobieren. Vielleicht 1% der Diskussionen in mainstream Medien sind gut vorbereitet, gut umgesetzt und nehmen sich genug Zeit.
Ich würde eher sagen, du bist derjenige der es sich zu einfach macht. Dein Standpunkt beruht letztendlich auf zwei Annahmen:
1. Diskussionen, so wie du sie dir vorstellst bringen etwas
2. Diskussionen, so wie du sie dir vorstellst, könnten überhaupt prinzipiell stattfinden
Bzgl. 2.: Sich als jemand, der mit Journalismus so gar nichts am Hut hat, hinzustellen und einfach mal zu behaupten "macht halt nur 1% der Medien ihre Arbeit bzgl. Thema X richtig" halte ich für EXTREM vermessen. Im Übrigen würde ich dir entgegenhalten, dass das in den USA, wo es quasi nur private Medien gibt, tendenziell deutlich schlechter läuft. In anderen Ländern kenne ich mich nicht gut genug aus um darüber etwas sagen zu können, aber mir fehlt etwas die Fantasie dafür, warum zwei sehr unterschiedliche, sehr große und professionelle Medienbranchen wie die der USA und Deutschlands das durch die Bank nicht hinbekommen, wenn es einen offensichtlichen Weg gäbe, solche Leute zu stellen.
Maischberger war imho übrigens ein gutes Beispiel: Dürr ist eher am oberen Ende, was Talkshow-Kompetenz angeht und Chrupalla ist, ganz unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit, eher am unteren Ende weil man ihm die intellektuellen Defizite doch sehr deutlich anmerkt. Trotzdem hat Dürr ihn überhaupt nicht gestellt bekommen; die einzigen Momente, wo Chrupalla klar schlecht aussah, würde man im Tennis als unforced errors bezeichnen. Die guten Argumente dagegen verpuffen völlig: Bspw. hat Dürr das Argument gebracht, dass Deutschland sich im Westen völlig isolieren würde, wenn man auf den Kurs einschwenkt, den die AfD fordert. Aber um das als gutes Argument zu erkennen muss man halt über politische Zusammenhänge bescheid wissen und nachgedacht haben, das ist nicht mal so eben einleuchtend für die meisten Leute. Und Chrupalla bollert direkt darüber hinweg, indem er anfängt darüber zu schwadronieren wie eine Milliarde Menschen hinter der deutschen Linie steht und sieben Milliarden nicht, als ob a. die Meinung von allen Ländern der Welt für uns gleich wichtig wäre und nicht etwa die unserer europäischen und transatlantischen Partner um ein Vielfaches wichtiger als die von einer Milliarde Afrikanern b. man einfach Zurückhaltung aus Eigeninteresse als Ablehnung eines Kurses umdeuten kann.
Und bzgl. 1. kann ich dir sagen, dass es mittlerweile eine große Menge an Literatur zur US-Politik gibt, die diese Annahme in Zweifel zieht, weil Politik überhaupt nicht so funktioniert wie du es dir vorstellst. Das bessere Argument spielt einfach eine maximal untergeordnete Rolle, einerseits weil die meisten Leute über Politik viel zu oberflächlich nachdenken als dass sie sowas überhaupt registrieren würden und andererseits weil Argumente keine echte Rolle mehr spielen, wenn politische Einstellungen erst mal identitäre Kategorien annehmen. Für Deutschland gibt es vergleichbare Forschung meines Wissens noch nicht, aber ich bezweifle dass wir in den Denkmustern von Menschen so große Unterschiede feststellen würden.
Gut, dann gebt ihr halt auf und versucht euer Experiment, nur genehme Themen zu covern und genehme Menschen einzuladen. Egal, ob sie von 10, 20 oder 60% der Gesellschaft getragen werden (ob aus Überzeugung oder aus Protest).
Zumindest macht mir das erkenntlich, warum ihr den ÖR geil findet. Weil ihr die Hoffnung habt, den besser & länger auf dieser Linie zu halten, als private Medien.
Ich halte das für grundfalsch. Aus sowohl praktischen als auch grundsätzlich Erwägungen. Ich denke, dass man für seine Überzeugungen streiten muss, und dass man das halt oft sehr sehr sehr gut tun muss, um jemanden zu überzeugen.
Jemand hat es hier ja schon angemerkt, aber ich habe auch das Gefühl, dass hier im Forum regelmäßig nie jemand von irgendwas überzeugt wird. Letztendlich gibt es nicht die eine smoking gun in der politikwissenschaftlichen Literatur, dass Diskussionen nichts bringen, aber ich habe echt schon eine Menge Literatur gesehen, die in diese Richtung zeigt und fast nichts, das in die Gegenrichtung zeigt. Deine praktischen Gründe sind imho total unempirisch, eigentlich gibt es nur die grundsätzlichen Erwägungen. Die sind in Deutschland sehr geläufig, aber kranken halt an einer totalen Überschätzung des durchschnittlichen Bürgers als aufgeklärtem Politiksubjekt. Und ja, das ist einer der Gründe, warum ich den ÖRR insgesamt für eine gute Sache halte.
Ich sehe die Sache pragmatisch: Politik heißt für mich, dass man sich an den Voraussetzungen orientiert, die man hat, nicht denen die man gerne hätte. Das gilt für die Extremisten auf beiden Seiten: Die Letzte Generation bspw. kann sich noch so sehr wünschen, dass Klimaschutz die Demokratie sticht, aber so ist es halt nicht. Man muss versuchen Wege innerhalb des demokratischen Systems zu finden, wie man zu Klimaschutz kommt. Und wenn die AfD sich auf den Standpunkt stellt (wie es btw auch Chrupalla implizit getan hat), dass Klimaschutz nichts bringt, dann muss man ihnen halt ihre Plattform so weit wie möglich nehmen, damit möglichst wenig Menschen überhaupt auf die Idee kommen, dass Klimaschutz eine Wahl ist und keine absolute Pflicht.